„Fritz Felgentreu bringt Neukölln in den Bundes- tag.“ So steht es auf seinem Fritzmobil – neben dem Konterfrei des SPD-Kandidaten und über der Aufforderung, am 22. September die Sozial- demokraten zu wählen. Dieser Tage startete der Neuköllner SPD-Kreisverband mit der Dis- kussion eines heißen Themas in die heiße Phase des Wahlkampfs: #reclaimyourdata – Konsequenzen aus dem NSA-Skandal und Im- pulse für eine gute Netzpolitik stand über der Veranstaltung, die von Dr. Fritz Felgentreu unter dem Dach des Agora Collectives eröffnet
wur- de. Er habe Respekt vor dem, was Ed- ward Snowden getan hat, stellte der SPD- Kreisvorsitzende fest und appellierte, den Mut und die Zivilcourage des Whistleblowers zu würdigen. Aus der von seinem Veranstaltungskoordinator Simon Hennke moderierten Diskussion im bestens besuchten Mehr- zweckraum, in dem zuvor Yoga-Matten gegen Stühle ausgetauscht werden mussten, hielt Felgentreu (l.) sich raus. Die überließ er den Experten auf dem Podium: Yannick Haan, Sprecher des Forums Netzpolitik der Berliner SPD, Gesche Joost, die seit 2006 zum Kom- petenzteam des nun als SPD-Kanzlerkandidat aufgestell- ten Peer Steinbrück gehört, und Tilo Jung, Chefredakteur des Youtube-Kanals „Jung & Naiv“.
Die Tragweite dessen, was Snowden nun enthüllt hat, sei nie real gewesen, konstatierte Gesche Joost: „Ein wahnsinniges Szenario tut sich jetzt auf, das das positive Bild des Internets komplett erschüttert hat.“ Deutschland, forderte die For- scherin der Mensch-Maschine-Interaktion, müsse sich Verbündete suchen, um mit einer europäischen Stimme gegen die netzpolitischen Machenschaften der USA vorzugehen. Dem widersprach Yannick Haan (l.) nicht, seine Kritik setzt jedoch schon auf der tieferen, parteiinternen Ebene an: „Mir fehlen auch politische Forderungen seitens der SPD.“ Die Schwierigkeit sei allerdings, dass es unter den Genossen ob höchst unterschiedlicher Mediennut- zung und -kompetenz gar kein ge- schlossenes Problembewusstsein gebe, was sich auch in den kontro- versen Standpunkten zum Thema Vor- ratsdatenspeicherung (VDS) wider- gespiegelt habe. Netzpolitik sei der- zeit eine frustrierende Angelegen- heit, bekannte Haan. „Das Bedenklichste ist, dass die Bevölkerung das Ausmaß des Skandals überhaupt nicht begriffen hat. Sie muss kapieren, dass NSA und PRISM schlimmer als die Stasi sind, und die SPD steckt wie alle anderen Parteien dahinter“, warf Tilo Jung (r.) frei von parteilichen Gängelbändern in die Runde. „Dieses Ich-hab-ja-nichts-zu-verbergen-Gerede ist Bullshit“, empörte er sich. Das Verhalten der Bundesregierung sei eine Kapitulationserklärung und die BND-Zentrale sollte man einnehmen, fand er: „Wir brauchen keine Geheimdienste, gerade jetzt nicht mehr.“ Eine weltweite digitale Gauck-Behörde sei sinnvoller – und eine strafrechtliche Verfolgung aller an der Überwachung Beteiligten nötig.
Es war eine engagierte Diskussion, die noch gewann, als das Publikum beteiligt wurde und die wahlkämpferischen Ambitionen in den Hintergrund schob. Wie kriegen wir die Daten zurück, die gesammelt wurden und werden? Da können wir nichts machen. Wie mache ich meinen digitalen Maschendrahtzaun undurchlässig? „Das geht gar nicht“, musste Yannick Haan zugeben. Und Tilo Jung ergänzte, dass man davon ausgehen sollte, dass verschlüsselte Daten besonders lange und bis sie dekodiert werden können, gespeichert würden. Auf den kaum von der Hand zu weisenden Zusam-menhang zwischen Netz- und Sicherheitspolitik wies ein Zuhörer hin: „Wir sollten uns einmal fragen“, gab er zu bedenken, „wie wir in die Abhängigkeit der USA gekommen sind, die das Thema Sicherheits- politik federführend übernommen haben.“ Deutschland könne froh sein, fand Jung, zu den Freunden der Amerikaner zu gehören. Bei den Feinden fielen die Konsequenzen krasser aus. Dass einem Daten geklaut wurden, könne man vielleicht erst in Jahren bei der Einreise in die USA feststellen.
„Wir brauchen eine Regierung, die das Postgeheimnis durchsetzen kann – und will!“, erklärte Fritz Felgentreu. Falls die SPD am 22. September von den Wählern die Lizenz zum (Mit-)Regieren bekommen sollte, will Gesche Joost Internet-Ministerin werden. Ihre erste Amtshandlung werde dann das Kippen der Vorratsdatenspei- cherung sein.
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