Über seinem Wipfel ist Ruh‘ …

Baum_Umgestaltung VHS-Vorplatz_Neukölln…unter seinem Wipfel ist das selten der Fall. Er, das ist der Straßenbaum vor dem Grundstück Boddinstraße 34. Seinen Schatten wirft er an sonnigen Tagen auf den Vorplatz des „Bezirksamts Neukölln von Berlin Abteilung Volksbildung“, wie über der Eingangstür zu lesen ist – noch, denn das soll sich ändern. Und nicht nur der Name wird geändert, nein, der gesamte Eingangs- bereich (außen wie innen) soll neu gestaltet werden. Er Eingangsbereich 800ist ja zurzeit auch nicht gerade ein Schmuckstück: Wild abgestellte Fahrrä- der, Hinweisschilder verschiedenster Grö- ßen und Inhalte, ver- ranzte Abfallbehälter, ein verwahrlostes Hochbeet, daneben ein Relikt vom sogenannten Tiergartengitter prägen das Bild.

Thomas Helfen QM Flughafenstraße_Umgestaltung VHS-Vorplatz_NeuköllnZurück zum Baum. Auch vorgestern Nachmittag wirft er seinen Schatten, und zwar auf etwa zwei Dutzend Men- schen, die sich unter ihm eingefunden haben, um sich über genau diese Neugestaltung informieren zu lassen. „Dass die einzelnen Sachen ganz konkret vor Ort erläutert und besprochen werden können“, freut sich Thomas Helfen vom Quartiersmanagement (QM) Flughafenstraße, „ist eine einmalige Situation. Denn sonst säße man in einem geschlossenen Raum, schaue sich den Plan an und hätte gar nicht vor Augen, wie es in natura aussehe.“ Er sagt weiter, dass von Seiten des Bezirksamtes und des QM diese zentrale Bildungseinrichtung für besonders wichtig erachtet wird, sie aber in diesem Stadtteil nicht richtig wahrgenommen werde. Das solle geändert werden und so seien zwei unter- schiedliche Förderprogramme zusammen gekommen, das Programm Aktionsraum plus mit einer relativ großen Summe für das Gebäude selbst. Als kleinere Landschaftsarchitektin Teichmann_Umgestaltung VHS-Vorplatz_NeuköllnMaßnahme solle der Vorplatzbereich für Passanten, An- wohner und Nutzer der Einrichtung attraktiver gestaltet werden. Hierfür gebe es 60.000 Euro aus dem Bund-Länder-EU-Programm Soziale Stadt, erwähnt  er, bevor er das Wort an die Landschaftsarchitektin Birgit Teichmann weitergibt. Sie be- ginnt mit großem Elan und beredter Körpersprache ihre Ausführungen anhand einer Schautafel. Im Einzelnen, erklärt sie, sollen das  Hochbeet verschwinden, der  freie Zugang des Gehweges erhalten bleiben und ein  Sitz- und Ruheplatz entstehen. Auf dem erweiterten Raum soll Platz sein für acht Fahrradbügel, der Wurzelbereich des vorhandenen Straßen- baums durch eine 3 x 3 Meter Baumscheibe besonders geschützt werden, und es soll eine erweiterte Aufenthalts- zone entstehen. Diese wünschten sich die Umstehenden schon jetzt, da sie während

skizze vhs-vorplatz_neukölln

der Ausführungen ständig entweder Kinderwagen, unverfroren den Gehweg miss- brauchenden Radfahrern und auch schon mal pöbelnden Passanten den Weg frei machen müssen. Die Ausstattung, so ist von Birgit Teichmann zu hören, bestehe neben den Fahrradständern aus Abfallbhältern, Pollern zur Abgrenzung zwischen Straßenraum und Gehwegbereich und der bereits beschriebenen Baumscheibe. Ferner sei vorgesehen, im Rahmen von Beteiligungsprojekten mit der Volkshoch- schule und den Bürgern ein Sitzelement sowie eine Skulptur gemeinsam zu gestalten. Diese Skulptur soll bereits von der Hermannstraße her zu sehen sein und auf die Bedeutung dieser Adresse hinweisen. Ausführlich schildert sie die getroffenen Vereinbarungen mit dem Tiefbauamt über Straßenhochborde, Gehweg- absenkungen und Pflasterarten, wobei sowohl die vorhandenen Granitplatten als Interesse - 800auch das Großstein- und Bernburger Mosaik- pflaster wiederverwendet sollen.

Dann eröffnet Birgit Teichmann die Fragerunde und trifft auf recht emotional geäußerte Fragen und Argumente. Wie schon bei einer vorherigen Veranstaltung scheint die Frage nach einer Teilnehmer Info-VA_Umgestaltung VHS-Vorplatz_NeuköllnParkplatzlö- sung für die PKW der Besucher der Bildungseinrichtung, der Mitarbeiter und insbesondere der Anwoh- ner die gravierendste zu sein, zumal durch die Vorplatzerweiterung vier bis fünf – im Verlauf der Diskussion werden es auch schon mal sieben – Parkmöglichkeiten wegfallen. Eine alle befriedi- gende Antwort kann es nicht geben und gibt es auch nicht. Eher wird der Unmut deutlicher. Auch seien die acht vorgesehenen Kreuzberger Bügel für Fahrräder völlig Bernd R. Müller VHS_Umgestaltung VHS-Vorplatz_Neuköllnunzureichend.

Bernd R. Müller, Direktor der Volkshochschule Neu- kölln, schaltet sich immer wieder einmal ein, um die Wogen zu glätten und Sachverhalte zu erklären. Warum denn der zum Grundstück gehörende Parkplatz mit vorhandenen Fahrrad-Abstellmög- lichkeiten durch ein abgeschlossenes Tor unzu- gänglich sei, wird er daraufhin gefragt. Die Antwort ist, dass sonst wie in der Vergangenheit erlebt, dort illegal Müll abgeladen wird. Eine Anwohnerin schildert ihre Angst, dass Sitzgelegenheiten miss- liebige Zeitgenossen zum sich Zusammenrotten einladen. Als Birgit Teichmann daraufhin äußert, dass das Sitzmöbel deshalb so gestaltet werden sollte, dass man mit dem Rücken zueinander sitzt, merkt man ihr die Enttäuschung an, dass ihre anfangs gezeigte Begeisterung so wenig geteilt wird. Heftig wird dann darüber diskutiert, in wieweit Kinder künftig gefahrloser von und zum Haus gelangen können, wartende Geschwister den benachbarten Spielplatz Birgit Teichmann_Straße_Umgestaltung VHS-Vorplatz_Neuköllnbesuchen sollten, ob Fahrräder durch die Zwischenräume parkender Autos geschoben werden können und Ähnliches.

Autos, wird deutlich, spielen immer wieder in den Beiträgen eine gewichtige Rolle. Auf die Frage nach dem Beginn der für die Neu- gestaltung erforderlichen Arbeiten, wird der September d. J. genannt. Dann nämlich werden – sozusagen als Vorarbeiten – die Wasserbetriebe das Problem des Nieder- schlagswassersablaufs in der recht ab- schüssigen Boddinstraße durch bauliche Maßnahmen beheben. Insgesamt werden alle Arbeiten noch im November abgeschlossen sein. Nun kippt die Stimmung gänzlich, weil einige Anwohner, den Sinn dieser Informationsveranstaltung jetzt erst als solche zu begreifen scheinen. Sie waren offenbar davon ausgegangen, dass hier und heute Bürgerbeteiligung gefragt sei. Diese Phase war jedoch bereits im Oktober 2012 durchlaufen worden und die damals eingebrachten Bedenken, z. B. die Sicherheit betreffend, seien berücksichtigt worden. Dennoch hören sich Einige interessiert die sich anschließenden Aus- führungen von Bernd Müller an. Er schwärmt von der Entwicklung, die diese Einrichtung hinsichtlich der Anzahl der Bildungsangebote in den letzten Jahren Treppenhaus_Umgestaltung VHS-Vorplatz_Neuköllngenommen hat. Demgegenüber bestünde zurzeit außerhalb der Unterrichtsräume wenig Aufenthaltsqualität im Inneren des Gebäudes. Das solle nun geändert wer- den. Hier soll jeder herkommen und sich eingeladen fühlen, der Fragen zur Schule hat, zur Musikschule oder zur Volkshoch- schule will, um die Bildungsangebote in Anspruch zu nehmen. Er berichtet von den weitergehenden Maßnahmen, die das Bauwerk selbst betreffen. Mit der Eingangsveränderung wird mit selbstöffnenden Türen ein barrierefreier Zugang ermöglicht. Der natürliche Windfang wird genutzt, es wird ein attraktiver Wartebereich geschaffen werden. Und es wird ein Informations- und Leitsystem für die Orientierung im Gebäude geben. Auch außen wird das „Haus der Bildung“ deutlicher als bisher auf sich und seine Angebote aufmerksam machen.

Als dann auch Bernd Müller erneut in die Parkplatzdiskussion gedrängt wird, ergreift Thomas Helfen die Initiative und beendet die Veranstaltung. Während dieser Stunde hat unser Straßenbaum das Treiben unter seinem Wipfel miterlebt. Ein Blick in seine Krone zeigt, dass sie sich im Winde bewegt. Es ist nicht auszumachen, ob das als zustimmendes Nicken oder verständnisloses Kopfschütteln gewertet werden soll.

=kiezkieker=

Eine Antwort

  1. Es kommt ja immer mal vor, dass Gelder am eigentlichen Verwendungszweck vorbei ausgegeben werden, aber so vorbei wie im Fall Boddinstraße ist dann doch eher selten. Aus Geldern,die – wie im Programm Aplus -für besondere notleidende und unterprivilegierte Kinder und Quartiere vorgesehen sind (es ist ein etwas merkwürdiges Programm und soll da eingesetzt werden, wie Quartiersmanagements nicht zuständig sind), Verwaltungsgebäude wie das in der Boddinstraße zu „verschönern“ (was seit vielen Jahren erfoglos versucht wird) und bürgerfeindliche Parkplatzsituationen zu untermauern ist doch dann extrem merkwürdig. VHS und Musikschule attraktiver machen – das wäre gut, aber doch eher über Inhalte als über Wartebereiche.

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