Um die tausend Besucher waren es im letzten Jahr, die sich in Brigitta Polinnas Garten und denen ihrer Nachbarn umsahen. Wie viele es an diesem Wo- chenende sein werden, an dem die Aktion „Offene Gärten“ wieder die Tore zu zehn verborgenen Pa-
radiesen im Böhmischen Dorf aufschließt? „Das hängt viel vom Wetter ab“, ahnt Polinna mit einem Blick gen Himmel, der wie ein Chamäleon die Farben wechselt und schon am frühen Nachmittag mehr- fach bewiesen hat, dass das Blätterdach über der Terrasse nur bedingt als Regenschutz taugt. Mit jedem Schauer geht es schneller, eine Plane über dem Tisch mit Geschirr und Kaffeekannen auszubreiten und die Kuchen und Torten ins Haus zu tragen. „Är-
gerlich, aber nicht zu ändern“, findet Brigitta Polinna. Zum vier- ten Mal organisiert sie für die Initiative Offene Gärten Berlin-Brandenburg das Aktionswochenende im Böhmischen Dorf.
„Beim ersten Mal war es zum Teil noch schwierig, die Nach- barschaft zum Mitmachen zu bewegen“, erzählt sie. Da habe es reichlich Befürchtungen gegeben, dass durch die Veran- staltung auch ein Publikum angezogen wird, das sich mehr für das Inventar der Häuser als für die Gärten interessieren könnte, um einen weiteren unangemeldeten Besuch zu pla- nen. Oder dass Leute kommen, die sich in den temporär geöffneten privaten Oasen daneben benehmen. „Damit hat es aber noch nie Probleme gegeben“, sagt die Nachfahrin böhmischer Exulanten, die 1975 das Haus ihrer damals verstorbenen
Tante übernahm. „Das Einzige, was ich mal erlebt hab, war, dass ich jemandem das Picknicken in meinem Garten ver- bieten musste.“ Die älteste Schaukel Neuköllns, auf der schon Brigitta Polinna als Kind schaukelte, dürfe jedoch jeder gerne ausprobieren.
Den meisten Leuten, die übrigens meist aus anderen Be- zirken oder aus Brandenburg kämen, gehe es aber einzig darum, von den Hausbesitzern mehr über das frühere und heutige Leben im Böhmischen Dorf zu erfahren und die Idylle der sonst verbor- genen Gärten zu genießen. Entsprechend positiv sei gemeinhin die Resonanz der Nachbarn, wenn sie sich am Ende des Wochenendes zur Auswertungsrunde treffen.
Es ist vor allem die Unterschiedlichkeit der Gärten, die die Besucher fasziniert. Man- che sind kunstvoll gestaltet und voller liebevoll inszenierter Details, in anderen sprießt
es wild-romantisch um denkmalgeschützte Relikte, die von der Entstehungsgeschichte Neuköllns erzählen. Oft zeigen
historische Fotos, wie es hier früher einmal aussah. So auch im einzigen der 10 Gär- ten, der nicht an der Kirch- gasse sondern vis-à-vis vom Museum im Böhmischen Dorf neben dem Comenius-Garten
an der Richardstraße liegt.
„Wenn Neukölln nur diese schöne Seite hätte, würde ich mir glatt überlegen, wieder zurück zu kommen“, gesteht eine Frau, die inzwischen seit vielen Jahren Zehlendorferin ist. „Wenn sie hier wohnen würde, wür- de ich sie auch öfter besuchen“, erwidert ihr Patenkind schmunzelnd. Neukölln sei doch viel cooler, findet die etwa 20-Jährige.
Die verborgenen Hofgärten im Böhmischen Dorf sind heute von 12 bis 18 Uhr nochmals geöffnet. Der Eingangsgarten ist in der Kirchgasse 11, wo auch die Besucherplaketten für 2 Euro pro Person (der Eintritt für Kinder bis 16 Jahr ist frei) erhältlich sind. Das Mitbringen von Hunden ist verboten!
Parallel lädt das Museum im Böhmischen Dorf in der Kirchgasse 5 von 13 bis 16 Uhr mit Sonderöffnungszeiten zum Besuch ein.
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