Jetzt gilt’s, nach der Kür kommt nun die Pflicht: Die giftgrünen, wetterfesten Jacken, die Klemmbretter und 130.000 Unterschriftenlisten liegen bereit. „Bei der ersten Stufe des Volksbegehrens haben wir in einer Rekordzeit von sechs Wochen 28.000 gültige
Unterschriften gesam- melt“, erinnert Felix Her- zog. „Nun, beim eigent- lichen Volksbegehren“, so der Vorsitzende der Initiative 100 % Tempelhofer Feld e. V., „brauchen wir 174.000, wollen aber bis zum Stichtag 13. Januar 2014 mindestens 200.000 haben.“ Nur wenn diese „relativ große Hürde“ ge- nommen wird, komme es – parallel zur Europawahl im Mai nächsten Jahres – zum Volksentscheid.
Auf etwa 1.000 Unterstützer, die in ihren eigenen Kreisen, in der ganzen Stadt wie auch auf dem Tempelhofer Feld selber nach Befürwortern der Nicht-Bebauung suchen, hofft die Initiative in dieser viermonatigen heißen Phase setzen zu können. „Unterschriften für das Volksbegehren können aber auch in allen Berliner Bürger- ämtern abgegeben werden.“ Zudem würden die Listen in zahlreichen Läden und Cafés ausliegen, ergänzt Felix Herzog.
Dass zwei Tage vor dem Start des Volks-begehrens die Pläne einer Kooperation zwischen Berlins Senat und drei Woh- nungsbaugesellschaften vorgestellt wur- den, kippt neues Wasser auf die Mühlen der Initiative. Denn die über 1.500 Woh- nungen, die entlang des Tempelhofer Damms entstehen sollen, sind nur der Anfang von der Umsetzung des Master- plans. An dessen Ende steht, dass von der derzeit 355 Hektar großen Grünfläche mehr als ein Drittel versiegelt ist. Viele Freizeitaktivitäten, die sich seit der Ein- stellung des Flugbetriebs auf dem Areal etabliert haben, wären nach der ge- planten Randbebauung nicht mehr möglich, prognostiziert THF100-Pressesprecher Julius Dahms. Das Wichtigste aber sei, dass das Feld in seiner Einzigartigkeit zerstört wäre. Und genau das will die Initiative nicht zulassen.
Zweifellos, räumt Dahms ein, brauche Berlin Wohnungen. Was die Stadt nach sei- nem Dafürhalten aber noch dringender braucht, sind „andere Prämissen, um neuen Wohnraum zu schaffen“. Wenn vorhandene Gebäude besser genutzt würden und zugunsten des Wohnungsbaus z. B. die Ansiedlung von Discountern auf großflä- chigen Grundstücken im Stadtzentrum verhindert würde, wäre schon manches gewonnen. Daran, dass auf dem Tempelhofer Feld die mittels Quersubventionierung angekündigte sozialverträgliche Bebauung mit einem Mix aus günstigen und höheren Mieten entsteht, haben die Initiatoren des Volksbegehrens erhebliche Zweifel. „Das ist doch alles Propaganda, die dem Wahl- kampf geschuldet ist“, meint Christiane Bon- gartz. Dass seitens des Senats totgeschwie- gen wird, dass im Stadtgebiet bereits sechs Bebauungspläne für allgemeine Wohnbe-bauung mit einer Gesamtfläche von knapp 85 Hektar laufen, sieht die Vertrauensfrau des Volksbegehrens als weiteres Indiz für ihre These.
Ebenso unnötig wie der Wohnungsbau auf dem Tempelhofer Feld ist laut Christiane Bongartz der Bau des Wasserbeckens nahe dem Vorfeld des ehemaligen Flughafens. Das Geld, das ins Anlegen des 3 Hektar großen Bassins gesteckt wird, meint sie, solle lieber in eine Optimierung des Regenwassersammelbeckens an der Lilienthalstraße gesteckt werden. Doch das würde schließlich keine Aufwertung des Feldes bedeuten. Nicht vergessen dürfe man aber die ökologischen Folgen dieser Baumaßnahme: „Der Erdaushub wird, wie früher beim Festungsbau, an anderer Stelle wieder eingebracht.“ Zwischen den bei- den Landebahnen werde ein bis zu 3,75 Meter hoher Wegedamm aufgeschüttet, der mitten durch eine Kaltluftsenke und das Brutgebiet der Feldlerchen verläuft. „76 Lerchenreviere sind davon betrof- fen und müssen umgesiedelt wer- den.“
Sie fordere einen „Planungsstopp und das Aussetzen des bevorstehenden Baus eines Wasserbeckens und der Landform, so lange nicht alle Berlinerinnen und Berliner über die Zukunft des Tempelhofer Feldes entschieden haben“, hält die THF100-Initiative fest. Bei der Frage, was denn 100 % Tempelhofer Feld zu bedeuten habe, wurden die Protagonisten bei der Pressekonferenz zum Start des Volks- begehrens etwas schwammiger respektive technokratischer: „Das Volksbegehren richtet sich nicht gegen eine Bebauung, sondern setzt sich für den Erhalt des Tempelhofer Felds ein“, merkte Christiane Bongartz an. Das Gelände solle durchaus entwickelt werden, ergänzte Julius Dahms. Gegen Bänke, Bäume als Schattenspen- der und andere Annehmlichkeiten sei niemand. Aber es solle eine behutsame Entwicklung unter Beibehaltung des Charakters des Feldes sein, die mit Bürger- beteiligung durchgeführt wird. Es sei nötig, den Politikern genauer auf die Finger zu gucken, so Dahms weiter, „und dabei verstehen wir uns als Katalysator für die Ber- linerinnen und Berliner.“
Viele von ihnen nahmen gestern an den beiden Demonstrationszügen über das Tempelhofer Feld teil. Einige tausend Unterschriften seien schon zusammen, verkünden die Veranstalter. Am Ende werden es nur die der wahlberechtigten Berliner sein, die zählen.
=ensa=
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Frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Entwicklung der Tempelhofer Freiheit
24.09.13, Pressemitteilung der Tempelhof Projekt GmbH, Grün Berlin GmbH und Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt
Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt und die Tempelhof Projekt GmbH laden zur Ausstellung und Informationsveranstaltung ein.
http://www.stadtentwicklung.berlin.de/aktuell/pressebox/archiv_volltext.shtml?arch_1309/nachricht5072.html
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