Letzten Sonntag, am Tag des offenen Denkmals, auf dem Neubaugelände der Clay- Oberschule in Rudow: Auf dem rund 2 Hektar großen Areal waren zwischen 1939 und 1945 bis zu 1.500 Frauen und Männer in den drei miteinander verbundenen Zwangsarbeiterlagern Rudow I – III untergebracht. Allein die Arbeitsgemeinschaft Rudow, ein Zusammenschluss rüstungs- naher Industriebetriebe, dem u. a. die Firma Eternit angehörte, beantragte am 21. Februar 1941 die Errichtung eines Barackenlagers für 207 Zwangsarbeite-rinnen und 56 Zwangsarbeiter auf dem Grundstück am Neudecker Weg.
In ganz Berlin gab es während des 2. Weltkriegs unterschiedlichen Schätzun- gen zufolge zwischen 3.000 und 6. 000 Lagerstandorte. Die Wirtschaftsbaracke des Lagers in Rudow auf dem früheren Gelände der Firma Eternit steht noch heute. Sie wird gerade dekontaminiert, um anschließend für den Schulneubau abgerissen zu werden. Hinter einer dicken Plastikplane ist die Original-Holzverschalung der Baracke zu erahnen. Schülerinnen und Schüler der Clay-Oberschule sind mit Unterstützung des Museums Neukölln und anderer Einrichtungen der dunklen Geschichte ihres neuen Schulstandortes nach- gegangen. Sie arbeiteten bei der Zusammenstellung von drei Materialkoffern zum Thema Zwangsarbeit mit, die neben Dokumenten auch Originalobjekte enthalten und für den Unterricht ausgeliehen werden können. Um die Ergebnisse ihrer Pro- jektwoche über das Zwangsarbeiterlager zu dokumentieren, hatten die Mädchen und Jungen am Tag des offenen Denkmals mit farbigen Klebestreifen einige Plakate auf der grauen Plastikplane an der Baracke angebracht.
Unterstützt wird für die Erinnerungsarbeit der Clay-Oberschule zusätzlich durch die Arbeit des Archäologischen Grabungs- und Forschungsservices archaeofakt. Archäologen suchen seit Ende August nach historischen Spuren unter der Erde und sichern Fundstücke, die Auskunft über die drei Zwangsarbeiterlager geben können. Die Grabungen sollen voraussichtlich im Dezember 2014 abgeschlossen sein. Allein in einem Splittergraben (Foto oben), der nach Kriegsende zugeschüttet wurde, fanden die Mitarbeiter von archaeofakt an die 30 Kilogramm zeit- genössischer Fundstücke: u. a. eine Kartoffelreibe aus stabilem Aluminium, das wahrscheinlich im Flugzeugbau ver- wendet wurde, sowie Löffel, Porzellan-scherben, Tintenfässchen und das Etui einer Dienstbrille, das vermutlich aus dem Verwaltungsgebäude des Lagers
stammt. Wert- volle Hinweise sind zudem in der Broschüre „Das Zwangsarbeiterlager Rudow I – III“ von Dr. Bernhard Bremberger enthalten, der die Bau- und Sozialgeschichte des Lagers in ehrenamtlicher Forschungsarbeit akribisch
festgehalten hat.
„Das Gelände ist längst nicht nur für zeitgenös-sische Archäologie inte- ressant“, betont aller- dings Gregor Döhner (r.) vom Archäologischen Gra- bungs- und Forschungsservice archaeofakt. Bereits 1943/44 sei eine archäologische Meldung an das Denkmalamt gemacht worden, als bei einer Er- weiterung des Zwangsarbeiterlagers kleine Kera- mikscherben aus der römischen Kaiserzeit (2. Jahrhundert n. Chr.) gefunden wurden. Das nicht weit von der Rudower Höhe entfernte Terrain schätzt der Archäologe Döhner wegen der Hanglage als siedlungsgünstiges Gebiet ein. Meldungen über frühgeschicht- liche Urnenfelder außerhalb des Geländes lägen bereits vor. Das archaeofakt-Team hat deshalb an einigen Stellen in urgeschichtlichen Gruben tiefer gegraben und weitere jahrhunder- tealte Keramikscherben gefunden, die auf eine Siedlung hindeuten könnten. Diese urgeschicht- lichen Funde waren am vergangenen Sonntag beim Tag des offenen Denkmals ebenso zu begutachten wie die zeithistorischen Fundstücke aus dem Zwangsarbeiterlager.
Das Grabungsbüro archaeofakt bietet am 26. September und 1. Oktober von 15 bis 16 Uhr weitere kostenlose Führungen über das Gelände am Neudecker Weg 14-22 an. Um Anmeldung per Mail bei der Denkmalschutz- behörde Neukölln wird gebeten: corinna.tell[at]bezirksamt-neukoelln.de Für die Teilnahme wird wetterfeste Kleidung und festes Schuhwerk empfohlen. Da die Parkmöglichkeiten eingeschränkt sind, sollte die BVG (Buslinien: 162 bis Rudower Höhe oder 172 bis August-Fröhlich-Straße) genutzt werden.
=Christian Kölling=
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