Das Gelände südlich der Mohriner Allee, auf der Hochfläche des Teltower Plateaus gelegen, teilten sich noch Mitte des vorigen Jahrhunderts Ackerland, Klein- gärten und ein Friedhof. Es ist geprägt durch eine fast wasserundurchlässige, bis zu 16 Meter dicke Schicht mit kleinen Pfuhlen und Gräben. Mangelnde Grünflä- chen im Südosten Westberlins bewogen die Senats-verwaltung, hier einen Erholungspark vorzusehen, wie denn auch im Flächennutzungsplan von 1965 (gemeint ist natürlich 1985) zu sehen ist. Bemerkenswert auch, dass hier noch die Trasse der Osttangente Süd (später A 102) eingezeichnet ist, die das Areal auf 1,8 Kilometer Länge untertunnelt.
Bereits 1970 wurde von Prof. Hermann Mattern ein erstes grünplanerisches Gut- achten erstellt. Es war Grundlage für die vier Jahre später einsetzende Diskussion zum möglichen Standort eines Erholungsparks durch den Senat und den Zentral- verband Gartenbau. Ein weiteres Gutachten über den Standort Massiner Weg fiel positiv aus und führte 1976 zum Senatsbeschluss für die Bundesgartenschau (BUGA) 1985. Noch im selben Jahr wurde ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben; die erstplatzierten Entwürfe bekam die Berliner Öffentlichkeit vorgestellt. Die anschlie- ßende Bürgeranhörung nebst Auswertung der 3.670 ausgefüllten Fragebögen führte dazu, dass der Garten- und Landschafts- architekt Wolfgang Miller, der den 2. Platz belegt hatte, seine Planung umsetzen durfte.
„Berlin wollte alles haben, was schön und teuer war“, soll er einmal gesagt haben, und in der Tat wurden statt der geplanten 98 Millionen um die 200 Millionen D-Mark aus- gegeben. So wurden 875.000 Kubikmeter Erdreich bewegt, um eine fast 10 Hektar messende, stark gegliederte Seenfläche zu schaf- fen. Mit dem Aushub wurde das umgebende Gelände modelliert und dabei drei Anhöhen aufgeschüttet: der 19 Meter hohe Aussichtsberg, der heute Britzer Höhe genannte Rodelberg mit 16 Metern und der 12 Meter hohe Wildspitz. Die Seen selbst sind bis zu 6 Meter tief und fassen mehr als 275.000 Kubikmeter Wasser. Um die Verdunstung und Versickerung auszu- gleichen, aber auch den Wasserverbrauch zu gewährleisten wurde ein aufwändiges
Tiefbrunnen-, Pump- und Leitungssystem ge- schaffen. Über den Teich- und Wiesenbach sowie die Quell-Pavillons und den unterirdisch einmündenden Quellzufluss Nord konnten 780 m³/h Wasser zugeführt werden, um das Wasser umzuwälzen und außerdem den Wasserstand konstant zu halten. Lediglich im östlichen Teil, der durch ein Wehr abgetrennt ist, darf sich der Wasserspiegel um wenige Zen-
timeter heben oder senken.
Ein weiteres Gewässer ist der Kopfweidenpfuhl. Anders als die vorhandenen glazialen Pfuhle wie z. B. der Roetepfuhl am Massiner Weg, wurde dieser hier zum Auffangen von Regenwasser künstlich angelegt. 1982 brachte man die 25 Kopfweiden an seinem Ufer in einer Rettungsaktion mit Tiefladern vom Niederrhein hierher. Sie hätten sonst an ihrem angestammten Platz gefällt werden sollen.
Apropos Baum: Der damalige Bausenator Harry Ristock, der ein großer Befürworter des Gesamtvorhabens war, pflanzte bereits am 8. Dezember 1978 zusammen mit BUGA-Chef Dr. Ernst Hermann Kubitz den ersten Baum für diese Bundesgar- tenschau. Nach der sich daran anschließenden Legende soll eben dieser Baum in der darauf folgenden Nacht von einem vertriebenen Schrebergärtner in einem Racheakt abgeholzt worden sein. Denn Fakt ist, dass 112 Kleingärtner wegen des BUGA-Geländes ihre Parzellen verlassen mussten. Ihnen wurden jedoch Ersatz- gärten in den benachbarten Kleingartenkolonien angeboten, die obendrein in Dauerkolonien umgewandelt wurden.
Damit kein Missverständnis entsteht, Ristocks Eiche war lediglich der erste Baum auf dem gesamten Areal, der bewusst für die BUGA gepflanzt wurde. Natürlich gab es vorher auch Bäume, die selbstverständlich erhalten wurden. So die Bäume auf dem ehemaligen Friedhofs- gelände, viele Obstgehölze aus den Schreber- gärten, aber auch Gehölze einer ehemaligen Baumschule. Im Ausstellungskatalog ist zu diesem Thema folgender Beitrag zu finden: „Manch ein Besucher des Parkes wird sich über die breite Baumreihe wundern, die den großen Wiesenraum westlich des Umweltpavillons etwas unmotiviert durchschneidet. Hier handelt es sich um die Reste eines um- fangreichen wissenschaftlichen Versuches, der zu Beginn der 70er Jahre durchgeführt wurde. Es galt herauszufinden, welche Baumart die winterlichen Auftausalze am besten verträgt. Nach Beendigung der Versuche blieben alte Bäume erhalten, die diese Rosskur überstanden hatten. Und die verdienten es nun auch, am Leben zu bleiben sozusagen ein ‚Denkmal‘ für hoffentlich längst vergangene Zeiten des Salzstreuens? Relikte aus der ehemaligen Baumschule des Neuköllner Gartenbauamtes sind auch die Birken-
wäldchen in der Übergangszone zum Parkfriedhof …“ Die an exponierter Stelle stehende Ulme stammt ebenfalls aus Vor-BUGA-Zeiten. Als eines der weni- gen vom Ulmensterben verschonten Exemplare, stand sie zu Beginn der Bauarbeiten für die Bundesgartenschau mutterseelenallein mitten auf dem flachen Feld. Eigentlich sollte das Gelände bereits hier zum See hin abgetragen werden. So wird auch heute noch erkennbar, welche Höhe das Gelände früher hatte und welch umfangreiche Erdarbeiten vorgenommen wurden.
Fünf Jahre vor Beginn der BUGA wurde die Bundesgartenschau Berlin 1985 GmbH gegründet. Als eine ihrer Aufgaben sah sie es an, die Öffentlichkeit am Fortschritt der Arbeiten teilhaben zu lassen. Diese wurde durch Broschüren und Informationsveranstaltungen, wie z. B. den erstmals 1981 abgehaltenen Tag des offenen Zauns“, auf dem neuesten Stand gehalten. Um die Chronologie fortzusetzen: 1983 begannen die Arbeiten an den Gebäuden, bis 1984 der Bau von Rosen- und Staudengärten sowie der Themengärten. 1985 wurden die Dauerbauten fertig- und temporäre Bauten aufgestellt, und am 26. April 1985 feierte man die Eröffnung der Bundesgartenschau Berlin.
In der Öffentlichkeit wurde diese BUGA ganz unterschiedlich beurteilt. In der regionalen Nachrichtensendung „Berliner Abendschau“ hieß es wörtlich: „Der Bundespräsident eröffnet ein Schneegestöber, und es wird nicht besser. Im Laufe der Wochen wird aus Schnee Regen und es bleibt kalt, zu kalt für die Besucher und nicht zuletzt für die Kunst. So scheint André Heller mit seinem Blumengebilde die Pleite vor- wegzunehmen: Misstraue der Idylle, heißt sein Werk.“ Ergänzend wurden Stimmen von Passanten eingefangen und gesendet, die Ignoranz oder Desinteresse be- kundeten. Die Zahl von insgesamt 5,2 Mil- lionen Menschen, die bis zu ihrem Ende am 20. Oktober 1985 die BUGA besuchten, lässt jedoch keine Pleite erkennen. Das heißt natürlich nicht, dass alle hochbeglückt waren und sich nur anerkennend äußerten. Einigen war möglicherweise die Kunst im Park zu dominant: Immerhin waren mehr als 40
Künstler be- teiligt – und nicht alle ihrer Werke erschlossen sich sofort dem Betrachter.
Das „Mondjahr“ auf der Flachwiese am Rosengarten von Gary Rieveschl war vielleicht noch das verständ- lichste unter den der
Galaxis und Kosmolo- gie gewidmeten The- men, denn trotz der ausgegebenen Anlei- tung gelang es nicht jedem, das Datum an der mit 99 Metern Durchmesser größten Sonnenuhr Europas zu bestim- men. Selbst die Bundespost setzte auf Kunst und
entschied sich für eine doch sehr stilisierte Blüte für ihre Sonderbriefmarke.
Aber die ungeheure Leistung im Vorfeld und der Augen- schmaus der Farben und Formen wurden denn doch mehrheitlich gewürdigt und sind vielen in guter Erinnerung geblieben.
Am 26. April finden im Britzer Garten im Jubiläums-programm „Die BUGA wird 30!“ folgende Veranstaltungen statt:
9 – 16 Uhr: Das Freilandlabor Britz lädt zum Forschertag Natur aus zweiter Hand: 30 Jahre Britzer Garten mit verschiedenen Führungen und einer Na- turentdeckerwiese ein.
12 – 16 Uhr: Schaufahren des Sail and road Schiffs- u. Automodellbauclubs Berlin e.V. im Modellboothafen
13 – 18 Uhr: Der Freunde des Britzer Gartens e. V. bietet ab 15 Uhr im Rahmen von Die BUGA wird 30! mit einer Fotoschau auf der Festplatzbühne einen Rückblick und einen Einblick in 30 Jahre Britzer Garten sowie weitere unterhaltsame Programmpunkte.Am 27. Juni lädt der Britzer Garten von 14 bis 23 Uhr zum großen 30 Jahre Britzer Garten Geburtstags- und Sonnenwendfest ein.
Morgen erscheint der zweite Teil unseres Beitrags über das BUGA-Jubiläum; in ihm geht es um die Entwicklung des Britzer Gartens von 1985 bis heute.
=kiezkieker=
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Wichtig zu erwähnen ist noch der mühsame Weg zur Erhaltung des Familienparadieses . Ein eigens gegründeter Verein von Neuköllner Familien, der sich „kinderfreundliche Stadt“ nannte, schaffte es 1985, gegen viele Anfeindungen der erklärten Politik von CDU und SPD und trotz mehrfacher Bedrohungen durch Hundehalter_innen, dass der Zaun erhalten blieb und das Gelände hundefrei. Die Jahreskartenpflicht nahmen wir dafür gern in Kauf! Für 10mal bezahlen und dann für den Rest des Jahres kostenlosen Zutritt, das ging in Ordnung. Und ich glaube, das sehen heute viele so, zumal die Gegenleistung stimmte, auch wenn der Maschinenlärm der Gärtner am Vormittag manchmal stört.
Dass 2015 bereits 30 € verlangt werden, lässt uns allerdings weitere Erhöhungen erahnen. Ursprünglich waren es 10 Mark im Jahr!
Und übrigens vielen Dank an alle Autoren für den Artikel und die tägliche Arbeit für uns Leser.
Richard
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Vielen Dank für den Dank!
Mit der Entwicklung des Britzer Gartens – auch der preislichen – von 1985 bis heute beschäftigt sich der morgen erscheinende zweite Teil unseres Beitrag zum Jubiläum (der Hinweis ist inzwischen ergänzt).
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