Wo immer Susanne Ritter steht oder geht, hält sie nach Gesichtern Ausschau. Besonders Na- sen haben es der in Mainz lebenden Malerin angetan, die erstmals ihre Bilder aus Ei- tempera und Acryl-Lasur in Berlin ausstellt.
Früher, erzählt sie, ha- be sie fast ausschließ- lich von Textilien ver- hüllte Oberkörper ge- malt: Bilder wie das mit der Blindenbinde, das 1973 entstand und nun die Ausstellung „Neue Bildnisse“ in der Galerie im Körnerpark eröffnet, die ansonsten einzig Portraits junger Leute zeigt. „Darauf, Falten zu malen, hab ich keine Lust. Außerdem erzählen alte Ge- sichter zuviel“, begründet Susanne Ritter die Auswahl ihrer Modelle. Pragmatisch ist auch die Akquise: Ansprechen, zur Sitzung ins Atelier einladen und hoffen, dass der oder die Angesprochene auch kommt, um gezeichnet und fotografiert zu werden.
Nur auf ein Foto würde sich Susanne Ritter nicht verlassen wolle. „Die Fotografie wird Menschen nicht gerecht“, ist sie überzeugt. Im Grunde fotografiert sie nur zu- sätzlich, um eine bleibende Erinnerung als Arbeitsvorlage zu haben: „Das Modell will
ich erst wiedersehen, wenn es zu ’nem Wein kommt und sich das fertige Bild an- guckt.“ Viel wissen will Ritter über die Portraitierten auch nicht: Das wäre schädlich für die Arbeit, findet sie.
Erst mit über 40 hat die inzwischen fast 70-Jährige das Zeichnen vom Modell bei Prof. Werner Tübke gelernt. Der riet ihr „Nu werden Se mal demütig!“ und brachte ihr nicht nur bei, wie Menschen mit warmem Blick beobachtet und malerisch wiedererfunden werden. „Jede Ausbildung“, meint die Mainzerin, „führt zur Befreiung und bedeutet die
Chance, früh mit Kritik konfrontiert zu werden.“ Susanne Ritter beginnt immer mit dem linken Auge, dem folgen das rechte und der Mund: „Die Nase muss dazwischen passen.“ Für die weitere Arbeit rastert sie die Leinwand in kleine Kästchen und malt diese aus. Eine besondere Herausforderung sei stets der Umgrund. Oft würde sie eine andere Farbe wollen, aber dann ergebe sich aus dem malerischen Prozess eine Farbnotwendigekeit, die man nicht er- klären könne. Sie versucht es trotzdem: Die Umgrundfarbe setze den Menschen fort.
„Am liebsten“, gesteht Susanne Ritter, „würde ich nur Profilbilder malen.“ Die Per- spektive und der dem Betrachter abge- wandte Blick reizt sie. „Das Problem ist eben, dass zum Profil eine gute Nase gehört, und die hat nicht jeder.“ Welche Reaktionen es denn von den Portraitierten gebe, fragt jemand bei der Vernissage. Sie habe alles erlebt – von Begeisterung bis hin zum Impuls, sich eine neue Haarfarbe und Frisur zuzulegen und das Bild zu kaufen, um es zu vernichten, gesteht die Künstlerin grinsend. Zwei Monate benötigt sie in etwa für ein Werk.
Ein Bild habe Susanne Ritter extra für die Ausstellung in der Galerie im Körnerpark gemalt, informiert Dr. Ka- tharina Bielern (r.), Neuköllns Kulturamtsleiterin. Aber ei- gentlich könnten alle Portraitierten aus Neukölln sein, findet sie. Deshalb passe die Ausstellung auch so gut hier her.
Die Ausstellung „Neue Bildnisse“ mit Werken von Susanne Ritter wird noch bis zum 4. Mai in der Galerie im Körnerpark gezeigt (Öffnungszeiten: Di. – So. 10 – 18 Uhr, ab April bis 20 Uhr).
=ensa=
Filed under: berlin, neukölln | Tagged: dr. katharina bieler (kulturamt neukölln), galerie im körnerpark, kaspar könig, neukölln, prof. werner tübke, susanne ritter |