Von lebhaft bis leblos: Mit Edgar Zippel durch Europa

european life-ausstellung_neuköllner leuchtturm„Mir ist der Look der Fotos wichtig“, sagt Edgar Zippel. Besonders betonen müsste er das aber gar nicht, denn die Bilder sprechen für sich. Etwa 50 werden derzeit im Raum für Fotografie im Neuköllner Leuchtturm prä- sentiert: „European Life“ heißt die Ausstel- lung, die aus drei Serien besteht, die das Leben in Europa in so unterschiedlichen wie beeindruckenden Facetten widerspiegeln. Der vielleicht wichtigste gemeinsame Nen- ner ist das Handwerkszeug des Fotografen. „Alle Bilder wurden mit einer analogen 6 x 6-Kamera gemacht und von mir selber entwickelt“, erklärt der 48-Jährige, der an european life_edgar zippel_neuköllner leuchtturmder Folkwang-Schule in Essen studiert hat, seine Arbeitsweise.

Innerhalb von 12 Jahren entstanden die knapp 30 Aufnahmen, die im straßenseitigen Raum der Galerie zu sehen sind. Mit der Serie „European Life“, so Zippel, wolle er die Vielfalt der Lebensräume in der EU portraitieren. Menschen kommen in den Bildern, die Impressionen aus fast 20 Länder zeigen, nur als Teile des Ganzen vor – oder gar nicht vor: „Es sind keine inszenierten Fotos, sondern Momentaufnahmen, bei denen der Fokus auf der Farbe, der Gestaltung und der inhaltlichen Aussage liegt.“ Letztere zu deuten, obliegt dem Betrachter. Dass bereits der Fotograf manches Szenario „ironisierend und mit einer gewissen Flapsigkeit kommentiert“, hält sich edgar zippel_young europeans_neuköllner leuchtturmdezent im Hintergrund.

Eine gänzlich andere Vorgehensweise prägt hingegen die Entstehung der Serie „Young Europeans“, die zuletzt im Museum Euro- päischer Kulturen in Berlin-Dahlem ausge- stellt wurde. „Die Idee dahinter war, ein Ar- chiv mit Portraitfotos junger Leute in Europa anzulegen, um sie als Repräsentanten ihrer Generation und Nationen vorzustellen“, berichtet Edgar Zippel. Auf rund 170 Bilder, die durch die Arrangements von Gesicht und Umgebung spezielle und universelle Aspekte vereinen, ist der Fundus bereits angewachsen. Ergänzt wird er young europeans_neuköllner leuchtturmdurch Antworten, die die 18- bis 22-Jährigen dem Fotografen auf standardisierte Fragen gaben: Was willst du? Worauf freust du dich? Wovor hast du Angst? „In Dahlem wurden die Interviews in digitalisierter Form einge- spielt, das ist leider hier nicht möglich“, bedauert Zippel, der die Serie unbedingt noch durch Bilder junger Leute aus dem Kosovo, aus Mazedonien und Griechenland erweitern möchte.

„Erst im Frühjahr war ich in Bosnien“, erzählt er. Mitgebracht von der Reise hat er allerdings nicht nur Portraits, sondern auch bewegende Landschaftsaufnahmen, die after the war_neuköllner leuchtturmnun unter dem Titel „After the War“ im hinteren Raum des Neuköllner Leuchtturms hängen. Zippel zeigt auf den jungen Mann, dessen Foto die Young Europeans-Reihe beschließt: „Er lebt in dem Bürgerkriegs-Gebiet im ehemaligen Ju- goslawien und hat mich und eine Dolmetscherin durch die Region geführt.“

Die meisten der einst bewohnten Dörfer im Land- strich nahe der Grenze zu Kroatien seien nur noch Ruinen. Die Friedhöfe in der Nähe der Ortschaften würden von der Jahreszahl 1992 dominiert. „Aber das Schlimmste sind die Minenfelder, davor hatte ich gehörig leo de munk_edgar zippel_neuköllner leuchtturmRespekt“, meint Edgar Zippel (r., neben Kurator Leo de Munk). „Und die Geister- Landschaften waren ein regelrechtes Schockerlebnis für mich.“ Man habe dort schon ein sehr mulmiges Gefühl. „Wenn man allerdings in der Gegend mal auf Menschen trifft, dann freuen die sich, dass überhaupt mal jemand kommt. Die fühlen sich da wirklich total vergessen.“

Die Ausstellung „European Life“ wird noch bis zum 7. November im Raum für Fotografie im Neuköllner Leuchtturm gezeigt. Öffnungszeiten: Di. – Fr. 14 – 18 Uhr

Beim NACHTUNDNEBEL-Festival, am 1. November, bilden die Fotografien von Edgar Zippel den Rahmen für einen  Themenabend zur EU-Migration.

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