Fast 13 Millionen Fernsehzuschauer waren nur in Deutschland dabei, als vor genau drei Wochen die Handballer des Nationalteams im Europameis-terschafts-Finale mit einem Sieg über Spanien die Sensation komplett machten und sich den Titel holten. In der Schlussphase waren es sogar 17,4 Millionen Menschen. „Ich hoffe, dass die Leute endlich wieder auch vermehrt in die Hallen kom-men und ein Handballhype ausgelöst wird“, wünschte sich DHB-Torhüter Andreas Wolff. Was den Erstliga-Betrieb und das Interesse an den Europameistern betrifft, kann das durchaus sein. Aber macht sich der Boom auch in niedrigeren Spielklassen bemerkbar?
Sonntagnachmittag im Richardkiez. In der Sporthalle der Löwenzahn-Grundschule trainiert die 1. Herren-Mannschaft der HSG Neukölln nicht nur zweimal pro Woche, sondern sie trägt hier ebenfalls ihre Heimspiele aus. Etwa 40 Zuschauer könne man durchschnittlich bei den Verbandsliga-Begegnungen, der höchsten Berliner Spiel-klasse, zählen, hatte der Vereinsvorsitzende im Vorfeld angekündigt. Am vergangenen Sonntag lag die Zahl noch unter dem von Robert Nadolny bezifferten Mittel. Nur gut zwei Dutzend Leute sahen von der Stehplatz-tribüne aufs Spielfeld, wo die HSG Neukölln gegen die SG NARVA Berlin antrat. Bei einem Sieg, so die Vorzeichen, hätten beide Teams ihre Tabellenpositionen ge-tauscht:
Die Neuköllner wären vom 11. auf den 10. Platz geklettert, die Gegner in umgekehrter Rich-tung abgerutscht.
Anfangs sah es jedoch erstmal aus, als würden die Gastgeber nach dem Spiel dem Tabellen-letzten ein Stück näher sein. Das konzentrierter und abschlusssicherer agierende NARVA-Team hielt das der HSG konsequent mit zwei oder drei Toren auf Abstand. Erst zum Ende der ersten Halbzeit liefen die Aktonen der Neuköllner in Abwehr und Angriff runder, so dass es mit einem 10:10 in die Pause ging.
Ausgeglichen setzte sich die Partie der Tabellennach-barn in der zweiten Halbzeit fort. Keine der Mann-schaften konnte die Füh-rung so weit ausbauen, dass eine Niederlage für den Gegner unausweichlich schien. Da auch das Publikum überwiegend aus Handball-Fans statt aus Anhängern des einen oder anderen Teams bestand und den Applaus für gelungene Aktionen fair verteilte,
konnte sich kein Heim-vorteil für die von Armin Schneider trainierten Neuköllner entwickeln, die mit dem Motto „Por mis cojones!“ in die Saison gingen. Beim Schlusspfiff stand für sie ein an der Tabellensituation nichts änderndes 24:24 auf der Anzeigetafel. Eine 23:20-Auswärtsniederlage beim BSV 92 festigte vorgestern den Verbleib im Keller der Berliner Verbandsliga weiter.
Erheblich erfolgreicher ist dagegen das Frauen-Team der HSG Neukölln, das im letzten Jahr Berliner Meister wurde und sich in der laufenden Saison im oberen Mittelfeld der Oberliga Ostsee-Spree behauptet. In eben dieser Spielklasse treten auch die Männer der TSV Rudow 1888 an. Der Europa-meister-Titel habe „keinerlei Einfluss auf das Tagesgeschäft“ des Vereins, der seit Jahren zu den mitgliederstärksten Handballabteilungen in Berlin gehöre, teilte Pressewart Alexander Hagenstein auf Anfrage mit. Dass Eltern sich über den Sport informieren und ihre Kinder zu den Trainingseinheiten schicken, sei seit eh und je so, weil der TSV Rudow für eine „hervorragende und bereits mehrfach prämierte Jugend-Nachwuchsarbeit“ stehe. Auch Robert Nadolny von der HSG Neukölln ver-mutet, dass sich der Erfolg der deutschen Handballer nicht in Mitgliederzahlen nieder-schlagen werde: „Wir profitieren eher vom Zu-zug vieler Studenten nach Neukölln, die schon woanders Handball gespielt haben und es jetzt auch hier wieder tun wollen.“
Gänzlich ungelegen würde indes aktuell ein Handball-Boom der SV Buckow 1897 in den Kram passen. Seit einem Vierteljahr hat der Verein, der in Neukölln zu den renommierten dieser Sportart gehört, keine feste Heimspielhalle für sein in der Landesliga aktives Männer-Team mehr: Am 3. November wurde die Sporthalle am Buckower Damm während einer laufenden Trainingseinheit vom LAGeSo beschlag-nahmt und zu einer Notunterkunft für Flüchtlinge umgebaut. Statt weiter zu trainieren mischten sich die Handballer unter die Freiwilligen, die begannen, die Halle für die Menschen herzurichten.
Das nächste Verbandsliga-Heimspiel bestreiten die HSG Neukölln-Männer am 6. März um 16 Uhr: Gegner in der Sporthalle in der Drorystraße ist das Team der SG Ajax/Altglienicke. Der Eintritt ist frei.
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