Natürlich kann man sich weiterhin über die Verlängerung der A100 aufregen, kann die Sinnhaftigkeit des Bauprojekts bezwei-feln oder das Gegenteil proklamieren. Weder das Eine noch das Andere ändert aber etwas daran, dass seit 2013 und – so alles nach Plan verläuft – noch bis 2022 am Autobahnstück von der
Anschlussstelle Neukölln zur AS Am Treptower Park gebaut wird. Es ist also an der Zeit, sich damit abzufinden. Für diejenigen, die auf Hintergründiges über die 473 Mil-lionen Euro-Baumaßnahme aus sind, wurde Mitte Juli an der Son-nenallee ein Info-Punkt eingerichtet, der immer mittwochs von 16 bis 18 Uhr geöffnet ist.
„Wir haben früher auf Kleingärten geguckt, gucken jetzt auf eine Großbaustelle und in ein paar Jahren dann, so Gott will, auf die Autobahn“, schildert ein Ehepaar, das an der Einfahrt zum Gelände steht. Fans der A100-Verlängerung seien sie gewiss nicht, aber jetzt würden sie sich doch einmal ansehen wollen, was sie erwartet.
Wer sie erwartet, ist Arne Huhn. Der bei der Senats-verwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt beschäf-tigte Bauingenieur hat an diesem Nachmittag bereits eine Studentengruppe über die Baustelle ge-führt und bietet nun seine Begleitung durch das Ron-dell aus Schautafeln im Parterre des blauen Hauses an. Eine Aussichtsplattform auf dem Gebäude, die Blicke auf das Panorama des Bauprojekts eröffnet, wäre zwar für die Besucher attraktiv gewesen, merkt er an, aber aus Kostengründen sei darauf verzichtet worden: „Sie hätte acht, neun Meter hoch sein müssen, um wirklich eine Übersicht zu bekommen.“ Stattdessen biete man Interessenten nun an, an einer Führung über die Baustelle teilzunehmen, was
ohnehin ungleich beeindruckender sei, weil bei ihnen der Zyklus der Baustelle deutlich werde.
Etwa 350 Tiefbau-Arbeiter sind aktuell mit der 3.170 Meter messenden A100-Verlängerung, die bis auf 400 Meter sechsstreifig konzipiert ist, beschäftigt. „Zurzeit bauen wir ja vor allem an den insgesamt 27 Baugruben, da die Autobahn bestehende Straßen unterqueren wird. Später, in der Hochbau-Phase, werden es um die 500 Leute sein“, erklärt Arne Huhn. Bevor aller-dings überhaupt mit den Bauarbeiten begonnen wurde, standen „archäologische Grabungen auf einer Verdachtsfläche südlich der Dieselstra-ße“ an. Eine neolithische Kulturschicht aus dem Zeitraum von ca. 3500 bis ca. 3000 vor Christus, die auf eine sesshafte Dorfgemeinschaft hindeute, sei dabei entdeckt worden, informiert die Schautafel. Dass „die Archäologen völlig aus dem Häuschen waren“, dort auf steinzeitliche Funde aus der sogenannten Britzer Kultur zu stoßen, ergänzt der Bauingenieur.
Der Schwerpunkt der Informationen, die die Ausstellung zeigt, liegt jedoch auf visuali-
sierten Planungen der einzelnen, separat ausgeschriebenen Baulose und Erläute-rungen zur Vorgehensweise sowie zum zeitlichen Ablauf. Welche Fortschritte letzterer macht, kann auch über vier Webcams be-obachtet werden.
Das, wofür der Bau des 16. Abschnitts der A100 im Vorfeld am heftigsten kriti-siert wurde: der Abriss von Wohnhäu-sern und das Plattmachen von Lauben-kolonien, wird unter dem Stichwort „Bau-vorbereitung“ abgehandelt. „370 Kleingär-ten“, so Arne Huhn, „waren es, die entlang der Trasse geräumt werden mussten, in den meisten Fällen konnten wir Ersatzparzellen anbieten.“ Angenommen hätten die Offerte aber längst nicht alle. Im einstelligen Bereich liegt indes die Zahl der Wohnhäuser, die der A100 im Weg standen: Vier an der Beermannstraße in Treptow mit insgesamt 110 Wohnungen seien es für den gesamten Bauabschnitt gewesen. „Das ist wenig“,
findet der Senatsmitarbeiter und weist darauf hin, dass die Bundes-republik Deutschland als Bauherr rund 52 Millionen Euro der Gesamtsumme für Entschädigungen und
Grunderwerb zu investieren hatte.
Flüsterasphalt, Lärmschutzwände, Fuß-gängerbrücken zur Verbindung von Stadtgebieten, die dann durch die A100 zerteilt sind, parallel zur Autobahn lie-gende Betriebswege, die „zukünftig als Geh- und Radwege genutzt werden“: Die Bemühungen, in der Bevölkerung mindestens Akzeptanz für das entstehende, vielkritisierte „Stück Berlin“ namens A100 zu erwecken, sind unüber-sehbar. Dass es durchdachter bzw. eindeutiger umgesetzt wird als die Umleitungs-verkehrsführung für Radfahrer im Bereich der Ziegrastraße, wo der Nord-Süd-Streifen an einem Laternenpfahl zu beginnen scheint, bleibt zu hoffen. Die Zusammenfüh-rung zu parallel verlaufenden Spuren erfolgt aber erst im östlichen Kreuzungsbereich.
=ensa=
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