Die Orientierung auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Berlin-Tempelhof ist nicht leicht. Ortsangaben mit Begriffen wie Hangar, Tor, Eingang, Gebäudeteil und Aufgang treiben manchen Besucher an den Rand der Verzweiflung. „Das Leitsystem müssen wir dringend verbessern“, stellte so kürzlich auch Martin Pallgen, Presse- sprecher der Tempelhof Projekt GmbH, fest. Vergleichsweise leicht zu finden ist dagegen das ehemalige Offiziershotel – wenn man es nicht auf den Plänen sucht,
die auf dem Areal stehen. Denn dort heißt es nur Bau- teil H2rd.
An den Ostertagen wird es in dem Trakt am Platz der Luftbrücke noch einmal richtig voll werden. Dann nämlich bietet sich die letzte Gelegenheit, das Gebäude vor seiner bevorstehenden Sanierung und dem Umbau zu einem Kreativzentrum zu besichtigen. Es ist das zweite Mal, dass es neu gestaltet wird, um den Be- dürfnissen einer veränderten Nutzung zu genügen.
„1935“, erklärt Birgit Ohström, „haben die Nazis mit der Errichtung des größten Baudenkmals Europas begonnen. Aber ganz fertig geworden sind sie nie, weil das Tau- sendjährige Reich eben früher als von ihnen geplant zu Ende gegangen ist.“ Von außen sah und sehe seitdem alles ganz wunderbar aus, sagt die Stadtführerin, „aber das war’s dann auch schon.“ 1938 zog die Hauptverwaltung der Lufthansa in das Gebäude. 1950 wurde mit dem Wiederaufbau des im Krieg weit- gehend ausgebrannten Anwesens für die US Air Force begonnen, die es in Columbia House umbenannte, hier ihren Officers‘ Club und ein Offizierskasino einrichtete und die vorherigen Büros in den Obergeschossen zu Offiziers-unterkünften umgestalten ließ.
Was einen dort erwartet, lässt sich im Erdgeschoss noch nicht erahnen: Der Empfangsbereich wirkt seit seiner Komplettrenovierung vor 26 Jahren edel-funktional; das riesige ehemalige Restaurant mit dem abgewetzten blauen Velours und angestaubten verspiegelten Wand- elementen versprüht Retro-Prunk. Es riecht, als wären die Fenster und Tü- ren zur angrenzenden Terrasse seit Jahren nicht mehr geöffnet gewesen.
Als Restaurant solle es auch künftig wieder genutzt werden, informiert Bir- git Ohström. Denn der Umbau des denkmalgeschützten, viergeschossi- gen Gebäudeteils verfolge nicht nur das Ziel, jungen und arrivierten Kreativen Büros und Ateliers anzubieten. „Zur Planung gehören auch öffentliche Bereiche mit Konferenz- und Veranstaltungssälen, eben dem Restaurant und einem Besucherzentrum mit Café.“ Ideen, das einstige Hotel wieder als Hotel in Betrieb zu nehmen, seien verworfen worden. Aus einleuch- tenden Gründen, wie sich später zeigt.
Durch das weitgehend original erhaltene Treppen- haus geht es hinauf in die 1. Etage. Birgit Ohström weist auf das Treppengeländer hin, das sich vom Keller bis unters Dach zieht: „Es ist komplett aus Aluminium.“ So wie er nach Plänen von Ernst Sage- biel, einem der bedeutendsten Architekten der NS-Zeit, gebaut wurde, ist auch der Eichensaal erhalten. Über zwei Stockwerke reicht der mit düs- terem Eichenholz vertäfelte Raum, der zudem auf Schritt und Tritt durch Eichenblatt-Ornamente daran erinnert, weshalb er heißt, wie er heißt. Eine eingebaute Leinwand
machte den rund 6 Meter hohen Saal zum Konferenz- und Vortragsraum der Luft- hansa – und ein Wasserschaden in der darüber liegenden Etage große Teile des Eichenparketts kaputt.
In den einstigen Büros und späteren Hotelzimmern für durchreisende Offiziere der US Air Force ist es eine Mischung aus Verfall und amerikanischen innenarchi-tektonischen Vorlieben, die ihnen zugesetzt hat. Ram- ponierte, schwere Stores hängen vor milchigen Fenstern, die begonnene Beseitigung der Teppiche förderte edlen Parkettboden zutage, die Wände und Decken sind so vergilbt wie die Heizkörper und Fensterrahmen, farblich dominieren Schlamm- und Brauntöne, die Bäder haben die Zeit, in der sie als modern galten, lange hinter sich. „Nach heutigen Maßstäben sind die Räume viel zu klein, um sie in einer gehoben Kategorie als Hotelzimmer vermieten zu können“, stellt Birgit Ohström fest und führt in
die ehemalige Offizierssuite am Ende des schier unendlichen Flurs. Dass sich privilegiert fühlen konnte, wer einst in den drei Zimmern wohnen durfte, wird noch heute deutlich. Obwohl auch diesen Gemächern nicht mehr als morbider Charme geblieben ist.
Nach dem denkmalschutzgerechten Umbau wird von dem nichts mehr zu sehen. Wo nun historische Spuren durch fast acht Jahrzehnte führen, wird dann alles hell, freundlich und topmodern sein. „Es ist an der Zeit, dass aus diesem spannenden, immer mehr verfallenden Gebäude endlich was ge- macht wird“, findet Birgit Ohström. Man kann nicht anders als ihr recht zu geben.
Am 31. März und 1. April werden letztmalig vor der Sanierung und dem Umbau des Gebäudes Führungen durch das frühere Offiziershotel angeboten. Tickets kosten 10 Euro (erm. 6 Euro); eine Anmeldung ist ratsam.
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