Das Kreuz mit den Kreuzen: Ja + Ja? Nein + Nein? Ja + Nein? Nein + Ja? Oder doch lieber enthalten?

Das Tempelhofer Feld in Sichtweite, die Einladung zur Podiumsdiskussion von einer Partei, die sich gegen den SPD/CDU-Gesetzentwurf beim Volksentscheid ausge- thf100-buttonsprochen hat: „Für mich ist das heute kein Heimspiel“, ahnte der SPD-Bundes- tagsabgeordnete Dr. Fritz Felgentreu zu Beginn der Veranstaltung, der die Linke Neukölln den Titel „Ja oder Nein zu 100% Tempelhofer Feld?“ gegeben hatte. Er war für die Rolle des Bösen besetzt wor- den, der Bebauung will und das Publikum gegen sich hat; Ruben Lehnert durfte als Repräsentant der Gastgeberin den Guten geben, der den Erhalt des Feldes in seiner jetzigen Form befürwortet und mit dieser Meinung die der meisten vertritt, die ins Café Selig gekommen waren. Er hoffe, sagte Felgentreu (l., neben Moderatorin Judith Ben- tfeld-volksentscheid-diskussion_cafe selig_neuköllnda), trotzdem „auf einen demokratischen Diskurs ohne übertriebene Gehässig- keiten“.

Der Bundestagsabgeordnete selber ging dabei mit gutem Beispiel voran. Und mit diversen Argumenten, die in den letzten Wochen von den 100 % Tempelhofer Feld-Gegnern bereits hinlänglich strapa- ziert wurden: Vom Verkauf und Zubauen des Areals könne nicht die Rede sein, denn es werde sich lediglich um eine Randbebauung der landeseigenen Ressource durch landeseigene Unternehmen handeln. Etwa 1.700 Wohnungen seien für den Bereich am Tempelhofer Damm, rund 1.100 am Südrand und 1.900 an der Neu- köllner Seite entlang der Oderstraße geplant, so Felgentreu:  „Dass niemand Woh- nungsbau in der Nachbarschaft haben will, dafür hab ich menschliches Verständnis, aber das bringt fritz felgentreu_cafe selig_neuköllnuns als Stadtgemeinschaft nicht weiter.“

Berlin, das laut Prognosen bis 2030 um die 250.000 Einwohner mehr haben wird, brauche die Wohnungen, zumal nur Wohnungsbau den Markt entlasten und an den Stellschrauben der Mieterhöhungen drehen könne, so Fritz Felgen- treu. Und Neukölln, prophezeite er, werde den großflächigen Wohnungsbau auf dem Tempel- hofer Feld auch brauchen, um den erwarteten Zuzug von circa 20.000 Menschen innerhalb der nächsten 16 Jahre bewältigen zu können. Durch die Schließung von Baulücken und Dachgeschossausbauten werde der zusätzliche Bedarf jedenfalls nicht zu decken sein. „Tempelhofer Feld für alle“, beendete der Neuköllner Bundespolitiker sein Einstiegsplädoyer, „geht nur mit Be- bauung.“ Schließlich kämen die Steuereinnahmen durch die Vermietung von Gewer- beeinheiten auf dem ehemaligen Flughafengelände dem Gemeinwohl zugute.

„Wir werden alles tun, um gegen das Senatsgesetz, das absolut unsozial ist, zu mobilisieren“, kündigte Ruben Lehnert an. Er jedenfalls habe ob der Tatsache, dass der Gesetzestext eine Privatisierung erlaube, „große Befürchtungen, dass ein großer ruben lehnert_cafe selig_neuköllnTeil des Juwels der Stadt verhökert und ver- ramscht wird“. Bezahlen würden die Sause aber die Berliner Steuerzahler, denn zunächst müsse das Tempelhofer Feld erschlossen wer- den; die Kosten dafür habe ein internes Papier bereits vor drei Jahren mit 400 Millionen Euro beziffert. Dass es dabei bleibt, dürfe jedoch bezweifelt werden. Was Lehnert ebenfalls mit Skepsis sieht, ist nicht nur, ob es überhaupt einen Bedarf für Gewerbeeinheiten auf dem Gelände gibt. „Der rot-schwarze Senat hat bisher nicht eine Sozialwohnung gebaut. Weshalb sollte er das nun auf dem Tempelhofer Feld tun?“, echauffierte sich der Linke-Politiker, der für den Neuköllner Bezirksverband seiner Partei ebenfalls 2013 für podi volksentscheid tfeld_cafe selig neuköllnden Einzug in den Bundestag kandidiert hatte.

Noch mehr empört ihn aber der SPD/CDU-Gesetzent- wurf als solches. Es sei ein Skandal, findet Ruben Lehnert, dass man auf den Wahlunterlagen kaum einen Unterschied zwischen den Kurzfassungen der beiden Optionen erkennen könne, die für die Wähler am 25. Mai zur Auswahl stehen. „Lasst uns dem Senat verdeutlichen, wie Volksdemokratie wirklich aussieht!“, appellierte er und kritisierte damit auch heftigst die bisherige Form der Bürgerbeteiligung, die das große Problem gehabt habe, dass sie „nie ergebnisoffen“ und die Informationspolitik „in- transparent und manipulativ“ gewesen sei bzw. immer noch ist.

Die Flurschäden, die die Landesregierung dadurch in der Bevölkerung verursacht hat, wurden auch Dienstagabend deutlich. Sie hätte im Prinzip kein Problem, wenn Teile des Feldes bebaut würden, äußerte eine Frau, die seit 13 Jahren in Neukölln lebt: schaustelle bürgerbeteiligung_tempelhofer feld_neuköllnWeil ich aber dem Senat misstraue, werde ich gegen seinen Gesetzentwurf stimmen.“ Was denn passieren würde, wenn sich die Mehrheit der Wähler für eine Absage an beide Gesetzentwürfe entscheide, wollte ein Mann wissen. „Dann haben wir den gleichen Zu- stand wie vor dem Volksentscheid und der Masterplan tritt inkraft“, informierte Fritz Fel- gentreu. Es gehe am 25. Mai darum, ein Ge- setz zu beschließen, das alle behördlichen Einrichtungen bindet, verdeutlichte er. „Sollte der Gesetzentwurf der Bürgerinitiative gewinnen, dann tritt das Volk als Gesetz- geber auf.“ Während Ruben Lehnert alles dafür tun will, das zu erreichen, plädiert der SPD-Kontrahent für das Votieren der Möglichkeiten, die das Senatsgesetz impliziert. Er sei zwar ein großer Fan der direkten Demokratie, aber kein Fan von jedem Volks- begehren, räumte Felgentreu ein und mahnte: „Das Volk kann genau so einen Un- sinn beschließen wie die Politik.“

In zehn Tagen, so Moderatorin Judith Benda, bestehe ein Volksentscheid in Berlin erstmals aus zwei Fragen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können. Gesetz werde der Vorschlag, der von der Mehrheit der Abstimmenden befürwortet wird und zugleich ein  Quorum  von  25 Prozent  der  Wahlberechtigten erreicht.

=ensa=

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