„Wenn ich es jetzt nicht angehen würde, würde es bald jemand anders machen“

kranoldplatz neubritz_neuköllnSeit vier Jahren hat Theresa Dühn das Elend täglich vor Augen. Seitdem wohnt sie im Neu- köllner Ortsteil Neubritz am Kranoldplatz, der für die Bewohner des Kiezes kaum mehr als eine am Reißbrett entworfene Durchwegung ist. Keine Bank, die zum Platznehmen und Verweilen einladen könnte, stört die geometri- sche Monotonie zwischen einem Klohaus am westlichen und Gerson Fehrenbachs Brun- nenskulptur, skulpturen kranoldplatz_gerson fehrenbach_neuköllndie schon seit Jahrzehnten nicht mehr plätschert, am östlichen Rand. Wer sich etwas länger in der Mitte des Kranoldplatzes aufhalten möchte, muss das stehend tun oder mit den kniehoch gepflasterten Begrenzungen der Baumscheiben vorliebnehmen. Nicht so am kommenden Samstag und den letzten Sonnabenden der beiden Folgemonate – dank des Engagements von Theresa Dühn, die anstrebt, die dicke linda-premierenplakat_neukölln-neubritzeinen Landmarkt auf dem Kranoldplatz zu etablieren: Die Dicke Linda, bei der es außer Marktständen auch Tische und Bänke geben wird, an denen es sich die Anwohner gemütlich machen und bei Kaffee und Kuchen miteinander ins Gespräch kommen können.

„Die Idee dazu kam mir im Herbst letzten Jahres“, erzählt die 31-Jährige. Kurz danach begann sie zu ermitteln, wie groß im Kiez das Interesse an einer Belebung des Platzes und der Reaktivierung von dessen Funktion als Marktstandort wäre: „Viele von den Ur-Neuköllnern, die hier noch wohnen, erinnern sich gut an den Wochenmarkt, den es früher auf dem Kranoldplatz gab, und hätten sehr gerne wieder einen.“ Genauso begeistert von der Idee waren die später Zugezogenen. Und Theresa Dühn war im Zugzwang – ohne jegliche Kenntnisse, wie einfahrt kranoldplatz_neukölln-neubritzso ein Markt zu organisieren ist.

Als ihr Job als Öffentlichkeitsarbeiterin für eine brandenburgische Bio-Molkerei es im Frühjahr zuließ, ging sie das Thema schließlich an. „Das Neuköllner Ordnungs- amt hat mich dabei unheimlich unter- stützt“, lobt sie. Organisatorische Fragen, der Aspekt der Stromversorgung, Geneh- migungen beim Grünflächenamt. Sogar die notwendige Zustimmung der Marktverwaltung Perske, die noch gemäß Vertrag mit dem Bezirksamt das Monopol auf den Betrieb der Neuköllner Wochenmärkte hat, holte die Behörde für Theresa Dühn ein: „Hilfreich war aber auch, dass es Ende 2004, nach dem Aus des Wochenmarkts, versäumt wurde, die Stromkästen vom Kranoldplatz zu entfernen und sie immer noch hier stehen.“ Ohne sie wäre alles wesentlich aufwändiger gewesen.

Genug zu tun hatte die gebürtige Brandenburgerin, für die bewusste Ernährung „eine Herzenssache“ ist, auch so. Was sie von Anfang an wusste, war, dass sie vor- wiegend kleine Händler ins Boot holen will, die gute, frische selbstgemachte Waren aus der Region verkaufen. „Kontakte zu einigen hatte ich ja zum Glück schon durch meinen Job.“ Andere wurden ihr durch den Landwirtschaftsverband pro agro die dicke linda_neuköllnvermittelt. Das Resultat ist eine Angebots-palette, die von B wie Bio-Backwaren über Britzer Honig, Eier, Eis, Obst und Gemüse frisch vom Hof, Kräuter, selbstgemachte Marmeladen, naturgegerbte Felle, Neuköll- ner Öle, Säfte, vegane Brotaufstriche und Wildbret aus Brandenburg bis hin zu Wurst von Meine kleine Farm aus dem benach-barten Körnerkiez und Ziegenmilchpro- dukten reicht.

„Für vier der insgesamt 14 Händler ist der Marktbetrieb totales Neuland“, sagt Theresa Dühn. „Aber alle freuen sich darauf, haben große Lust auf direkte Kundenkontakte und sind gespannt, wie es läuft.“  Nicht mal die Tatsache, dass sie selber bei der Terminplanung komplett verschwitzt hat, dass der erste Die Dicke Linda-Tag mitten in die Sommerferien fällt und viele im Urlaub sind, habe Unmut aufkommen lassen. Die gute Stimmung gehe sogar so weit, dass sich die beiden  Bauern einen Marktstand  teilen: „Bauer  Nietsch bietet  an dem Obst und

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Kräuter an, Bauer Klaus Gemüse und Kartoffeln.“ Auch die Linda, die erst seit 2011 wieder im Handel ist, wolle er am Premierentag mitbringen. Blumen werde es leider nicht geben, bedauert die Marktleiterin. „Und Käse ebenfalls nicht, wegen des marktbörse kranoldplatz neubritz_neuköllnAnspruchs der Regionalität.“

Etwa die Hälfte des Kranoldplatzes, an dem es sogar noch eine Kneipe namens Marktbörse gibt, wird der Landmarkt einnehmen, der bei guter Resonanz ab Ostern 2015 gerne 14-tägig oder gar wöchentlich stattfinden dürfte, wenn es nach Theresa Dühn ginge. Auf Profit komme es ihr nicht an, sagt sie. Bei einer Standmiete von 100 Euro für drei Termine werde es auf plus/minus null hinaus- laufen, wenn man ihren eigenen Zeitaufwand aus der Rechnung ausklammert. „Ich will mit dem Markt  einen Traum verwirklichen und den Kiez beleben.“ Und mit dieser Vision steht sie nicht alleine da, wie die Unterstützung durch das Kranold-Weder-Netz und das Gründernetz Britz beweisen.

Davon, dass es ein Potenzial gibt, ist Dühn so gut wie überzeugt. Neubritz sei zwar etwas verschlafener als die Neuköllner Quartiere innerhalb des S-Bahn-Rings, aber „auch hier sind Veränderungen spürbar und mischen sich immer mehr Studenten und junge Familien unter die Ur-Neuköllner.“ Die nächsten Wochenmärkte waren für alle bisher die am Karl-Marx-Platz, im Schillerkiez und in Britz-Süd, fußläufig – zumal: mit dem Wochenendeinkauf im Gepäck – ist keiner. „Wenn ich es jetzt nicht mit dem Markt auf dem Kranoldplatz angehen würde, würde es bald jemand anders machen“, vermutet Theresa Dühn.

Die Dicke Linda findet im laufenden Jahr am 26. Juli, 30. August und 27. September von 10 bis 16 Uhr statt. Die Organisatorin des Marktes würde sich sehr über Kontakte zu Leuten freuen, die noch Fotos vom früheren Kranoldmarkt haben.

=ensa=

3 Antworten

  1. wir sind vor 6 Jahren von der Ostsee nach Neukölln gezogen – der
    Familie wegen – Es hängen noch Hinweise von dem ehemaligen Markt
    hier, und wir haben sehr bedauert, dass er nicht mehr stattfand. Jetzt
    freuen wir uns sehr, dass wir einen Markt erleben können, denn wir
    wohnen genau am Kranoldplatz und können das Treiben sogar aus
    unseren Fenstern unmittelbar gegenüber beobachten. Natürlich freu-
    en wir uns auch auf das Angebot an regionalen Produkten. Ein grosses Lob und Danke an Frau Dühn. Vielleicht werden wir sie ja auch persönlich kennen lernen.

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  2. Die Idee ist ja eigentlich nicht schlecht. Wir waren gerade da und müssen aber leider feststellen, dass dieses Vorhaben genauso zum scheitern verurteilt ist, wie alles anderen Versuche diesen Markt wieder zu beleben. Schade eigentlich und traurig für die Händler.
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