Maik Tubis zählt noch in Wochen. Fünf sind es, seit er sein Geschäft zwischen Hermannstraße und Tempelhofer Feld eröffnet hat. Ein Newcomer unter Neuköllns Fahrradschraubern ist er aber trotzdem nicht. „Vorher hatte ich 10 Jahre lang eine Keller-werkstatt, neu ist nur der Laden“, erzählt er.
Schon die Geschichte, wie Tubis an den kam, gleicht angesichts der Situation auf dem Immobi-lienmarkt einem Märchen. Schon seit geraumer Zeit war der Fahrradmechaniker auf der Suche gewe-sen, doch irgendwie hatten die drei entscheiden-den Komponenten Lage, Größe und Miete nie so recht zusammen gepasst. Dann aber ging mit dem Objekt schräg gegenüber des Hauses, in dem Maik Tubis mit seiner Frau und den vier Kindern wohnt, alles sehr schnell: „Montags zog der Vormieter aus, mittwochs hatte ich den Laden, der mir sogar für weniger Miete als vorher überlassen wurde.“ Das kann man Glück nennen, aber auch der Kiezverbundenheit und Boden-ständigkeit der Hausbesitzer zuschreiben, die so verhinderten, dass das x-te hippe Café oder Co-Working-Office ins Viertel kommt. „Außerdem wussten sie bei mir, wen sie als Mieter bekommen.“ Einen, der nicht nur einen „Businessplan mit echten Zahlen“ vorlegte, sondern sich auch um das
Umfeld seines Geschäfts kümmert.
„Today hopefully“ hat jemand unter das Schaufenster gesprüht, in dem demnächst eine LED-Reklame mit dem Schriftzug Bike Mike angebracht wird. Neben der Ladentür steht ein Besen griffbereit, weil Tubis will, dass es nicht nur in seinem Geschäft ordentlich aussieht und deshalb täglich den Bürgersteig fegt. Die Gedankenlosigkeit, mit der andere auf Schritt und Tritt Kippen, Schrippentüten und Kronkorken fallen lassen, nervt ihn hoffnungslos. Auch dass Neuköllns Bürgersteige und Straßen mit Scherben übersät sind, ist nichts, woran er sich gewöhnen möchte – obwohl er gewissermaßen
ein Nutznießer dessen ist.
Die Bestellung von Fahrrad-schläuchen gehört folglich zum Tagesgeschäft. Ebenso das Suchen nach Löchern in zuvor schlaffen Schläuchen. Er flickt sie zwar nicht, weil das zu zeitintensiv ist, sondern zieht lieber neue auf, aber das Aushändigen des gepiercten Exemplars mit markiertem Loch ist für ihn Bestandteil eines korrekt ausgeführten Reparaturauftrags. Transparenz und Fairness sind für den „Schrauber mit Herz“, der seine Leidenschaft schon als Kind beim BMX-Fahren entdeckte und nun mit Meisterbrief „an allem vom Holländer von 1910 bis zum Hightechbike“ bastelt, oberstes Gebot: „Bescheißen lässt sich ein Kunde nur ein einziges Mal, danach sieht man ihn nie wieder.“ Sein Geschäftsmodell ist ein anderes.
Eine weitere Devise von Maik Tubis ist, nur zwei bis drei aufwändigere Reparaturen pro Tag anzunehmen. Das lasse ihm einerseits den Freiraum, immer kleinere Aufträge einschieben zu können, ohne jemanden vertrösten zu müs-sen. Und andererseits bleibt so mit etwas Glück Zeit, sich um das Ausschlachten oder die fachmännische Instandsetzung von Fahrrädern zu kümmern, die als Wracks an Straßenrändern verendeten. „Vorher lass ich zweimal im Abstand von sechs Wochen bei jedem überprüfen, ob es als geklaut gemeldet wurde“, versichert er. Hinterher werden mit komplett erneuerten Verschleiß-teilen ausgestattete Upcycling-Fortbewegungsmittel daraus, die bei Bike Mike ge-kauft oder auch gemietet werden können – bestenfalls. Exemplare, deren Substanz zu ramponiert ist, kommen auf den Schrott, nachdem jedes Einzelteil auf seine Wiederverwertbarkeit hin überprüft wurde: „Alles, was noch brauchbar ist, landet in Kisten im Ersatzteillager. Das ist mein Beitrag, gegen die Wegwerfgesellschaft anzusteuern.“
Seine Frau und sein Sohn helfen ihm dabei, das Mate-rial zu reinigen und zu sortieren. Dass sie häufig mit im Laden sind, hat aber noch einen anderen nicht zu unterschätzenden Vorteil für den Chef: Die Öffnungs-zeiten sind so eingerichtet, dass Eltern, die morgens ihre Kinder in die umliegenden Kitas bringen, auf dem Weg kaputte Fahrräder abliefern oder reparierte abholen kön-nen. „Familienfreundlich“ nennt Maik Tubis sie, was trotz 11-stündiger Arbeitstage auch für seine eigene Familie gilt.
Der Bike Mike – Fahrradladen & -werkstatt in der Allerstraße 35 (Tel. 0176 – 784 638 75) hat von montags bis freitags zwischen 9 und 20 Uhr sowie samstags von 11 bis 20 Uhr geöffnet.
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