Der Tagesordnungspunkt „Einwohnerfragestunde“ ist oft einer, der in der Neuköllner Bezirksverordnetenver-sammlung in wenigen Sekunden abgehandelt werden kann – weil gar nicht erst Fragen eingereicht wurden oder die Fragesteller der Sitzung fernblieben. Anders bei der letzten BVV. Schon im Vorfeld hatten die Emserianer angekündigt, insbesondere zum Thema Immobilien-Leerstand Antworten erhalten zu wollen.
Wie verfährt das Bezirksamt mit leerstehenden Woh-nungen und Häusern oder der Zweckentfremdung durch die Nutzung als Ferienappartments? Wie viele Objekte konnten nach Leerstandsanzeigen wieder dem Wohnungsmarkt zugeführt werden? Und: Werden Leerstände überhaupt systematisch erfasst? Das waren die Fragen, die eine Sprecherin der Neuköllner Anwohnerinitiative vor gut gefüllten Zuschauertribünen an die Bezirksverordneten richtete, denen schon vorher eine bebilderte Liste mit 25 Liegenschaften zugesandt worden war, die teilweise oder komplett unbewohnt sind. Ingesamt eine Fläche, die von den Emserianern auf rund 18.000 Quadratmeter geschätzt wird: Darunter prominente Objekte wie das „Geisterhaus“ an der Hasenheide, die Immobilie an der Ecke Karl-Marx-/ Thomasstraße mit der Musikalienhandlung Bading im Parterre, die Friedelstraße 54, die Alte Post und das wenige Schritte entfernte Gebäude mit
der Adresse Karl-Marx-Straße 145, das vor einem Jahr als Bühne eines Theaterparcours diente.
Einige Leerstände hätten sie bei Kiez-Spaziergängen entdeckt, auf andere seien sie durch ihnen zugetragene Informationen aufmerksam geworden, ergänzte die Em-serianer-Sprecherin. „Wenn man richtig suchen würde, würde man wesentlich mehr finden, so unsere Vermu-tung. Etliche der Häuser stehen seit vielen Jahren komplett oder fast leer“, äußerte Helen auf Nachfrage gegenüber dem FACETTEN-Magazin, „und jeder in der Umgebung weiß es.“ Zu denen, die zu weit weg sind, gehört indes offenbar Neuköllns Baustadtrat. Ihm seien die Objekte nicht bekannt gewesen, sagte er vorgestern, als er die Anfrage der Initiative für das Bezirksamt beantwortete.
Grundsätzlich genehmige seine Abteilung keine Umwandlungen von Wohnungen in Touristen-unterkünfte mehr, versicherte Thomas Blesing der Fragestellerin. Schließlich gebe es einen „Geset-zesauftrag, Wohnraum zu erhalten“. Daher würden selbstverständlich auch alle eingehenden Leerstandsmeldungen geprüft und „mit einem IT-Fachverfahren“ erfasst, das allerdings wegen des Datenschutzes nur in begründeten Einzelfällen mit Meldedaten abgeglichen werden dürfe. Diese Amts-ermittlungsverfahren bei Fremdanzeigen seien jedoch aufwändig und langwierig, so dass infolge knapper personeller Ressourcen Monate oder Jahre bis zu einem sichtbaren Effekt vergehen könnten. Lediglich zwei Mitarbeiter, die einen Anspruch auf Urlaub hätten und auch mal krank seien, stünden für die Aufgabe zur Verfügung, konstatierte der Baustadtrat. Dennoch habe man inzwischen 84 Objekte wieder der Vermietung zuführen können. Außerdem laufe Ende April die Betriebserlaubnis für 312 Ferienwohnungen ab: Danach müsste der Bestand also in den ange-spannten Wohnungsmarkt im Bezirk übergehen.
Um sehr praktische Aspekte zur Verhinderung von spekulativem Leerstand ging es anschließend. „Was können wir machen? Was machen Sie?“, hakte Helen für die Emserianer nach, als Blesing ihren ersten Fragenkomplex beantwortet hatte. „Leerstand ist nicht gleich Leerstand, sondern erst nach sechs oder 12 Monaten ein Leerstand“, dozierte der Baustadtrat. Von Hausbesitzern beauftragte Renovierungsmaßnahmen oder auch die längere Abwesenheit von Mietern könnten Gründe dafür sein, dass eine Wohnung fälschlicherweise für unbewohnt gehalten werde: „Sie haben den Eindruck, es passiert nicht viel, doch wir sind jetzt auf einem guten Weg, haben aber noch sehr viel Material vor uns.“
Auf einen Dank für das Material, sprich: die fünf-seitige, aktuelle Leerstandsliste, die die Anwohnerinitiative dem Bezirksamt nach aufwändigen ehrenamtlichen Recherchen in die Hand gab, warteten die Emserianer vergeblich. Stattdessen erfuhren sie, nachdem ihr Engagement mit Applaus von der Tribüne belohnt worden war, dass Beifalls- oder Missfallensbekundigungen im Neuköllner BVV-Saal explizit den Bezirksverordneten erlaubt seien. „Der Bürger ist der Störfaktor!“, ist das Fazit der in der neuen Emserianer-Stammespost veröffent-lichten Kommentierung der Begegnung mit der Kommunalpolitik.
=ensa=
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Liebe Leute,
die Friedelstraße 54 ist mitnichten ein leer stehendes Haus!
Das wird in dem Bericht gänzlich falsch dargestellt, denn tatsächlich handelt es sich um eine Hausgemeinschaft, die sich offensiv gegen die Verdrängung durch Mieterhöhungen wehrt (es gibt eine „nur“ Wohnung, die seit Jahren leersteht). Im EG ist darüber hinaus der Kiezladen F54 ansässig,der zusätzlich gegen seine Kündigung kämpft. Vielleich könntet ihr das im Artikel noch ändern und am besten gleich noch nen Extra-Artikel darüber schreiben. 😉
Mehr Hintergrund-Informationen findet ihr hier:
http://friedelstrasse54.blogsport.eu/
und hier:
https://friedel54.noblogs.org/
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Zunächst: Danke für die Info.
Allerdings steht im Beitrag nicht, dass die Friedel54 leer steht, sondern dass sie in der Emserianer-Liste der teilweise oder komplett unbewohnten Liegenschaften in Neukölln aufgeführt wird. (Dort übrigens mit vier leeren Wohnungen; s.: https://facettenneukoelln.files.wordpress.com/2016/02/friedel54-leerstandsliste-neukc3b6lln_die-emserianer.jpg)
p. s.: Einen Beitrag über Hintergründe zur Friedel 54 haben wir schon auf der ToDo-Liste 🙂
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