Mach ich nächste Woche oder übernächste! Guck ich mir an, wenn ich sowieso in der Nähe bin! Wer kennt das nicht? Bei Veranstaltungen, die länger dauern, lauert die Gefahr, der Aufschieberitis anheim zu fallen. Irgendwann ist es dann zu spät, und man hat’s verpasst. In Britz stehen an diesem Wochenende gleich zwei Finale in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander an.
Eines davon ist die Ausstellung „Das Haus der Mutter“, die vor 11 Wochen von Kulturstadtrat Jan-Christopher Rämer im Museum Neukölln eröffnet wurde. In der künstlerischen Installation von Dorothea Koch, der Tochter, gehe es um die „Enttabuisierung des Todes und den damit einhergehenden Erfahrungen über die Endlichkeit des menschlichen Lebens, die Verarbeitung von Verlust und den Umgang mit privaten Erinnerungsorten“, so Rämer anlässlich der Vernissage.
Maria Lüben hatte über 70 Jahre in dem Haus am Haselsteig in Britz gelebt, das ihr Mann 1939 von seinen Eltern geerbt hatte. Im November 2010 starb die fast 99-Jährige. „Meine Mutter war nur drei mal im Kranken-haus: zur Entbindung ihrer zwei Töchter und zum Sterben“, erfahren die Besucher der Ausstellung von
Dorothea Koch. Für ihre Installation hat die in Hamburg lebende Künst-lerin getan, was ihr in den ersten vier Jahren nach dem Tod der Mutter unmöglich gewesen ist. Nicht ein einziges Teil habe sie aus dem Haus entfernen können, weder alte Schmierzettel noch Wäsche, beschreibt sie: „An jedem Lichtschalter, an
jeder Türklinke kleben meterdicke Erinnerungen.“
Nun ist ein großer Teil vieler kleiner Dinge nebst einigem Mobiliar ins Museum Neukölln umgezogen, um von der Geschichte eines Hauses mit großem Garten und dem Leben der Menschen, die in ihm wohnten, zu erzählen. Von wem Doro-thea Koch ihr künstlerisches Talent geerbt hat, wo ihr drei Jahrzehnte vor der Mutter verstorbene Vater gerne gesessen hat, was im Garten des Hauses wächst, das nach wie vor „nicht regelmäßig bewohnt“ ist, welche
Lebensmittel in den Paketen steckten, die einst an Verwandte in Polen geschickt wurden: Es sind intime Einblicke, die sich wie ein Puzzle aus den Exponaten zusammensetzen lassen und mit Video- und Audiosequenzen auf eine sinnliche Ebene, zum Nachriechen und -fühlen, führen.
Sie sei, beschreibt Dorothea Koch, durch die Beschäftigung mit dem Haus auch ihren Großeltern neu begegnet. Ebenso aber dem Vater, der Fremdwörter in Zeitungs-artikeln immer handschriftlich ins Deutsche übersetzt hatte, und natürlich der Mutter, die akribisch notierte, wann sie welche Vase oder Porzellanfigur geschenkt bekommen hatte, bevor der Zierrat seinen Platz im Wandschrank erhielt. Auf eine gewisse Weise, so Koch, sei sie durch die Annäherung an das Leben ihrer Mutter im Haselsteig aber
auch sich selbst neu begegnet. Eine Erfahrung, die auch allen nicht fremd sein dürfte, die keine Ausstellung aus dem gemacht haben, was ihre Vorfahren ihnen hinter-ließen.
Nicht vor 11, sondern erst vor gut zwei Wochen startete Berlin unweit des Museums Neukölln in die Volksfest-Saison 2016. Seitdem lädt – hinter dem „größten Oster-hasen der Welt“ – die 62. Britzer Baumblüte täglich zum Rummelbummel mit „vielen Höhepunkten, rasanten Fahr-geschäften und Attraktionen für die ganze Familie“ ein, wie Veranstalter Thilo-Harry Wollenschlaeger die Ausrichtung des Volksfests charak-terisiert. Heute ab 21 Uhr wird über dem Gelände zum letzten Mal das „Sterne von Britz“-Feuerwerk funkeln
und krachen. Morgen steht dann der Finaltag der Britzer Baumblüte an, die der Natur in den Straßen der Umge-bung – anders als vor zwei Jahren – mal wieder weit voraus war, und die Schausteller-Karawane zieht weiter, bevor sie ab 29. April wieder in Neukölln, bei den Neuköllner Maientagen, Station macht.
Die Ausstellung „Das Haus der Mutter“ kann noch bis morgen um 18 Uhr im Museum Neukölln (Alt-Britz 81) besichtigt werden. (Die um 15 Uhr beginnende Führung mit Dorothea Koch durch das Haus ist bereits ausgebucht!)
Die 62. Britzer Baumblüte (Parchimer-/Fulhamer Allee) öffnet morgen um 12 Uhr zum letzten Mal. Im Rahmen des Bühnenprogramms startet um 14 Uhr das Finale der Amateur-Talente-Castingshow „Britz sucht das Super-talent“; anschließend werden Jan-Christopher Rämer und Thilo-Harry Wollenschlaeger die schönsten, von Neuköllner Schülern gestalteten Riesenostereier prämieren.
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