Mehr Dahme- als Spreewasser fließt durch den Neuköllner Schiffahrtskanal – und das seit nun-
mehr 100 Jahren. Die Anlage des von Indus- trieanlagen wie z. B. Gas- anstalt (l.) und Elektrizi- tätswerk gesäumten Ka- nals mit zwei Häfen und
einer Schleuse dazwischen war ein ehrgeiziges und damit teures Projekt, was es bis heute auch geblieben ist. Wir erinnern uns: Knapp 5,5 Millionen Reichsmark wurden bis 1914 für alle Baumaßnahmen des Neuköllner Schiffahrts- kanals ausgegeben; Bauherrin und Eigentümerin war die Stadt Neukölln.
Als deutlich wurde, wie aufwändig sich der Unterhalt gestaltete, wurde der Was- serweg mit seinen Betriebsteilen dem Deutschen Reich angedient. Doch dort lehnte man dankend ab. Selbst als nach dem 2. Weltkrieg, alle Wasserstraßen Berlins unter
die Verwaltung der DDR kamen, blieb einzig der Neuköllner Schiffahrtskanal beim Bezirk. Da der Haushalt für die Beseitigung der kriegsdingten Schäden nur 375 000 Mark vorsah, blieb der Zustand des Kanals beklagenswert. So musste Anfang der 1960er Jahre der stark versandete Kanal tiefer ausgebaggert werden, denn es kam schon vor, dass Schiffe unterhalb der Brücken auf Grund gerieten. An der Loh- mühlen- und der Trep- tower Brücke (r.) waren die zum Teil zerstörten Zugänge aufzubauen. Viele der hölzernen Dal- ben waren verfault und mussten ersetzt, die Uferböschungen stabilisiert werden. Dafür waren 7,5 Millionen D-Mark veranschlagt. Diese Kosten wurden allerdings von der Berliner Senats- verwaltung übernommen, die dann auch 1971 den Bezirk Neukölln gänzlich entlastete und seitdem für Kanal und Schleuse verantwortlich ist. Eine Besonderheit, denn alle anderen Berliner Wasserstraßen der Hauptstadt unterstehen dem Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin,
also dem Bund. Aktuell, teilt die Behörde auf Anfrage mit, würde man jährlich für die Unterhaltungsmaßnahmen wie Ufer- und Gewässerreinigung, Krau- tung,
Sohlräumung und Peilung am Neuköllner Schiffahrtskanal ca. 90.000 Euro aufwenden.
Wiederum einzig ist die historische Schreib- weise dieser Wasserstraße: Über die konnte aufgrund seiner Zuständigkeit das Neuköllner Amt für Planen, Bauord- nung und Vermessung entscheiden, und dort war man bei Einführung der Rechtschreibreform der Ansicht, Neuköllner Schiffahrts- kanal benötige kein drittes f, weil es sich um ein Eigennamen handele.
Ein weiteres Kuriosum war bis zum März dieses Jah- res ein Ersatzsteg neben der Lohmühlenbrücke. Diese war mit dem Mauerbau 1961 nicht mehr benutzbar, weshalb 1962 in 60 Metern Entfernung ein behelfs-
mäßiger Fuß- gängerüberweg geschaffen wurde. Es war eine schlichte mit Holz beplankte Stahlträgerkonstruktion, die monatelang namenlos blieb, aber dann doch am 21. Dezember 1962 feierlich auf den Namen Lohmühlensteg getauft wurde, al- lerdings inoffiziell. Offizieller Name wurde er – genau wie „Kiehlsteg“ – nie, da blieb es bei „Notsteg an der Lohmühlenbrücke“. Durch Gebietsaustausch zwischen den Nachbarbezirken Neukölln und Treptow ging 1988 der Lohmühlenplatz an Neukölln; die Lohmühlenbrücke konnte folglich saniert und ihrer ursprünglichen Funktion zugeführt werden. Damit hätte der Steg über- flüssig sein können. Die Berliner Senatsverwaltung war aber erst ein Vierteljahrhun-
dert später dieser Ansicht, viele Bürger auch dann noch nicht: Trotz ihrer Proteste begann am 19. März der Abriss des Notstegs an der Lohmühlenbrücke.
=kiezkieker=
(Fortsetzung am 26. Mai; Veröffentlichung der Archivbilder mit frdl. Genehmigung vom Museum Neukölln)
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