„Wann kommen die Ratten endlich?“ Der Kuchenteller, der vor dem kleinen Jungen auf dem Tisch steht, ist leer, jetzt will er Action. Die meisten anderen Gäste, die vor dem Geschwister Nothaft Café vis-à- vis des S-Bahnhofs Sonnenallee sitzen,
wirken geduldiger. Ratten sind nicht gerade die Gesell-schaft, die man sich zu Kaffee und Kuchen wünscht. Sie kommen trotz- dem – zu neunt, bedeutend größer als die Exemplare, die gewöhnlich in Berlins Kanalisation, Straßen, Höfen und Kellern leben, und mit einem Niedlichkeitsfaktor, von dem die tierischen Nager nur träumen können. Aber sie
haben auch eine Mission, die denen, die sie verkörpern so gar nicht gefallen dürfte: Auf den Hang vieler Menschen, mit großem und kleinem Müll die Stadt zum Ratten-Paradies zu machen, haben sie es abgesehen. Mit einer Mischung aus Theater, Musik, Gesang und Spielshow wollen sie nun dagegen an- gehen.
„In ‚Berlin: Die Ratten kommen!‘ habe ich meinen privaten Ärger zu einem Theaterstück verarbeitet“, sagt Andrea Bittermann. Es handelt von der Oberratte Jeffry (r.), die inzwischen einen Job bei der Berliner Stadtreinigung hat und ihre Rattenkollegen zu einem Wiedersehenspicknick im Park
einlädt. Dass die Ratten anschließend mit gutem Beispiel vorangehen und ihren Müll mitnehmen statt ihn einfach liegen zu lassen, versteht sich von selber. „Weshalb viele Menschen das nicht tun und ihre Sachen einfach auf die Straße oder in Grünanlagen schmeißen, ist mir ein Rätsel“, gesteht die Regisseurin, die in der Nähe des Siegfried-Auf- häuser-Platzes wohnt.
Für die Aufführung der Rattenrevue wählte sie ihn aber nicht aus, weil hier die Vermüllungsproblematik be- sonders extrem ist: „Es ist ein interessanter Ort, an dem verschiedene Lokalitäten von der Uralt-Eckkneipe bis zum Szene-Café und unterschiedlichs- te Lebensgefühle und Menschen nebenein- ander existieren.“ Für die neun Schauspieler in den Rattenkostümen ist er indes eine Herausforderung. Die S-Bahn rauscht nur wenige Meter entfernt vorbei,
Busse und Autos passieren die Szene- rie, und manchmal tobt auch ein Hund durchs Bild. „Absolut positiv finden es aber alle“, so Bittermann, „dass wir hier mit unserem Straßen- theaterstück Leute erreichen, die nicht ins Theater gehen würden, und die Chance haben, bei ihnen eine Neugier für Umwelt-bewusstsein und Müllvermeidung anzuregen.“ Oft reichen dafür schon bloße Zahlen, die vom Ratten-Ensemble szenisch verpackt ins Publikum geworfen werden: 500.000 Bäume werden weltweit gefällt, um den Bedarf an Coffee-to-go-Pappbechern zu de- cken; 2 Millionen Zigarettenkippen werden in Berlin auf einer Fläche von einem Quadratkilometer entsorgt; 1 Million Seevögel verenden jährlich an Plastikmüll, der ins Meer gelangte. Da kommen ein paar Haushaltstipps für brave Bürger oder auch
der Appell der urbanen Wanderraten, in der Metropole Berlin Kehrwochen ein- zuführen, nicht ungelegen. Bei den Schauspielern, die auch aus Kuba, Spanien und Serbien stammen und zum Großteil schon in den Vorjahren Ratten gaben, berichtet Andrea Bittermann, habe die Arbeit an der Rattenrevue jedenfalls schon einiges bewirkt: Zigarettenkippen einfach auf die Straße werfen oder im Supermarkt eine Plastiktüte mitnehmen, um den Einkauf bequemer nach Hause transportieren zu können – das war mal: „Uns hat das Stück sehr sensibilisiert.“ Die Neuköllnerin hofft nun, dass es dem Publikum nicht anders geht.
Weitere Vorstellungen auf dem Siegfried-Aufhäuser-Platz in Neukölln be- ginnen am 17. und 31. August um 15 Uhr; Eintritt frei.
Darüber hinaus gastiert die Rattenrevue am 29. August um 18 Uhr auf der Admiralbrücke, am 30. August um 15 Uhr in den Prinzessinnengärten in Kreuzberg, am 6. September beim Umweltmarkt der Stadtagenten auf dem Freundschaftsplatz in Neukölln sowie am 20. September beim Umweltfest der Trenntstadt Berlin auf dem Tempelhofer Feld.
Wetterbedingte Absagen werden auf der Homepage der Rattenrevue und/ oder auf ihrer Facebook-Seite bekanntgegeben.
=ensa=
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