Mehrere Berater und Beraterinnen von drei sozialen Einrichtungen in Neukölln trafen sich am vergangenen Dienstag zu einer kostenlosen Schulung für den Alpha-Kompetenz-Aufkleber: Sie wollten lernen, was sie beachten müssen, wenn sie Menschen beraten, die nicht so gut lesen und schreiben können. Die Idee der Schulung kommt vom Alpha-Bündnis Neukölln.
Denn allein in Neukölln leben schätzungsweise 28.000 Menschen, die Hilfe beim Lesen und Schreiben brauchen, um im Leben zurecht zu kommen. Sie können keinen Wahlzettel lesen und kein Kochrezept. Sie verstehen oft nicht einmal die Fernsehzeitschrift mit vielen Bildern. Fachleute nennen diese Menschen funktionale Analphabeten. Obwohl funktionale Analphabeten vielleicht einen kurzen Text vorlesen können, begreifen sie nicht seinen Sinn. Andere funktionale Analpha- beten verstehen nicht einmal kurze Sätze oder schwierige Wörter. Und das, obwohl sie häufig Deutsch als Muttersprache gelernt haben und in Deutschland zur Schule gegangen sind.
Bei der Schulung waren zwei Lernerinnen vom Lesen und Schreiben e.V. (LuS) anwesend. Sie erzählten den Schulungsteilnehmern, was Analphabeten denken und fühlen, wenn sie zu Behörden und Ämtern müssen. „Man muss sich eine harte Schale zulegen, wenn man zu den Ämtern geht“, erklärte eine Lernerin den Beratern. Sie kennt den LuS schon seit vielen Jahren. Ihr größter Wunsch ist: „Die Leute müssen für unsere Probleme empfindlich werden. Viele Leute, die nicht so gut lesen und schreiben können, schämen sich dafür. Am einfachsten wäre es, wenn man zu den Beratern hingehen könnte und nur ein Schlagwort sagen müsste, damit sie gleich Bescheid
wissen. Zum Beispiel: ABC oje, oje!“
Ingan Küstermann und Konstanze Butenuth (l.) vom Alpha-Bündnis Neukölln nahmen jede Einrichtung, die in Zukunft einen Alpha-Kompetenz-Aufkleber haben will, genau unter die Lupe: „Wie finden Ihre Kunden den Weg von der Straße zur richtigen Tür?“ oder „Woher wissen Sie, ob Ihr Kunde alles verstanden hat?“, waren nur zwei ihrer vielen Fragen. Anschlie- ßend halfen die beiden Dozentinnen den Beratern dabei, einen Aktionsplan für ihre Einrichtung auf- zustellen. Mit diesem Aktionsplan sollen die Hürden bei der Beratung besei- tigt werden.
Am Ende der sechsstündigen Fortbildung erhielten alle Berater und Beraterinnen eine Teilnahmebeschei-nigung. Wenn die Verbesserungs-Vorschläge umge- setzt worden sind, bekommt jede Einrichtung den Alpha-Kompetenz-Aufkleber, den sie deutlich sichtbar an ihre Tür kleben kann. Analphabeten wissen dann: Hier wird mir geholfen !
Wer mehr über die Schulung für Neuköllner Mul- tiplikatoren zur Verleihung des Alpha-Kompe-tenz-Aufklebers wissen will, bekommt telefonisch unter 030 – 555 796 20 beim Büro des Alpha-Bündnis Neukölln weitere Informationen.
=Christian Kölling=
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