Bunte Wappen, die den Rathausvorplatz direkt vor der Treppe schmücken, erinnern an die 13 inter-nationalen Partnerstädte Neuköllns. Neben dem Eingang des Amtsgebäudes weist ein rundes Schild auf den Europapreis des Europarates hin, den der Bezirk 1987 für seine aktive Städtepartnerschafts-
arbeit erhielt. Dieses bezirkliche Engagement ist heute weitgehend Geschichte. Die Res- sourcen der Verwaltung sind seit der Jahrtau- sendwende immer knapper geworden; Bürgerinnen und Bürger werden von Politikern zur privaten Initiative ermuntert. Der Freunde Neuköllns e. V. unterstützt in diesem Sinn die vom Bezirk geschlossenen Städteverbindungen seit vielen Jahren. Letzten Freitag lud er zum Jahresempfang in die Seniorentagesstätte Böhmisches Dorf ein. Unter den Gästen waren Bezirkssozialstadtrat Bernd Szczepanski (Grüne) und der Neuköllner
SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Fritz Felgen- treu (r.).
Dieter Herrmann (l.), Vorsitzender der Freunde Neuköllns, griff in seiner Begrüßungrede die Geschichte der Städtepartnerschaften auf: Erste Verbindungen schloss Neukölln in einer Jumelage mit dem Bezirk Hammersmith & Fulham in London und mit den Gemeinden Boulogne-Billancourt bei Paris, Zaanstad bei Amsterdam sowie Anderlecht bei Brüssel bereits im Juni 1955 ab. Ziel dieser Ringpartnerschaft: Kurz nach dem 2. Weltkrieg sollten gegenseitige Feindbilder zwischen Deutschen, Briten, Franzosen, Niederländern und Belgiern dauerhaft abgebaut werden. Nach dem Bau der Mauer 1961 kamen deutsche Städte-verbindungen mit Leonberg und Köln zur Stärkung der Beziehungen zwischen Neukölln in West-Berlin und der alten Bundesrepublik hinzu. Nach dem Fall der Mauer 1989 wurden die östlichen Nachbarn einbezogen: Unmittelbar in der Wendezeit besiegelten Neukölln und Usti nad Orlici in der Tschechischen Republik eine Städtefreundschaft. Im Sommer 1991 kam die Städteverbindung mit Pavlovsk-Pushkin bei St. Petersburg in der Russischen Föderation hinzu.
„Es ist wichtig, dass die Städtepartnerschaften nicht nur von Offiziellen getragen werden. Die Freunde Neuköllns pflegen unabhängig vom Bezirksamt die Städtepartnerschaften“, betonte Bezirksstadtrat Szczepanski in seinem Grußwort. Wachsender Nationalismus am äußersten rechten Rand des politischen Spektrums beweise, wie dringend nötig weiterhin der Abbau gegenseitiger Vorurteile sei. „Ganz herzlichen Dank für den Beitrag, den die Freunde Neuköllns zum friedlichen Miteinander in Europa leisten“, sagte an Dieter Herrmann gewandt auch der Bundestagsabgeordnete Felgentreu.
Zum einen war der Jahresempfang eine Anerken- nung für alle aktiven Vereinsmitglieder sowie für Vereine und Organisationen, die den Verein tatkräftig unterstützen, wie es beispielsweise der Ortsverband Neukölln des Technischen Hilfswerks alljährlich bei der Standarbeit auf dem Rixdorfer Weihnachtsmarkt tut. Während das üppige Buffet für das körperliche Wohl da war, sorgten für die musikalische Unterhaltung Horst Bölsdorf, der die Freunde Neuköllns als Berliner Leierkastenmann schon nach Hof in Oberfranken sowie nach Usti nad Orlici begleitete, und das Duo Flute Sketches, das überwiegend Bosanova und Tango aus Lateinamerika spielte. Vielleicht als Reminiszenz an die jüngste Städteverbindung mit dem Ort Cigli in Izmir trugen der Flötist Johannes Walter und der Gitarrist Rolf Schiffer außerdem das Stück „Auf dem Weg nach Uskudara“ vor.
Der Empfang bot zum anderen aber auch eine Gelegenheit, um politische Kontakte zu knüp- fen. Vertreter vom Guttempler Orden, Heimat-verein Rudow und Britzer Bürger-Verein waren ebenso wie der CDU-Bezirks- verordnete Gerrit Kringel und Werner Eichholz, Vorsitzender der Neuköllner Seniorenvertretung, in das Haus im Böhmischen Dorf gekommen. Um sich über ein mögliches gemeinsames Projekt zu unterhalten, standen gegen Ende des Emp- fangs Eichholz und der Grünen-Bezirksverordnete Bertil Wewer, 2. Vorsitzender der Freunde Neuköllns, beisammen. Gegenstand ihres Gespräches: Der Vereinsvor-sitzende Herrmann hatte im November letzten Jahres auf Einladung der französischen Jumelage-Partnerstadt an der Gedenkfeier „100 Jahre 1. Weltkrieg“ in Boulogne-Billancourt teilgenommen und Bürgermeister Pierre-Christophe Baguet bei dieser Gelegenheit eine Wiederbelebung der Ringpartnerschaft angeregt. Dieter Herrmann schlug vor, aus jeder Jumelage-Stadt bis zu fünf Senioren auf Kosten des Freunde Neuköllns e. V. nach Berlin einzuladen. Möglicher Termin des Treffens könnte das Rixdorfer Strohballenrollen im September sein. Seniorenvertreter Eichholz gefiel diese Idee sofort. Neben Kontakten mit Frankreich zeigte er sich besonders an einem Austausch mit Seniorenvertretern aus Hammersmith & Fulham interessiert. Vorbild könnte eine Begegnung mit der Seniorenvertretung aus Neuköllns Partner- stadt Wetzlar sein, die am Rande des interkulturellen Seniorentages stattgefunden hatte. Bertil Wewer, der auch zum Vorstand der Bürgerstiftung Neukölln gehört, stellte für das Jumelage-Treffen organisatorische Unterstützung durch diese in Aussicht, sofern die Kapazitäten der Freunde Neuköllns allein nicht reichten. „Wir wollen nicht, dass sich bei internationalen Begegnungen nur die Offiziellen zuprosten“, erklärte der Politiker. Stattdessen will er die Partnerschaften des Bezirkes lieber „als kommunale Außenpolitik“ weiterentwickeln. Ein entspre-chendes Modell haben bereits Albert Statz und Charlotte Wohlfarth konzipiert und in einer Broschüre der Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlicht. Der rührige Städtepartner-schaftsverein Freunde Neuköllns müsste das Rad also nicht neu erfinden, um die Idee umzusetzen.
=Christian Kölling=
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