„Immer wieder rufen bei uns Menschen an, die ihren Baum vor der Tür retten wollen, wenn bei ihnen gebaut oder in der Siedlung nachverdichtet wird“, erklärt Christian Hönig, der beim BUND-Berlin für Baum-schutz zuständig ist. Es hat sich herum gesprochen, dass der BUND als anerkannter Naturschutzverband das Recht zur Verbändebeteiligung nach § 63 des Bundesnaturschutzgesetz und § 45 des Berliner Naturschutzgesetz hat, um eine unabhängige, fachlich und umweltorientierte Kontrolle der öffentlichen Verwaltung zu garantieren, und dass er auch sonst helfen kann. „Meistens ist es zu spät, weil die Betroffenen sich erst in letzter Minute melden“, fügt Hönig lakonisch hinzu und sagt: „Richtig Sorge macht mir im Augenblick aber, dass die Anrufer immer häufiger ihre Wut auf Flüchtlinge übertragen. Sie schimpfen, dass ihnen die Flüchtlinge bezahl-bare Wohnungen wegnehmen würden. Dabei stimmt das überhaupt nicht: Die
Flüchtlinge kriegen den Wohnraum gar nicht!“
Tilmann Heuser, Landesgeschäfts-führer des BUND Berlin, will das Berliner Flüchtlingsmanagement für eine wachsende Stadt mit einer sozialen und ökologischen Stadtentwicklung verknüpfen, wie er vorgestern bei einem Pressegespräch bekanntgab. Mit einer „Transparenz- und Dialogoffensive“ seien die Bebauung wertvoller Frei- und Grünflächen ebenso zu vermeiden wie abgeschottete Ansiedlungen oder die Überlastung der sozialen Infrastruktur in einzelnen Quartieren. Heusers Grundannahme: „Viele Berlinerinnen und Berliner wollen sich für eine gute Unterbringung von Flüchtlingen und die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum einsetzen. Sie wollen sich konstruktiv – durchaus aber auch kritisch und mit alternativen Lösungsvorschlägen – in die Entwicklung eines sinnvollen Gesamtkonzeptes einbringen.“ Was den Naturschützer erbost und zu einer Pressemitteilung veranlasste: „Statt ein Gesamtkonzept vorzulegen verschwendet der Senat enorme politische Energie mit Konflikten um Einzelstandorte wie am Flughafen Tempelhof.“
Die zu bewältigenden Aufgaben seien dagegen klar. Ende 2015 waren in Berlin nach Angaben der Senats-verwaltung für Gesundheit und Soziales 42.700 Flüchtlinge in 140 Unterkünften untergebracht. In Notunterkünften waren 27.620 (davon 9.695 in 47 Turnhallen), 2.480 Flüchtlinge waren in Erstaufnahme-einrichtungen und 12.600 in Gemeinschaftsunter-künften untergekommen. Heuser erinnert sich, dass schon Mitte letzten Jahres über die Flüchtlings-unterbringung in sogenannten modularen Unter-künften spekuliert wurde. Damals waren, wie der Tagesspiegel berichtete, 36 modulare Flüchtlingsunterkünfte, kurz Mufs, vorgesehen, für die sich nur acht Grundstücke fanden. Auch seit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen im Oktober erhält die Öffentlichkeit nur bruchstückhafte Informationen. Mehr als eine im Dezember 2015 in der Berliner Zeitung veröffentlichte Karte mit über 50 Standorten für modulare Flüchtlingsunterkünfte, kennt Heuser nicht. Die Adressen der insgesamt 60 ge-planten Flüchtlingsunterkünfte in modularen Bauten hat der Senat bis heute offiziell noch nicht benannt.
In Neukölln ist auf dieser Karte der nördlichste Stand-ort etwa in Höhe des Ma-riendorfer Weges an der Hermannstraße markiert. Hier sind auf dem St. Jacobi- sowie dem Emmaus-Friedhof für den Wohnungsbau geeignete Flächen seit langem bekannt. Mit einer Ausstellung, Friedhofs-spaziergängen, Workshops und Diskussionen wird die Friedhofsverwaltung der Evangelischen Kirche ab 13. Februar über das Entwicklungskonzept für die Friedhöfe an der Hermannstraße informieren*.
Der südlichste Punkt der Standortkarte liegt süd-östlich des U-Bahnhofs Lipschitzallee. Zwei weitere Standorte für modulare Flücht-lingsunterkünfte sind in der geographischen Mitte Neuköllns, ungefähr in Höhe der Gutschmidtstraße, markiert. An den Adressen möglicher Grundsücke für Mufs sind ebenfalls bereits Michael Morsbach (SPD) und Marlis Fuhrmann (Linke) interessiert gewesen. Bezirksbürgermeisterin Dr. Franziska Giffey beantwortete ihre beiden Anfragen gebündelt in der Bezirksverordnetenversammlung am 9. Dezember. Der Senat habe dem Rat der Bürgermeister am 3. Dezember eine Aufstellung mit 51 Grundstücken vorgelegt, die für den Neubau von modularen Unterkünften für Flüchtlinge in Frage kämen. „Im Bezirk Neukölln sind drei Grundstücke gelegen, die für diese Zwecke geeignet sein sollen. Es handelt sich um die Liegenschaften Schlosserweg 1B, Gutschmidtstraße 37, 43 und 53 und Kiefholzstraße 74″, antwortete Giffey wörtlich. Im Schlosserweg 1B sei der Mitmach-Zirkus Mondeo beheimatet – ein integrationspolitisches Leuchtturmprojekt. „Da das Bezirksamt den Fortbestand dieses Angebots für
unverzichtbar und unverhandelbar hält, könnte ein Einvernehmen nur erzielt werden, wenn adäquate Ersatz-flächen zur Verfügung gestellt werden können“, lautete die ungewöhnlich scharfe Stellungnahme der Bezirks-bürgermeisterin.
Auf ei-nem Grundstück in der Gutschmidtstraße sei frü-her die Erweiterung des BVG-Betriebsbahnhofes beabsichtigt gewesen. Beim Grundstück in der Kiefholzstraße, auf dem sich die Wagenburg Der Schwarze Kanal befinde, würden sicherlich Forderungen nach Ersatzflächen erhoben. Auf der in der Berliner Zeitung veröffentlichten Karte sucht man die Kiefholzstraße 74 vergeblich.
Unzufrieden ist der Landesgeschäftsführer des BUND Berlin ebenso mit der Informationspolitik des Stadtentwicklungssenators Andreas Geisel an den 10 Pio-nierplanungsorten für Wohnungsbau, zu denen das Kurt-Schumacher-Quartier in Reinickendorf, die Elisa-beth-Aue in Pankow sowie die Buckower Felder in Neukölln gehören. Dabei habe die Bürgerbeteiligung in
Buckow durchaus gute Erfahrungen gebracht, meint Tilman Heuser: „Seitdem der Senat das Verfahren um die Bebauung der Buckower Felder an sich gezogen hat, fühlen sich die Bürger zumindest von der Verwaltung ernstgenommen. Beide Seiten haben Verständnis füreinander entwickelt“, ist sein Eindruck. Nichts-destotrotz gibt es auch hier Fragen und Intransparenz: Sozialstadtrat Bernd Szczepanski (Grüne) musste am Mittwoch vergangener Woche bei der Bezirksver-ordnetenversammlung die Drucksache 1494 / XIX mit der Überschrift „Flüchtlinge auf die Buckower Felder?“
beantworten. Auf der Webseite des Bezirksamtes ist seine Antwort noch nicht veröffent-licht; das FACETTEN-Magazin hat die Antwort vorgestern im BVV-Büro angefordert – bislang ohne Resonanz.
* Informationsveranstaltungen zur Entwicklung der Friedhöfe im Umfeld der Hermannstraße
Der Evangelische Friedhofsverband Berlin Stadtmitte hat für fünf Friedhöfe an der Hermannstraße in einem Entwicklungskonzept erstmals Zukunfts-perspektiven erarbeiten lassen, die ökologische, kulturelle, religiöse, soziale und wirtschaftliche Ziele berücksichtigen. Wir möchten Sie einladen, bei zwei Veranstaltungen im Februar 2016 die aktuelle Situation und die Planungsziele kennenzulernen und zu erörtern.
Am 13. Februar ab 10.30 Uhr möchten wir mit Ihnen die aktuelle Situation der Friedhofsflächen in Rundgängen vor Ort erkunden und Ihnen anschließend das Entwicklungskonzept vorstellen. Veranstaltungsort ist das Nachbarschaftsheim Neukölln (Schierker Str. 53). Ab 10.30 Uhr ist hier der gemeinsame Treffpunkt für drei Rundgänge über die Friedhöfe. Von 12:30 Uhr bis 14 Uhr findet im Nachbarschaftsheim nach den Rundgängen eine Informationsveranstaltung statt.
Am 24. Februar ab 16:30 Uhr gibt es Gelegenheit, das Entwicklungskonzept und mögliche Umsetzungsideen genauer zu besprechen. Hierzu laden wir Sie in die Carl-Legien-Schule (Leinestraße 37-45) ein. Ab 16:30 Uhr ist eine Plakatausstellung zur Friedhofsentwicklung zu besichtigen. Ab 17 Uhr findet eine Podiumsdiskussion statt. Von 18 bis 19:30 Uhr werden drei kleine Diskussionsrunden zu den verschiedenen Friedhöfen angeboten.
=Christian Kölling=
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