„Das Gewöll des Waldkauzes ist wie ein Überraschungs-Ei“: Mit Experten durch Berlins Stadtnatur

derk ehlert_waschbär-spuren_friedhof lilienthalstraße_neuköllnLetztlich ließen sich dann doch nicht alle Tiere blicken, von denen Derk Ehlert (r.) erhofft hatte, dass sie es tun 1_friedhof lilienthalstraße_neuköllnwürden.

Er und die Stiftung Naturschutz Berlin hatten im Vorfeld des Langen Tags der StadtNatur zu einem Presserundgang über den Friedhof Lilienthalstraße eingeladen, um einen „städti- schen Arten-Hotspot“ zu prä- sentieren. Aber dann:  Der Fuchs, der, wie Derk Ehlert erzählte, häufig vormittags auf einem Gräberfeld in der Sonne liege, glänzte durch Abwesenheit. Ebenso die Waschbären. „Aber das hier sind eindeutig Kratzspuren von ihnen“, versicherte er und erklärte, dass die entstünden, wenn die  Tiere wieder vom Baum klettern – was mit dem Kopf voraus geschieht und deshalb bestens gelingt, derk ehlert_friedhof lilienthalstr_neuköllnweil sie die Hinterpfoten um 180 Grad verdrehen können. Hier auf dem Friedhof, weiß der Wildtierexperte, haben die Tiere ein ideales Refugium: Es gibt Nahrung in Hülle und Fülle, aber keine Hunde, die ihnen gefährlich werden könnten. „Waschbären sind echte Berliner geworden und man kriegt sie aus der Stadt kolkraben-nest_st. johannes-basilika_berlin-neuköllnnicht wieder weg“, ist Ehlert überzeugt.

Fast weg, genau ge- nommen: ausgerottet, waren indes vor rund vier Jahrzehnten die Vögel, die am Turm der benachbarten St. Johannes-Basilika nisten. „Es sind Kolkraben, Eltern und drei Jungtiere“, informiert Ehlert begeistert. „Seit drei Jahren haben die da ihr Nest und sind sehr ortstreu.“ Den Turm der nur wenige Schritte derk ehlert_presserundgang_friedhof lilienthalstr_neuköllnentfernten Kirche am Südstern haben sich Turmfalken als Zuhause ausgeguckt: „217 gibt es von ihnen in Berlin.“

Seinen Job im Bereich Naturschutz und Land- schaftsplanung der Berliner Senatsverwaltung und als Wildtierreferent des Landes Berlin hat Derk Ehlert seit einigen Jahren. Die Passion, Menschen die Natur und Tiere in der Stadt nahezubringen, treibt ihn schon seit Jahrzehnten um. „Über 40 Prozent der Landesfläche sind Grünflächen, allein 1.100 Hektar davon sind Friedhöfe.“ Ehlert mag es plastisch: Das seien 1.100 Fußballfelder, macht er die Dimension deutlicher, während er unent-

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wegt lauscht und beobachtet. Hier ein Kernbeißer, dort Gartenbaumläufer und ein Zilpzalp, irgendwo der wohl lauteste Vogel, der Zaunkönig, und schließlich der derk ehlert_presse-exkursion_friedhof lilienthalstr_neuköllnGelbspötter, der Ehlert besonders fasziniert, weil er die Gabe hat, den Gesang anderer Vögel zu imitieren.

Der Waldkauz, auch ein Bewohner des Friedhofs, waldkauz-gewöll_presserundgang_langer tag der stadtnatur berlinlässt nichts von sich hören, aber Ehlert findet etwas, was auf den ersten Blick wie graue Steine aussieht. Allerdings ist es leichter und nicht hart. „Das Gewöll des Waldkauzes ist wie ein Über- raschungs-Ei“, strahlt er, den Kokon aus Fellresten und Eulenspeichel zerrupfend. Kleine Knochen stecken in seinem Inneren: Hüftknochen und der in zwei Teile zerlegte Schädel einer Maus. „Haltestangen in der U-Bahn anzufassen, ist für die habicht-nest_friedhof lilienthalstraße_neuköllnGesundheit wesentlich gefährlicher“, quittiert er die skeptischen bis angeekelten Blicke der Umstehenden lapidar.

Während Derk Ehlert denen die Angst nimmt, die befürchten, dass auch Wildschweine den Fried- hof zu ihrem Lebensraum auserkoren haben könnten („Friedhöfe sind für sie zu verinselt“), geht es weiter. „Das ist der Ruf eines Jung- habichts“, macht der Wildtier-Experte aufmerk- sam und zeigt zu dem gewaltigen Nest, das die Raubvögel in etwa 20 Metern Höhe in einem Baum gebaut haben. Derzeit, erzählt er voller Empathie, seien die Jungen für die Habicht-Eltern etwas stressig, weil ihnen nun das Jagen beigebracht werden müsse. Eichhörnchen stehen ebenso auf ihrem Speisenplan wie Tauben, von denen habicht_friedhof lilienthalstraße_neuköllnHabichte in Berlin pro Jahr bis zu 15.000 vertilgen: „Der Instinkt ist zwar angeboren, aber vor den Beutetieren haben die Junghabichte erstmal Angst.“ In einiger Entfernung segelt einer von ihnen vorbei, während Vater Habicht tiefenentspannt und unbe- eindruckt von den Beobachtern unter ihm in einem Baum hockt und sich der Gefiederpflege widmet. Spätestens jetzt hat Derk Ehlerts Begeisterung alle gepackt – zugleich aber zeigt sich der Sinn des Bonmots, dass man nur sieht, was man weiß, in heidrun grüttner_wolfgang busmann_stiftung naturschutzseiner vollen Bedeu- tung.

Es steht als Motto über dem Langen Tag der StadtNatur mit seinen über 500 Veranstaltungen an rund 150 Orten. „Das Besondere ist, dass alle von Fachleuten wie Derk Ehlert geleitet werden“, hatte Projektleiter Wolfgang Busmann (r.) schon zu Beginn der Exkursion hervorgehoben. Zum 9. Mal findet das Erlebniswochenende inzwischen statt, bei dem im letzten Jahr über 25.000 Besucher gezählt wurden. „Neu im Programm sind diesmal die Touren mit Bezirksbürgermeistern“, ergänzt Busmanns Kollegin Heidrun Grüttner. Auch Franziska Giffey lädt zu einer ein und zeigt Sonntagmittag die Vielfalt von Neuköllns Flora und Fauna: Noch können Plätze dafür reserviert werden. Schnell sein mussten dagegen alle, die es auf die Teilnahme am abendlichen Rundgang durch den Berliner Zoo abgesehen hatten. „Die Veranstaltung war fünf Sekunden nach Anmeldebeginn ausgebucht“, verrät Wolfgang Busmann.

Der Lange Tag der StadtNatur bietet am 20. und 21. Juni folgende Angebote in Neukölln und auf dem Tempelhofer Feld. Das Ticket für alle Veranstaltungen kostet 7 Euro (ermäßigt 5 Euro, für Kinder und Jugendliche in Begleitung Erwachsener ist die Teilnahme kostenlos.

=ensa=

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