Der 8. April ist der Internationale Tag der Sinti und Roma. Er geht auf die weltweit erste Roma-Konferenz im Jahr 1971 in London zurück, die als ein Meilenstein auf dem Weg zu gesellschaftlicher Teilhabe und Würde sowie gegen Diskriminirung und soziale Ausgrenzung der Roma gilt. Heute wird der Gedenktag in Anwesenheit von Bundespräsident Joachim Gauck mit einem Festakt am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas begangen.
Bereits gestern haben die vier Verbände Amaro Drom, Amaro Foro, Roma Kultur Rad Berlin und Rroma Informations Centrum zu einem öffentlichen Abendgespräch ins k-fetisch in der Neuköllner Wildenbruchstraße eingeladen, um über die Bürgerrechtsbewegung der Roma und ihre Perspektiven zu diskutieren.
Die drei Podiumsgäste Slobodan Savic, Vorsitzen-der des Rroma Kultur Rad Berlin e. V. und Teilnehmer beim ersten Roma-Weltkongress 1971, Riccardo M. Sahiti, Leiter des selbstverwal-teten Symphonieorchester Roma-und-Sinti-Phil-harmoniker in Frankfurt/Main sowie Prof. Dr. Hristo Kyuchukov, Linguist und Experte auf dem Gebiet des Romanes, berichteten in drei Kurzreferaten über „Barrieren und Möglichkeiten des Roma-Aktivismus gegen Diskriminierung und Bildungsbenachteiligungen in Deutschland und Europa“.
„Nur Bildung ist unsere einzige Chance. Wir brauchen eine neue, gut gebildete Roma-Generation, die hochintellektuelle Arbeit leisten kann, um der Diskrimierung zu entgehen“, lautete das Credo von Hristo Kyuchukov, der bereits im vergangenen Jahr die Ausgrenzung von Roma-Kindern im Bildungswesen beklagte.
Slobodan Savic (r.) berichtete, dass seine Kinder oft schlechte Erfahrungen in der Schule machen mussten, weil sie Roma sind. Er sagte: „Wir Roma aus Serbien erleben ständig Benachteiligungen. Einige unserer Kinder haben das Studium geschafft – vielleicht ein Kind von eintausend. Wer hat aber solche Energie, um immer gegen Diskriminie-rung zu kämpfen?“, fragte Savic.
Riccardo M. Sahiti (l.) berichtete demgegenüber von vielen Erfolgen bei der Versöhnung, die er mit seinen Konzerten in der Berliner Philharmonie, im Dresdner Opernhaus und an zahlreichen anderen Spielstätten erreichen konnte, wenn das Orchester unter seiner Leitung unter anderem die Totenmesse „Auschwitz-Requiem“ spielte. „Jeder Mensch will in Frieden und Respekt auf dieser Welt leben. Es ist Versöhnung, wenn die Menschen zivilisiert zusammenleben“, erklärte Sahiti.
Über die Gedenkfeier am Mahnmal im Großen Tiergarten südlich des Reichstags, zu der ein Bündnis für Solidarität mit den Sinti und Roma Europas einlädt, dachten die Diskussionsteil-nehmer sehr unterschiedlich. „Ich muss morgen Vormittag arbeiten“, entschuldigte sich Hristo Kyuchukov: „Ich werde aber um 14 Uhr an der Gedenkstätte sein und Blumen und Kerzen auf das Wasser legen.“ Das ist ein Brauch als Erinnerung an die Opfer, die der Porajmos (= das Verschlingen) zwischen 1933 und 1945 gefordert hat, sowie zum Gedenken an alle anderen Toten. Dagegen wird Riccardo M. Sahiti, der eine schriftliche Einladung zur Feier erhielt, bei der Veranstaltung anwesend sein.
Slobodan Savic beklagte indes, dass er bei der Einladung übergangen worden sei und machte Spannungen innerhalb der Roma-Commu-nity dafür verantwortlich. „Der Unterschied zwischen Sinti und Roma ist so wie der Unterschied zwischen Niedersachsen und Deutschen“, sagte er, um die aus seiner Sicht geringfügige Diskrepanz zwischen Sinti und Roma zu veranschaulichen. Nicht alle in der Sinti-Gemeinschaft würden das allerdings gerne hören, sie unterschieden vielmehr, weil ihre Vorfahren schon viele hundert Jahre in Deutschland leben. „Solidarität gibt es zwischen uns Roma nicht“, äußerte Savic sich enttäuscht und kündigte an, stattdessen am Nachmit-tag vor dem Brandenburger Tor an einer Kundgebung gegen Abschiebepolitik und alltäglichen Rassismus gegen Roma teilzunehmen.
=Christian Kölling=
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