Und jetzt? Das fragen sich wohl viele, die aus der Ausstellung „Das Ende der Idylle?“ kommen und nun vor dem Museum Neu-
kölln stehen. Wer sich den 400-seiti- gen Katalog zur Ausstellung zuge- legt hat, will viel- leicht umgehend in dem schmökern, um die noch frischen Eindrücke vom Wandel, der in der Britzer Großsiedlung mit der Machtübernahme der Nazis einherging, zu vertiefen. Andere werden eher das Bedürfnis verspüren, sich sofort in der Hufeisen- und Krugpfuhlsiedlung umzusehen, um
Spuren der Vergangenheit in der Gegen- wart zu suchen.
Dieses Anliegen hatte auch der Workshop „Geteilte Erinnerungen“, der – angeleitet von der Museumspädagogin und Ethnolo- gin Barbara Lenz (l.) und der Künstlerin Roos Versteeg (r.) – im letzten Jahr parallel zur Vorbereitung der Ausstellung stattfand: Ein halbes Jahr lang trafen sich Anwohner der Britzer Siedlung, die das NS-Regime zum Teil noch selber miterlebt haben, und an Regionalgeschichte interessierte Neuköllner, um gemeinsam Exkursionen durch die lokale und globale Historie zu
unternehmen und Erinnerungen auszutauschen. „Ziel war von Anfang an, als Projekt- ergebnis einen Hörspaziergang durch die Hufeisensiedlung anbieten zu können“, erklärt Barbara Lenz. „Deshalb war die Untersuchung des historischen Erbes natürlich der Schwerpunkt innerhalb der Gruppe.“ Ebenso wichtig wie die Erinne- rungen von Britzer Zeitzeugen seien jedoch die familienhistorischen Erfahrungen gewesen, die die Biografien nach Neukölln eingewanderter Migran- ten prägen. Was wissen wir schon über die? „Den Blick auch auf den Kontext des historischen Erbes Deutschlands und die Realität als Einwanderungs- land zu lenken“, so Barbara Lenz, „war deshalb ein zweiter
Schwerpunkt.“
Alte Wege gehen, neue Wege sehen lautet das Motto des so entstandenen Audiowalks, der – trotz der Route durch ein gestalterisches Vorzeigeprojekt des Siedlungsbaus – mit einem klassischen Architekturspaziergang reinweg gar nichts zu tun hat. „Es ist eine Hör-Collage, die die Geschichte der Hufeisensiedlung als roten Faden hat und den Workshop widerspiegelt“, verdeutlicht Roos Versteeg. 16 Stationen markieren den Weg, der von sieben Personen akustisch begleitet wird, die authentische Einblicke in Gegenwart und Vergangenheit, Gedankenwelten und Lebenswege geben und die Zuhörer zum Hinterfragen von Identität und Zugehörigkeit einladen. Durch das Einflechten von Familienbiografien, deren Wurzeln in Brasilien, Ruanda, Bosnien und der Türkei liegen, ist es dabei gelungen, die Dominanz der deutschen Historie aufzubrechen und Geschichte aus unterschiedlichsten Perspektiven zu erfahren.
Und jetzt? Wer – in Verbindung mit der Ausstellung „Das Ende der Idylle?“ oder völlig unabhängig davon – die Hufeisen-siedlung erkunden möchte, muss nicht mehr darauf setzen, zufällig Zeitzeugen vor Ort zu treffen, sondern kann sich ihre Stimmen als Wegbegleiter mieten.
MP3-Player für den Hörspaziergang können kostenlos im Museum Neu- kölln (Di. – So. 10 – 18 Uhr) und in der Info-Station Hufeisensiedlung (Fr. + So. 14 – 18 Uhr; ab Oktober: 13 – 17 Uhr) ausgeliehen werden. Als Pfand ist der Personalausweis, Reisepass oder Führerschein zu hinterlegen.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit des Audiowalk-Downloads sowie eines Wegeplans auf Smartphones, Tablets oder einen eigenen MP3-Player.
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