Hans Erich Kantorowsky war einer von über 160.000 Menschen jüdischen Glaubens, die 1933, als die Nazis die Macht übernahmen, in Berlin lebten. Und er war der Onkel von Lee Angress (M.), der Tochter von Hans‘
acht Jahre jüngerer Schwester Eva. Hans kam 1913 als erstes Kind von Frieda und Dr Georg Kantorowsky zur Welt, 1917 wurde der Vater Rabbiner der Neuköllner Synagoge in der Isarstra- ße. Nur wenige Minuten Fußweg waren es bis zur Wohnung der Familie in der Sonnenallee 68: Hier erinnert seit vorgestern ein Stolperstein an Hans Erich Kantorowsky, der sich schon früh einer kommunis- tischen Widerstandsgruppe angeschlossen hatte, 1933 nach Prag geflohen war, von
dort im April 1943 nach Auschwitz deportiert und am 2. September 1943 ermordet wurde.
Widerstand leistete auch der Boden vor dem Hauseingang, so dass Michael Rohrmann nicht nur die tropischen Temperaturen zusetzten. „Gunter Demnig hätte nur noch in den Ferien Zeit gehabt“, erklärte Neuköllns Stolpersteine-Koordinator Volker Banasiak die Abwesenheit des Kölner Künstlers und Erfinders der kleinen Messing-Mahnmale für Opfer des NS-Regimes. Ein solcher Termin wäre aber un- günstig gewesen, weil es schließlich Schüler des Ernst-Abbe-Gymnasiums gewesen seien, die das Schicksal der Kantorowskys recherchiert und den Stolperstein für den ermordeten Sohn initiiert hatten.
Als Hans Erich Kantorowsky ihre Schule besuchte und hier das Abitur machte, hieß die noch Karl-Marx-Schule; später wurde sie in Kaiser Friedrich-Realgymnasium umbenannt. Aber nicht nur das fanden die Jugendlichen der von Jan Ebert geleiteten Politik/Geschichte-AG heraus. Auch Lee Angress‘ Mutter ging auf die Schule an der Sonnenallee, und Dr. Georg Kantorowsky gab hier bis 1933 jüdischen Religionsunter- richt. Mehr zufällig seien die Schüler bei ihren Recherchen im Archiv auch auf Zeugnisse von Hans‘ Schwester Eva gestoßen, bemerkte Lehrer Ebert (r.), bevor er die laminierten Dokumente der Tochter überreichte, die diese sichtlich be- wegt entgegennahm.
Zwei Wochen mache sie Urlaub in Berlin, wo sie zuletzt kurz vor dem Fall der Mauer 1989 war, erzählte die in San Francisco lebende Amerikanerin. In der Geburtsstadt ihrer Mutter, die so viel mehr Glück gehabt habe als der Bruder: 1940 gelang es Frieda, Georg und Eva Kantorowsky, via Shanghai in die USA zu fliehen, wo ihr Großvater,
der ehemalige Rabbi- ner von Neukölln, erst im Alter von 89 Jahren starb. Sein Sohn war gerade einmal 30, als die Nazis sein Leben auslöschten.
Für Michael Rohrmann, war der Stolperstein für Hans Erich Kantorowsky etwa der vierzigste, den er verlegte. Der 175. ist es, der in Neukölln an Opfer des Nazi-Terrors erinnert.
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