Mancher, der in der letzten Woche durch den Haupteingang an der Karl-Marx-Straße ins Neuköll- ner Rathaus kam, glaubte seinen Augen nicht zu trauen: Plötzlich war eine Tür wieder geöffnet, die seit einem Jahr ganz und davor häufig geschlos- sen blieb. Heute Mittag bricht nun, nach einer einwöchigen Phase der „stillen Voreröffnung“, im Beisein von Dr. Franziska Giffey, der designierten Bezirksbürgermeisterin, auch offiziell die neue Ära des Neukölln Info Centers (NIC) an.
Das Adjektiv „still“ war allerdings schon in den letzten Tagen keine treffende Beschreibung für das, was sich hinter der einst verschlossenen Tür abspielte. Können wir hier unsere Flyer auslegen? Kann ich hier meinen Umzug nach Neukölln anmelden? Haben Sie ein Hotelverzeichnis für den Bezirk? Wo ist das Büro des Bürgermeisters? „Manche halten das NIC für eine Infostelle des Rathauses“, sagt Tanja Dickert, die neue Pächterin der bisher vom Bezirksamt unterhaltenen Einrichtung. Dass die Behörde dafür MAE-Kräfte einsetzte, missfiel irgendwann dem Personalrat, woraufhin Konsequenzen in Form der Schlie- ßung gezogen wurden.
Im Herbst letzten Jahres, erzählt Tanja Dickert, sei dann der Grundstein für die Wiedereröffnung mit einem neuen Konzept gelegt worden: „So was möchte ich auch im Rathaus haben“, äußerte Noch-Kulturstadträtin Giffey bei einer Sitzung des BVV-Kulturausschusses in der Ahoj! Souvenirmanufaktur am Richardplatz, die ebenfalls unter der Regie der 42-Jährigen steht.
Mit dem Neukölln Info Center, das seit Anfang 2006 acht Jahre lang im Rathaus war, hat das neue NIC nicht viel gemeinsam. Statt Mitarbeitern, die sich – oft erfolglos – bemühten, mehr Neukölln-Wissen als ihre Kunden zu haben, stehen nun An- sprechpartner mit profundem Bezirks-Know-how zur Verfügung: Mit dem Stadtführer Reinhold Steinle und Heiko Büttner sowie Martin Mai aus der Neuköllner Kreativszene konnte die neue Pächterin Leute für ihr Team gewinnen, die nicht nur gegenüber Touristen, sondern auch gegenüber vielen Einheimischen einen Wissensvorsprung ha- ben dürften. Tanja Dickert selber lebt seit frühester Kindheit im Bezirk, repräsentiert seit drei Jahren Neukölln am visitBerlin– Stand auf der ITB und ist weit über die Kultur-
und Kreativebe- nen hinaus ver- netzt.
„Kostenlose Flyer, Broschüren, Veranstaltungskalender und die Gratis-Bezirksblätter bekommt man bei uns natürlich auch weiterhin, aber alle Informationen werden sehr neuköllnlastig sein“, erklärt sie das neue Konzept. Es würde also nicht mehr – wie bisher praktiziert – wahllos alles ausgelegt werden, was irgendwen interessieren könnte. Der Platz, den früher eine wahre, auch überregionale Papierflut in Anspruch nahm, brauche man nämlich für Wichtigeres: „Wir wollen Kreativen aus dem Bezirk die Chance bieten, sich hier zu präsentieren und ihre Produkte zu verkaufen.“ Der Anfang wird mit Buttons, Shirts und Taschen von der Ahoj! Souvenirmanufaktur und
der Berlinfabrik, de- ren Chef Martin Mai ist, gemacht. Perspektivisch solle außerdem die Über- legung umgesetzt werden, Erzeugnisse ins Sortiment aufzunehmen, die in Neukölln hergestellt werden, aber
keinen plakativen lokalen Bezug haben.
Der Verkauf spielt im neuen, auf privater Pacht basierenden NIC-Konzept aus nachvollziehbaren Gründen eine nicht unerhebliche Rolle: Der „im unteren dreistelligen Bereich“ angesiedelte finanzielle Einsatz für Miete, Betriebskosten und Versicherungen muss wieder in die Kasse kommen. Derart zu kalkulieren war bisher im Neukölln Info Center lässlich. Folglich gehe es nun auch vorrangig erstmal darum, „den Leuten klar zu machen, dass bestimmte Sachen und Leistungen etwas kosten, denn langfristig will ich nicht drauflegen“, sagt Tanja Dickert. Aufwandsent- schädigungen oder gar Honorare für sie und das Team, das die Öffnungszeiten abdeckt, sind Zukunftsmusik. Dass sie nicht flexibel gehandhabt werden können,
rührt dagegen aus der Vergangenheit her. Bis in die 1950er Jahre sei der Eingang zu den Räumlichkeiten an der Karl-Marx-Straße gewe- sen, weiß Stadtführer Steinle.
Weil der Zugang seitdem im Foyer des Rathau- ses ist, müsse man sich an den Publikums- zeiten der behördlichen Einrichtung orientieren: Freitags wird das NIC bereits um 15 Uhr ge- schlossen, an Sams-, Sonn- und Brückentagen gar nicht erst geöffnet. „Es wird also leider auch in Zukunft so sein, dass hier zu ist, wenn viele Touristen im Bezirk sind“, bedauert Dickert, die außer auf Deutsch, Englisch und Französisch auch ein wenig auf Tschechisch über Neukölln erzählen kann. Da sich das NIC aber ausdrücklich gleichermaßen als Infobörse für Neuköllner versteht, gehe es ebenfalls darum, den Bekanntheitsgrad im Bezirk zu erhöhen: Im Sommer sporadisch an wechselnden Orten präsent zu sein, um das Angebot vorzustellen, ist nur eine der Ideen, die die neue Pächterin hat. „Alles in allem soll das NIC ein Stück Willkommenskultur sein“, findet sie.
Das Neukölln Info Center ist von montags bis donnerstags zwischen 10 und 17 Uhr sowie freitags von 10 bis 15 Uhr geöffnet. Telefonisch ist das NIC unter 030 – 90239 3530 zu erreichen.
Jeden Mittwoch beginnt um 11 Uhr die einstündige Führung „Rund ums Rathaus Neukölln … und hoch auf den Turm“ mit Reinhold Steinle (Teil- nahme: 5 Euro). Da die Teilnehmerzahl auf 10 Personen begrenzt ist, ist eine telefonische Anmeldung im NIC erforderlich.
=ensa=
Filed under: berlin, neukölln | Tagged: ahoj souvenirmanufaktur, berlinfabrik, bezirksamt neukölln, dr. franziska giffey (spd neukölln), heiko buettner, martin mai (berlinfabrik), nic neukölln info center, reinhold steinle, tanja dickert, wirtschaftsförderung bezirksamt berlin-neukölln |
Hört sich gut an, aber die Öffnungszeiten sind für viele Leute natürlich wirklich ungünstig. Vielleicht nehme ich mir mal Urlaub, damit ich vorbeischauen kann 😉
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