Heute jährt sich zum 70. Mal der Todestag von Werner Seelenbinder: An eben dem 24. Ok- tober 1944 wurde er im Zuchthaus Branden- burg mit dem Fallbeil hingerichtet. Das Regime des Nationalsozialismus ermordete in diesem Jahr, das nahende Kriegsende vor Augen, noch viele Gegner seiner Gewalt- herrschaft.
Werner Seelenbinder war in der damaligen Sportwelt eine bekannte Persönlichkeit. Er gehörte als Ringer dem Arbeitersportverein Berolina 03 Neukölln an, bis zu dessen Verbot im Jahr 1933 durch die Nationalsozialisten. 1928 hatte Seelenbinder an der Spartakiade in Moskau teilgenommen; er beschäftigte sich mit den Schriften Marx‘ und Lenins und wurde ein überzeugter Kommunist. Als er 1933 den ersten seiner insgesamt sechs Meistertitel im Ringen errang, verweigerte er bei der Siegerehrung den obligatorischen Hitlergruß.
Die darauffolgende Verurteilung und Haft im KZ Columbiahaus, das auf dem Gelände des heutigen Tempelhofer Feldes stand, hielten ihn nicht vom Widerstand gegen das Naziregime ab. Im Gegenteil: Er hatte sogar die Absicht, bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936 bei der Siegerehrung vor aller Welt nochmals den Hitlergruß zu verweigern, um der Welt zu zeigen, dass nicht alle Menschen in Deutschland gleichgeschaltet sind und es Widerstand gegen das Regime gibt. Zu dieser symbolischen Geste kam es jedoch nicht, da Seelenbinder bei der Olympiade „nur“ den vierten Platz errang. Wie stark eine solche Geste bei Olympia wirken kann, zeigten 32 Jahre später zwei dunkelhäutige Medaillengewinner des 200 Meter-Laufs: Bei der Olympiade in Mexiko 1968 streckten sie bei der Siegerehrung die geballte Faust aus. Dieses Bild, das damals um die Welt ging, erinnert bis heute an die Diskrimierung von dunkelhäutigen Menschen in einer „weißen Welt“.
Werner Seelenbinder setzte nach der Olympiade seine Sportlerkarriere ebenso wie den Widerstand gegen den Nationalsozialismus fort. Im Februar 1942 wurde er von der Gestapo verhaftet und nach einem langen Leidensweg in verschiedenen Konzentrationslagern und Zuchthäusern am 24. Oktober 1944 gehenkt. Der Neuköllner Ringer war gerade einmal 40 Jahre alt.
Nach Seelenbinders Tod gab es um sein Andenken ein Politikum, das den Kalten Krieg zwischen Ost und West widerspiegelte. 1945 wurde die Urne mit der Asche des erfolgreichen Ringers am Eingang des Sportparks Neukölln begraben und der Sportpark in Werner See- lenbinder Kampfbahn umbenannt. Schon fünf Jahre später wurde die Benennung wieder rückgängig gemacht, da Werner Seelenbinders kommunistische Überzeugung politisch nicht mehr opportun war. Erst vor 10 Jahren, zum 60. Todestag, bekam die Sportanlage wieder den Namen Werner-Seelenbinder-Sportpark.
An der Trainingsstätte seines Vereins SC Berolina 03 Neukölln im Hof der Konrad-Agahd-Schule in der Thomasstraße wird ebenfalls an Werner Seelenbinder erinnert: Am 24. Oktober 1992 wurde eine Berliner Gedenktafel für ihn enthüllt. Der SC Berolina 03 existiert übrigens ebenfalls noch bzw. wieder. Vereinsvorsitzender ist Zekai Turgay, ein ehemaliger türkischer Nationalringer.
Heute um 16 Uhr findet an Werner Seelenbinders Gedenkstätte in der Oder- straße die traditionelle Ehrung des ermordeten Sportlers statt.
Filed under: berlin, neukölln | Tagged: konrad-agahd-schule, kz columbiahaus, nazi-regime, neukölln, ns-zeit, reinhold steinle, sc berolina 03 neukölln, tempelhofer feld, werner seelenbinder, werner-seelenbinder-sportpark, zekai turgay (sc berolina 03) |