„Berlin übernimmt klimapolitisch Verantwortung“, versprach Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (r.) Donnerstagabend vor gut 300 Gästen im Haus des Berliner Verlags beim 3. Stadt-forum, das das Thema „Wachstum. Wohlstand. Lebensqualität. Klimaneutrales Berlin?“ hatte.
Prof. Dr. Uwe Schneidewind (M., neben Ralph Kotsch), Präsident des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie erklärte in einem Impulsreferat, wie Städte trotz wachsender Einwohnerzahlen zum Wegweiser für Klimaneutralität werden könnten, wenn ihnen die Entkopplung von Wohlstand und Naturverbrauch gelingt. Die dänische Haupt-stadt Kopenhagen will beispielsweise bereits 2025 zu 100 Prozent auf Kohle und Öl verzichten, um ihre CO2-Emissionen auf Null zu reduzieren. Und für die Verfasser der Machbarkeitsstudie „Klimaneutrales Berlin“ versicherte Prof. Dr. Uwe Hirschel vom Institut für ökologische Wirtschafts-forschung dem Publikum im Haus unweit vom Alexanderplatz: „87 Prozent der Berliner denken, dass sie sich in Zukunft klimaneutral verhalten werden können.“ Die deutsche Hauptstadt will bis 2050 ihren CO2-Ausstoß um 85 Prozent, bezogen auf das Basisjahr 1990, senken.
Bis zu diesem Ziel ist der Weg aber weit: Der Musiker Pierre Baigorry, bekannt als Peter Fox, (l.) sowie Ralph Kotsch, der stell-vertretende Chefredakteur der Berliner Zeitung, debattierten deshalb mit anderen im zweiten Teil des Stadtforums an einem großen kantigen Tisch über ihre gemeinsame Verantwortung und darüber, welche Akteure auf welche Art zur Klimaneutralität beitragen müssten.
Nachdem die Gesprächsrunde für Zuschauer-fragen geöffnet wurde, meldete sich auch Timm Büchner, Sprecher der AG Klima der Neuköllner Grünen zu Wort: „Das Leben wird den Radfahrern schwer gemacht. Berlin ist beim Städteranking des ADFC nur auf Platz 30 von 39 Plätzen gekommen.“ Eine Petition, um die Situation auf Hermannstraße und in der Sonnenallee für den Radverkehr deutlich zu verbessern sei vom Bezirk Neukölln und der Senatsver-waltung für Stadtentwicklung im Sommer gemeinsam abgelehnt worden. „Da ist noch was zu tun!“, beschwerte sich Büchner deutlich. Ralph Kotsch von der Berliner Zeitung bestätigte, dass es häufig Klagen über den teils katastrophalen Zustand der Radverkehrsanlagen in Berlin gibt: „Fahren Sie mal den Tempelhofer Damm runter. Das ist lebensgefährlich – da können Sie überhaupt nicht fahren.“ Leicht verstimmt antwortete Senator Geisel: „Ich wehre mich gegen Rankings. Münster ist noch nicht einmal so groß wie ein Bezirk.“ Gleich nach den Vorwürfen des ADFC hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dargelegt, dass Berlin 2015 rund 14 Millionen Euro in den Ausbau des Radverkehrs investiert habe.
Auf einem Info-Tisch lagen Exemplare des Stadt-entwicklungskonzeptes Berlin 2030 aus, das im September 2014 beim Stadtforum vorgestellt wurde. Teile Neuköllns sind hier in einem sogenannten Transformationsraum erwähnt, der von der Karl-Marx-Straße und Sonnenallee über den Treptower Park und das Ostkreuz bis zum Ostbahnhof reicht. Die Vision für das Gebiet: „2030 sind Stadtspree und Neukölln internationale Vorzeigeprojekte für die gelungene Integration von Neuem und Altem, Wohnen und Arbeiten, Temporärem und Langfristigem. Dazu wird der Bestand an bezahlbaren Wohnungen gepflegt und ausgebaut. Der Raum ist 2030 Ort des sozialen Zusammenhaltes. Stadtspree und Neukölln sind mehr denn je Standorte einer starken und stabilen mittelständischen Wirtschaft. Das Potenzial der verlängerten A 100 kommt voll zum Tragen.“
Der Neuköllner Baustadtrat Thomas Blesing (SPD) wird in der Strategie mit dem Satz zitiert: „Im Transformationsraum Stadtspree und Neukölln geht es vor allem darum, den durch große Attraktivitätssteigerung und Nachfrage beschleu-nigten Veränderungsprozess sozialverträglich zu gestalten und alle Bevölkerungsgruppen ‚mitzu-nehmen‘.“ Aktives Handeln gegen den Klimawandel und Maßnahmen zur Umsetzung des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms werden derzeit jedoch in der Neuköllner Bezirkspolitik allenfalls von den Grünen eingefordert. Öffentlichkeits-wirksame Termine für den Klimaschutz, wie die Einweihung einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach der Heinrich-Mann-Schule durch Dr. Franziska Giffey oder der Bürgerdialog von Umweltministerin Hendricks und Dr. Fritz Felgentreu in einer Britzer Dauerkleingartenanlage, sind noch rar. „Das ist erst der Anfang der Debatte“, kündigte Senator Andreas Geisel am Donnerstagabend an.
Die letzte Veranstaltung des Stadtforums Berlin, bei der auch der Ab-schlussbericht zum Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm übergeben wird, findet am 1. Dezember ab 17 Uhr im Kosmos (Karl-Marx-Allee 131a) in Friedrichshain statt.
=Christian Kölling=
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