Neuköllner Osterprozession im Schnee: misslungenes Zusammenspiel von Tradition und Aktualität

herrnhuter brüdergemeine_kirchgasse_neuköllnOstersonntag in Neukölln. Es ist kurz nach 7. Auf den Straßen sind über- wiegend Taxen, BVG-Busse und die Firmenwagen ambulanter Pflege-dienste unterwegs. Die Bürgersteige gehören fast ausschließlich Gassi-gängern und Leuten, denen das Schlafen nach durchfeierter Nacht noch bevorsteht.

Eine entschieden andere Art Leben regt sich in der Kirchgasse im Böh- 1_osterprozession herrnhuter brüdergemeine_neuköllnmischen Dorf: Gesang dringt aus dem Betsaal der Herrnhuter Brüdergemeine. So wie an jedem Oster- sonntag wird die Gemeinde danach – angeführt vom Bläserchorzum Böhmischen Gottesacker ziehen. Niemand kann sich daran erinnern, es je- mals bei einem Wetter wie diesem getan zu haben: Aus leichtem Schneegriesel sind inzwischen nasse, posaune_osterprozession neuköllnwirbelnde Flocken ge- worden. Manches Gemeindemitglied, das nicht mehr gut zu Fuß ist, verzichtet schweren Herzens auf die Teil- nahme an der Osterprozession. Seit 1754 findet die regelmäßig statt und zählt damit zu den ältesten Tra- ditionen, die in Berlin gepflegt werden. An der Liturgie der Feier hat sich seitdem kaum etwas geändert: Man versammelt sich schweigend, begrüßt sich lediglich mit Blicken und Gesten und verschiebt Osterwünsche und Gespräche auf später. Auch die Route ist seit jeher dieselbe. In der Kirchgasse geht es – vorbei am Denkmal des Preußenkönigs – bis zur Richardstraße, in der bis zum Richardplatz und von dem biegt die Prozession links in die Kirchhofstraße ab, wo sie

2_osterprozession_kirchgasse_neukölln3_osterprozession_richardplatz_neukölln4_osterprozession_bläserchor_richardplatz_neukölln

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ihr Ziel erreicht: den Böhmischen Gottes- acker, wo seit 1751 die Verstorbenen der Ge- meinde beerdigt wer- den.

Der Friedhof liegt unter einer dichten Schneedecke. Wenn die Bläser nicht gerade spielen, wärmen sie gemeinde_osterprozession_böhmischer gottesacker_neuköllnihre Hände und wischen die wei- ßen Flocken von ihren Instrumenten. Die Notenblätter stecken in Laminierfolien. Dass richtig gespielte Stücke bläserchor_osterprozession neukölln_böhmischer gottesackertrotzdem zu- weilen etwas schräg klin- gen, liegt an der Kälte. Die kommt den Bläsern ebenso unge- legen wie der Gemeinde samt Pfarrer Günther gemeinde_böhmischer gottesacker_osterprozession neuköllnKreusel. Eine knappe Vier- telstunde dauert die Zeremonie, bei der auch der seit dem letzten Osterfest Verstorbenen ge- dacht wird. Dann bittet Kreusel die Gläubigen zu Osterlesungen und -frühstück ins Gemeinde- gedenktafeln_böhmischer gottesacker_neuköllnhaus, wo es warm und tro- cken ist.

Durch die immer noch recht menschenleeren Straßen geht es zurück, plaudernd und ohne Rücksicht auf eine Liturgie nehmen zu müssen. „Was sind das denn für Vögel?“, fragt einer, der mit einer Bierflasche in der Hand am Straßenrand steht und das Treiben beobachtet. „Wird hier schon wieder ’n Film gedreht?“ Eine Erklärung will er nicht hören, sondern einfach nur so schnell wie möglich ins Bett. Da sei man doch morgens um 7 am besten aufgehoben, meint er nach einem Blick auf seine Armbanduhr, die offenbar noch auf Winter eingestellt ist. Wie das Wetter.

=ensa=

Dienstleistungsoase Neukölln

Muss man denn alles  selber machen?  Definitiv: Nein!  Sogar für alle, die  keine Lust

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haben, sich beim Versteckenlegen der Ostereier in Matsch und Schneeresten kalte Finger zu holen, gibt es einen heißen Tipp: Einfach mal die Profis ran lassen!

Aus Ehemaligem wird Zukünftiges: letzte Führungen durch den Bauteil H2rd

Die Orientierung auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Berlin-Tempelhof ist nicht leicht. Ortsangaben mit Begriffen wie Hangar, Tor, Eingang, Gebäudeteil und Aufgang treiben manchen Besucher an den Rand der Verzweiflung. „Das Leitsystem bauteil h2rd_ehem. offiziershotel_flughafen berlin-tempelhofmüssen wir dringend verbessern“, stellte so kürzlich auch Martin Pallgen, Presse- sprecher der Tempelhof Projekt GmbH, fest. Vergleichsweise leicht zu finden ist dagegen das ehemalige Offiziershotel – wenn man es nicht auf den Plänen sucht, fassade_bauteil h2rd_ehem. offiziershotel_flughafen berlin-tempelhofdie auf dem Areal stehen. Denn dort heißt es nur Bau- teil H2rd.

An den Ostertagen wird es in dem Trakt am Platz der Luftbrücke noch einmal richtig voll werden. Dann nämlich bietet sich die letzte Gelegenheit, das Gebäude vor seiner bevorstehenden  Sanierung und dem Umbau zu einem flur eg_bauteil h2rd_ehem. offiziershotel_flughafen berlin-tempelhofKreativzentrum zu besichtigen. Es ist das zweite Mal, dass es neu gestaltet wird, um den Be- dürfnissen einer veränderten Nutzung zu genügen.

„1935“, erklärt Birgit Ohström, „haben die Nazis mit der Errichtung des größten Baudenkmals Europas begonnen. Aber ganz fertig geworden sind sie nie, weil das Tau- sendjährige Reich eben früher als von ihnen geplant zu Ende gegangen ist.“ Von außen sah und sehe seitdem birgit ohström_berlin kompaktalles ganz wunderbar aus, sagt die Stadtführerin, „aber das war’s dann auch schon.“ 1938 zog die Hauptverwaltung der Lufthansa in das Gebäude. 1950 wurde mit dem Wiederaufbau des im Krieg weit- gehend ausgebrannten Anwesens für die US Air Force begonnen, die es in Columbia House umbenannte, hier  ihren Officers‘ Club und  ein Offizierskasino einrichtete und die vorherigen Büros in den Obergeschossen zu Offiziers-unterkünften umgestalten ließ.

Was einen dort erwartet, lässt sich im Erdgeschoss noch nicht erahnen: Der Empfangsbereich wirkt seit seiner Komplettrenovierung vor 26 Jahren edel-funktional; saal_bauteil h2rd_ehem. offiziershotel_flughafen berlin-tempelhofdas riesige ehemalige Restaurant mit dem abgewetzten blauen Velours und angestaubten verspiegelten Wand- elementen versprüht Retro-Prunk. Es riecht, als wären die Fenster und Tü- ren zur angrenzenden Terrasse seit Jahren nicht mehr geöffnet gewesen.

Als Restaurant solle es auch künftig wieder genutzt werden, informiert Bir- git Ohström. Denn der Umbau des denkmalgeschützten, viergeschossi- gen Gebäudeteils  verfolge nicht nur das Ziel, jungen und arrivierten Kreativen Büros und Ateliers anzubieten. „Zur Planung gehören auch öffentliche Bereiche mit treppenhaus_bauteil h2rd_ehem. offiziershotel_flughafen berlin-tempelhofKonferenz- und Veranstaltungssälen, eben dem Restaurant und einem Besucherzentrum mit Café.“ Ideen, das einstige Hotel wieder als Hotel in Betrieb zu nehmen, seien verworfen worden. Aus einleuch- tenden Gründen, wie sich später zeigt.

Durch das weitgehend original erhaltene Treppen- haus geht es hinauf in die 1. Etage. Birgit Ohström weist auf das Treppengeländer hin, das sich vom Keller bis unters Dach zieht: „Es ist komplett aus Aluminium.“ So wie er nach Plänen von Ernst Sage- biel, einem der bedeutendsten Architekten der NS-Zeit, gebaut wurde, ist auch der Eichensaal erhalten. Über zwei Stockwerke reicht der mit düs- terem Eichenholz vertäfelte  Raum, der zudem auf Schritt und Tritt durch Eichenblatt-Ornamente daran erinnert, weshalb er heißt, wie er heißt. Eine eingebaute Leinwand

eichensaal_bauteil h2rd_ehem. offiziershotel_flughafen berlin-tempelhofeichensaal-kronleuchter_bauteil h2rd_ehem. offiziershotel_flughafen berlin-tempelhof

machte den rund 6 Meter hohen Saal zum Konferenz- und Vortragsraum der Luft- hansa – und ein Wasserschaden in der darüber liegenden Etage große Teile des wendeltreppe_bauteil h2rd_ehem. offiziershotel_flughafen berlin-tempelhofEichenparketts kaputt.

In den einstigen Büros und späteren Hotelzimmern für durchreisende Offiziere der US Air Force ist es eine Mischung aus Verfall und amerikanischen innenarchi-tektonischen Vorlieben, die ihnen zugesetzt hat. Ram- ponierte, schwere Stores hängen vor milchigen Fenstern, die begonnene Beseitigung der Teppiche förderte edlen Parkettboden zutage,  die Wände und Decken sind so vergilbt wie die Heizkörper und Fensterrahmen, farblich dominieren Schlamm- und Brauntöne, die Bäder haben die Zeit, in der sie als modern galten, lange hinter sich. „Nach heutigen Maßstäben sind die Räume viel zu klein, um sie in einer gehoben Kategorie als Hotelzimmer vermieten zu können“, stellt Birgit Ohström fest und führt in

zimmer_bauteil h2rd_ehem. offiziershotel_flughafen berlin-tempelhofoffizierswohnung_bauteil h2rd_ehem. offiziershotel_flughafen berlin-tempelhofbad_bauteil h2rd_ehem. offiziershotel_flughafen berlin-tempelhof

die ehemalige Offizierssuite am Ende des schier unendlichen Flurs. Dass sich privilegiert fühlen konnte, wer einst in den drei Zimmern wohnen durfte, wird noch hotel-flur_bauteil h2rd_ehem. offiziershotel_flughafen berlin-tempelhofheute deutlich. Obwohl auch diesen Gemächern nicht mehr als morbider Charme geblieben ist.

Nach dem denkmalschutzgerechten Umbau wird von dem nichts mehr zu sehen. Wo nun historische Spuren durch fast acht Jahrzehnte führen, wird dann alles hell, freundlich und topmodern sein. „Es ist an der Zeit, dass aus diesem spannenden, immer mehr verfallenden Gebäude endlich was ge- macht wird“, findet Birgit Ohström. Man kann nicht anders als ihr recht zu geben.

Am 31. März und 1. April werden letztmalig vor der Sanierung und dem Umbau des Gebäudes Führungen durch das frühere Offiziershotel angeboten. Tickets kosten 10 Euro (erm. 6 Euro); eine Anmeldung ist ratsam.

=ensa=

Zurück auf Anfang

Das Kapitel Neukölln hört genauso auf, wie es begonnen hat. „Als ich vor 10 Jahren hergezogen bin, hab ich flennend meinen Kram ausgepackt, weil ich kein bisschen Lust  auf Neukölln hatte und niemanden hier  kannte“, sagt sie, den Inhalt des  Trans-

umzug_neukölln

porters taxierend, der vor dem Haus in der Nähe des Körnerparks steht. „Und jetzt heule ich wieder, weil ich viele wunderbare Leute und Neukölln zurücklassen muss.“ Wäre ihr der Traumjob in Berlin angeboten worden, wäre ein Umzug kein Thema gewesen. „Mit dem Gehalt könnte ich mir sogar die Miete locker leisten, die mein Nachmieter zahlen soll“, meint sie. Die sei doppelt so hoch wie das, was sie mit Werkverträgen und Minijobs für die knapp 60 Quadratmeter aufbringen musste.

Unvergrünt

Zu den Fragen, mit denen sich selbst Neukölln-Insider gehörig ins Schleudern bringen lassen, gehört die nach dem Gartenkulturpfad des Bezirks. Dabei ist der absolut keine neue gartenkulturpfad neukölln_route 1_richardplatzEinrichtung: Schon seit 2007 gibt es den Gartenkulturpfad Neukölln mit seinen fünf Routen durch Parks, Gartenanlagen sowie weitere grüne Sehenswürdigkeiten zwi- schen Hermannplatz und Rudow.

Nun ist momentan zugegebener- maßen noch wenig Grünes zu sehen, das hat aber auch unge- heure Vorteile: Architektonische Besonderheiten, auf die der  Flyer und das 62-seitige Booklet des Gartenkulturpfads Neukölln eben- falls aufmerksam machen, sind nicht hinter saftigem Blattwerk versteckt und ungehindert zu be- trachten oder zu fotografieren. Die Erkundung botanischer Highlights Neuköllns kann dann bei einer späteren Begehung des Gartenkulturpfads nachgeholt werden.

Weit hinter dem Original zurück

„Ihr Name ist Judith Kepler. Sie arbeitet bei einer Gebäudereinigungsfirma mit Namen Dombrowski Facility Management in Berlin-Neukölln.“ Schon in Elisabeth Herrmanns Krimi  „Zeugin der Toten“ spielt Neukölln nur eine unbedeutende Neben- rolle. Im gleichnamigen Film, der nach Herrmanns Romanvorlage entstand und gestern im ZDF gesendet  wurde, ist  Dombrowskis Firma irgendwo in Berlin und der

elisabeth herrmann_zeugin der toten

Plot auf eine Aneinanderreihung von Irgendwies zurechtgestutzt. Während die spannende Story um die Tatortreinigerin Judith Kepler, die bei einem ihrer Einsätze auf beängstigende Puzzleteile der eigenen Vita stößt, im Roman durch literarische Stilmittel noch funktioniert und den Leser mitnimmt, lässt der Film den Zuschauer streckenweise fragend und mit dem Eindruck des arg Konstruierten zurück. Das betrifft jedoch nicht nur die Handlung, die tief ins Netz von Stasi und BND und zu den Rosenholz-Dateien führt, sondern auch die Besetzung: Ob sich, wer vorher Elisabeth Herrmanns Buch las, dessen Protagonistin Judith Kepler wie Anna Loos vorgestellt hatte, ist eine rein subjektive Angelegenheit. Objektiv aber passte die Schauspielerin weder in die Rolle einer, die vor 25 Jahren eine Achtjährige war, noch zu anderen Hauptdarstellern, die vor einem Vierteljahrhundert die Stufe vom Kind zum Er- wachsenen längst übersprungen hatten. Fazit: Lieber  lesen  als gucken!

=ensa=

Heute in Schweden, schon gestern in Neukölln

waffeltag_waffelkaffel neukölln„Ha en trevlig våffeldagen!“ – das wünscht man sich heute in Schweden. Und dann wird Teig gerührt, das Waffeleisen aus dem Kü- chenschrank geholt und bis zum Sättigungs- punkt der våffla gehuldigt. Bis ins 17. Jahr- hundert reicht diese Tradition zurück, die der Überlieferung nach auf einem Missverständ- nis basiert: Auf den 25. März fällt auch der christliche Feiertag Mariä Verkündigung, der auf Schwedisch vårfrudagen heißt, was wie- derum – schnell und nuschelnd artikuliert – wie  våffeldagen, also: Waffeltag, klingt. Und eben den begeht man in Schweden nun immer genau neun Monate vor Weihnachten.

In Neukölln, das schließlich gerne mal vorne ist, wartete man mit dem Waffeltag nicht bis zum 25. März, sondern feierte ihn schon ges- waffelkaffel_neuköllntern: im Waffelkaffel. „Weil Sonntage für solche Aktionen besser sind“, sagt Adrian Schefer, der zusammen mit seiner Partnerin Paula Leu das kleine Café vis-à-vis der Geneza- reth-Kirche vor einem Dreivierteljahr eröffnete.

waffelkaffel neuköllnDraußen sitzen will bei strengem Frost keiner, entsprechend voll ist es drinnen. Das liege aber nur marginal am Waffel- tag und dem mit ihm verbundenen Angebot „Gratis-Waffeln für alle“. Sonntags seien sie immer am Maximum, was in erster Linie der Nähe zum Tempelhofer Feld zu verdanken ist. Durchgefrorene Spaziergänger in Paar- bis Gruppenstärke geben sich gegen-seitig die Klinke in die Hand. Bei jedem Öffnen der Tür dringt ein warmer Schwall Waffelduft auf waffel_waffelkaffel berlin-neuköllndie Straße.

Das 23 Jahre alte und 40 Kilo schwere Doppeleisen läuft zur Hochform auf, tauscht im Akkord zähflüssigen Teig gegen goldbraune Waffeln. Mit Puder- zucker bestäubt oder mit Schlagsahne, Nuss-Nougat-Creme, Eis, Früchten und anderen  Zugaben belegt, landen sie auf verschnörkelten Vintage-Tellern. Wer Kaffee dazu bestellt, bekommt auch den in einer feinen Tasse aus Omas Geschirrschrank. frühlingsrolle_waffelkaffel neuköllnAber es ist nicht nur das Porzellan, das auf Geschichten zurückblickt. Zu jedem Stück des liebevoll gestalteten Waffelkaffel-Interieurs könn- te Adrian Schefer eine eigene Anekdote erzählen: „Das ganze Mobiliar hab ich selber gebaut, mit Abfallholz, das ich in den Straßen Neuköllns gefunden hab.“

Ganz und gar nicht retro, sondern beim Blick aufs Thermometer der Zeit voraus ist das Waffelkaffel indes mit der süßen Kreation, die für diese Woche anlässlich des Waffeltags in die Karte aufgenommen wurde: Frühlingsrolle heißt sie. In ihr steckt eine Kugel Vanille-Eis, umgeben ist die Waffel von Eierlikör und Mohn.

=ensa=

Vorreiter: Die Neuköllner Peter-Petersen-Schule macht Schule auf dem Tempelhofer Feld

MINTgrünes klassenzimmer, tempelhofer feld berlin, peter-petersen-grundschule neuköllnDas hatten sie sich alles entschieden anders vorgestellt: Ein Frühlingsfest mit Musik, Tanz und bunten Drachen am Himmel sollte es vorgestern zur Saisoneröffnung des M.I.N.T.grünen Klassenzimmers auf dem Tempel- hofer Feld geben. So war es von den Lehrern und Schülern der Peter-Petersen-Schule schon vor einem Vierteljahr geplant worden. Aber dann kam das Hoch Jill, das – im Gegensatz zu Neu- köllns Schulstadträtin Franziska Giffey (l.), Dietz Valentin vom Lions Club Berlin-bezirksstadträtin giffey, dietz valentien, schulleiterin greif-groß, MINTgrünes klassenzimmer, tempelhofer feld berlin, peter-petersen-grundschule neuköllnSans- souci (2. v. r.) und vielen anderen – nicht eingeladen war und lausige Käl- te mitbrachte. Statt auf grünem Rasen stand man folglich bei dem Fest rings um die beiden Überseecontainer, das, so Schulleiterin Hildegard Greif- Groß (r.) „eigentlich den Frühling ein- läuten sollte“, knöcheltief im Schnee.

Seit dem letzten Sommer gibt es auf dem Tempelhofer Feld das wohl ungewöhnlichste Neuköllner Klas- senzimmer. Von 12 Klassen der Peter-Petersen-Schule (PPS) wird es genutzt, jede ist einmal pro Monat dort. Um zu erleben, was in normalen Klassenräumen oder auf dem engen MINTgrünes klassenzimmer, tempelhofer feld berlin, peter-petersen-grundschule neuköllnSchulhof nicht möglich ist. „Natürlich“, sagt Henning Stirner, der für den Förderverein der PPS die Nutzung des M.I.N.T.grünen Klassen-zimmers koordiniert, „geht es auch darum, dass sich die Kinder hier richtig austoben können.“ Im Vorder- grund steht aber die Idee, „reguläre Unterrichtsinhalte in lebensnaher Umgebung“ zu vermitteln. Denn auch wenn beim Wort Mint jeder sofort an Pfefferminze denkt – bei diesem Projekt auf dem Pionierfeld Oderstraße steht es für Mathematik,  Informatik,  Naturwissenschaft  und  Technik, was  auch  die  Kinder der

MINTgrünes klassenzimmer, tempelhofer feld berlin, peter-petersen-grundschule neuköllnMINTgrünes klassenzimmer, tempelhofer feld berlin, peter-petersen-grundschule neuköllnMINTgrünes klassenzimmer, tempelhofer feld berlin, peter-petersen-grundschule neukölln

Klasse 1.1 mit ihrer kleinen Darbietung verdeutlichten. Bevor Bewegung in den Kreis der rund 300 Schüler, Lehrer und Eltern kam und mit Tanz, Gesang und einem Auftritt

MINTgrünes klassenzimmer, tempelhofer feld berlin, peter-petersen-grundschule neuköllnMINTgrünes klassenzimmer, tempelhofer feld berlin, peter-petersen-grundschule neuköllnMINTgrünes klassenzimmer, tempelhofer feld berlin, peter-petersen-grundschule neukölln

MINTgrünes klassenzimmer, tempelhofer feld berlin, peter-petersen-grundschule neuköllnder von Rocco Rossbach angeleiteten Trommel-gruppe versucht wurde, Schnee und Frost – wenn schon nicht zu vertreiben – doch wenigstens für einen Moment vergessen zu machen.

Wer noch nie zuvor im M.I.N.T.grünen Klasssenzimmer war, brauchte schon viel Phantasie, um sich aus-insektenhotel, MINTgrünes klassenzimmer, tempelhofer feld berlin, peter-petersen-grundschule neuköllnmalen zu können, was hier nicht nur durch das Engagement von Sponsoren wie dem Lions Club Berlin-Sanssouci, sondern auch durch die tatkräftige Mithilfe vieler Eltern entstanden ist. Der Schulgarten, Spiel- und Experimentier-flächen, die Hochbeete – dem Frühling zum Trotz lag (und liegt) alles, abgesehen vom verwaisten MINTgrünes klassenzimmer, tempelhofer feld berlin, peter-petersen-grundschule neuköllnInsek- tenhotel, unter ei- ner dichten Schnee-decke.

Phantasie ist zwei- fellos auch erforder- lich, um eine Vorstellung von dem zu bekommen, was Franziska Giffey in Aussicht stellte: „Der Bezirk Neukölln will, dass hier mehr als nur ein Klassenzimmer entsteht.“ Langfristige Ziele seien der Bau einer Kita und eines ganzen Schulgebäudes auf dem Neuköllner Bereich des Tempelhofer Feldes. „Optimal wäre es, wenn man dabei nicht nur an eine Grundschule denken, sondern gleich eine Kombination aus Grund- und Oberschule planen würde“, meint die Stadträtin. Dafür müsse aber – trotz erkennbarer Bedarfe – noch Überzeugungsarbeit geleistet werden.

=ensa=

Eine Sorge weniger

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(gesehen auf einem Neuköllner Wochenmarkt)

Wie hätten Sie ’s denn gerne?

Für viele Frauen ist sie bei Dunkelheit eine No-go-Area: die Passage zwischen Donau- und Richardstraße. Unheimlich ist es dann im Gerlachsheimer- und Jan- Hus-Weg. Kein Wohnhaus grenzt an den schmalen, von dichten hohen Büschen gesäumten Verbindungspfad, dessen uneinsehbare Kurve auf halber Strecke den Gruselfaktor noch erhöht. Tagsüber m. hühn/qm ganghoferstraßehingegen kann es vor allem dort unangenehm sein. Denn das breitere Teil- stück, wo die Kirchgasse auf die beiden Wege trifft, wird gerne als Treffpunkt für Sauf- gelage oder von Dealern als Marktplatz und Depot für Drogen genutzt.

Nun soll die Durchwegung umgestaltet werden. „Für die Landschaftsarchitekten, die den Zuschlag bekommen, wird es eine echte Heraus-forderung werden“, ahnt Tan- ja Henrich vom Quartiers-managament (QM) Gangho- ferstraße, das den im Spät- sommer startenden Umbau mit 180.000 Euro aus dem Soziale Stadt-Fördertopf finanziert. Welche Bedürfnisse und Wünsche die Anwohner hinsichtlich des Wegstücks hegen, wird momentan in einem Bürgerbeteiligungsverfahren ermittelt.

Zwei Vorort-Termine, bei denen das QM Infostände aufstellte, Fragebögen verteilte und das Gespräch mit Passanten suchte, gab es bereits. Morgen Mittag büsche_gerlachsheimer weg_neuköllnist der nächste – trotz Frost und Schnee. „Wir müssen das jetzt machen“, bedauert Tanja Henrich. Wegen der Fristen, die bei einem solchen Projekt einzuhalten sind und damit noch in diesem Jahr mit dem Umbau begonnen werden kann.

Dass der Wunsch nach einer besseren Beleuchtung des Jan-Hus- und Gerlachs- heimer Wegs Spitzenreiter bei den Anregungen ist, überrascht nicht. „Der wird auch leicht umzusetzen sein“, meint die Quartiersmanagerin. „Schwieriger wird es dann schon, das ebenfalls oft geäußerte Bedürfnis nach einer besseren Einsehbarkeit der Durchwegung mit dem zu verbinden, dass sie aber so schön grün bleiben soll, wie sie jetzt ist.“ Nicht minder kompliziert werde es, eine Strategie zu finden, wie in der umgestalteten Passage das Vermüllungsproblem in den Griff zu kriegen ist und Skeptiker eines Besseren zu belehren. „Den Einwand, dass erst für viel Geld alles schick gemacht wird und dann wieder alles verkommt, hören wir bei unseren gerlachsheimer weg_neuköllnBefragungen natürlich auch“, gesteht Tanja Henrich. Aber er sei die Ausnahme.

„Wesentlich öfter erleben wir, dass die Leute sich bedanken, dass sie überhaupt nach ihrer Meinung gefragt werden und die in die Planung einfließt.“ Was die Quartiersmana- ger auch oft erleben, ist Erleichterung: „Viele befürchten spontan, wenn sie das Wort Um- gestaltung hören, dass der Durchgang ge- schlossen werden soll.“ Das wird aber keinesfalls passieren, denn er ist sowohl als Tor zum Böhmischen Dorf, als auch als stark frequentierte Abkürzung zwischen dem U-Bahnhof Karl-Marx-Straße und der Son- nenallee unbestritten erhaltenswert. Insbe- sondere mittags und nachmittags, wenn in der direkt angrenzenden Katholischen Schu- le St. Marien der Unterricht endet, kann es dort sogar richtig eng werden.

Aber es sind nicht nur die beiden Wege, die eine Verschönerung und optimierte Nutzbarkeit erfahren. Die Verlängerung der Kirchgasse wird ebenfalls aufgewertet und so zu einem Platz mit Aufenthaltsqualität für Jung und Alt. Auch einen Namen soll dieser bekommen. „Ob er wirklich als offizieller Name in Stadtpläne eingeht oder inoffiziell bleibt, können wir aber noch nicht versprechen“, räumt Tanja Henrich ein. Vorschläge gebe es schon einige – von Böhmisches Plätzchen über Jan-Hus-Platz bis hin zu Eleonore-Prochaska-Platz. Letzterer fungiere erstmal als Arbeitstitel. „Eigentlich“, sagt die Quartiersmanagerin, „finde ich die Idee auch gut.“ Allerdings kommt ihr der Name doch „ein bisschen sperrig“ vor. Vielleicht würde man sich – mit etwas Übung – aber auch schnell an ihn gewöhnen.

Morgen ist das Quartiersmanagement Ganghoferstraße letztmalig mit Info- Ständen vor Ort. Von 12 – 14 Uhr können in Gesprächen Fragen geklärt und Anregungen zur Umgestaltung des Durchgangs sowie Ideen für die Benennung des Platzes abgegeben werden. Letzteres ist auch per form- loser E-Mail noch bis zum 24. März möglich.

Erste Entwürfe für die künftige Durchwegung werden bei einer Anwoh- nerversammlung vorgestellt, die am 15. April um 17 Uhr im Saal der Ev. Brüdergemeine in der Kirchgasse 14 stattfindet.

=ensa=

Neukölln: Einfach und kompliziert und der Ort, wo Abbas Khider die besten Geschichten finden kann

Für den Literaturkritiker Denis Scheck ist die Sache klar: Abbas Khider stellt „eine enorme Bereicherung für die deutsche Gegenwartsliteratur“ dar, weil er die „formal erstaunlichsten Bücher“ schreibt und es beherrscht, „große Kunst mit ganz einfachen Mitteln“  zu produzieren. „Wie machen Sie das?“, fragte er  den Schriftsteller in einem

abbas khider+dennis scheck_ttt_mdr_ard-tv-forum

Interview für die ARD-Sendung „ttt – titel thesen temperamente“ während der Leip- ziger Buchmesse. Er habe das große Glück gehabt, in bestimmten Städten gelebt zu haben, in denen alles kompliziert und einfach ist, erklärte der gebürtige Iraker, der 1973 in Bagdad zur Welt kam, als 19-Jähriger für zwei Jahre inhaftiert wurde, an- schließend im Exil lebte, vor 13 Jahren nach Deutschland kam und 2002 die deut- sche Staatsbürgerschaft annahm. Bagdad, Kairo und Benghazi nannte Abbas Khider als Beispiele für eben solche Städte. „Der letzte Ort, wo ich wirklich die besten Geschichten finden kann, die einfach und kompliziert sind“,  ist Neukölln in Berlin – und da wohne ich“, beendete Khider die Aufzählung. Kürzlich erschien mit  „Brief in die Auberginenrepublik“ das dritte Buch des Neuköllners, dessen Literatur für Denis Scheck zu den „schönsten Entdeckungen“ gehört.

Olle Kamellen

flaggen-parade_reuterkiez-balkon_neuköllnMenschen aus mehr als 160 Natio- nen leben in Neukölln: Immer wieder bekommt man diese Zahl zu hören. Oder zu lesen, wie auch auf dem offiziellen Webportal des Bezirks: „Ge- tragen wird unser Neukölln von sei- nen 307.000 Einwohnern aus mehr als 160 Nationen“, heißt es dort in dem Text, mit dem Bezirksbürger- meister Buschkowsky die Besucher der Seite begrüßt.

Der Realität entspricht die Zahl trotz- dem nicht bzw. nicht mehr. Schon im Juni 2010 war sie nach Erhebungen des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg auf 156 gesunken. Und der Abwärtstrend hält – bei wachsender Bevölkerungszahl – an: Die 318.356 Neuköllner, die zum Jahreswechsel 2012/2013 verzeichnet wurden, „stammen aus 147 verschiedenen Ländern“, stellt Arnold Mengelkoch, der Migra-tionsbeauftragte des Bezirks, in seiner Unterrubrik des offiziellen Webportals fest. Eine Zahl, für die man sich schämen müsste oder die an Neuköllns Multikulti-Image rütteln könnte, ist auch das nicht. Aber die olle Kamelle „mehr als 160“ klingt eben doch beeindruckender als „weniger als 150“ – und somit die aktuellere Wahrheit.

=ensa=

Der entscheidende Unterschied

verschneites tempelhofer feld_berlin-neuköllnWoran erkennt man, dass dieses Foto zwei Monate alt ist? Am Schnee, sollte man vermuten. Dem ist aber nicht so! Der liegt auch heute, am Vortag des astronomischen Frühlingsanfangs, auf dem Tempelhofer Feld – nicht immer noch, sondern schon wieder. Nein, zu erkennen ist es daran, dass auf dem Foto etwas fehlt: die Gedenksäulen, die nun gedenksäule charlotte wolff, gedenksäule fritz ausländerals Stadtmarkierung anlässlich des Berliner Themen- jahrs „Zerstörte Vielfalt“ nahe dem Neuköllner Ein- gang an der Herrfurthstraße stehen.

Eine ist dem Lehrer und Politiker Fritz Ausländer ge- widmet, der 1943 seinem Leben ein Ende setzte. Die andere erinnert an die Ärztin und Sexualwissen-schaftlerin Charlotte Wolff, die vor ihrer Inhaftierung im Februar 1933 in Neukölln arbeitete und später nach London flüchtete, wo sie 1986 starb.

Was erkennt man auf diesem knapp zwei Wochen alten Foto der beiden Gedenk-säulen außerdem? Dass sich zwischen Schnee und Schnee schon kurzfristig ein Hauch Frühling gedrängt hatte.

Hinten nicht wie vorne

In Fietswinkel geht es momentan zu wie in der Praxis eines Allgemeinmediziners während der Hochsaison grippaler Infekte. „Gearbeitetet wird vormittags. Nach- mittags, wenn wir geöffnet haben, kommen wir kaum dazu, weil sich die Leute gegenseitig die Klinke in die Hand geben“, sagt Wolfgang Mrosek, der Inhaber der Fahrradwerkstatt im Schillerkiez. Seine Patienten haben fast alle das fahrradreifen-reparaturgleiche Problem: Sie sind hinten nicht annähernd so gesund wie vor- ne. „Das Zeug, das überall ver- streut wird, damit wir nicht aus- rutschen, ist unsinnigerweise so dermaßen scharfkantig, dass man ohne unplattbare Rei- fen keine Chance hat. „Wer es nicht glaubt und die Skepsis mit blutigen Händen bezahlen will, solle einfach mal ein Häufchen der Krümel eine Weile zwischen den Handflächen reiben, rät der Zweirad-Doc.

Dafür, dass er auch außerhalb der Split-Saison keine Zeit hat, im Fietswinkel eine ruhige Kugel zu schieben, sorgt etwas völlig anderes: die Nähe des Ladens zum Tempelhofer Feld. Auf rund 600 Prozent beziffert Mrosek das Mehr an Reparaturen, die durch das Aufeinandertreffen von Flaschenscherben und Fahrradreifen nötig werden, seit der Kiez zum Ein- und Ausfallstor für Partypeople und Griller geworden ist. Freude darüber, dass er davon ebenfalls profitiert, ist ihm aber nicht anzumerken. Wahrscheinlich, weil das Reifenflicken im Akkord ähnlich unprickelnd ist wie ein hustender und schniefender Patient nach dem anderen.

=ensa=

Aus Alt mach Neu mit der Weisheit der Vielen

kinder- und jugendhaus lessinghöhe_neuköllnWenn zwei Neuköllner über die Lessing- höhe reden, kann es sein, dass sie von sehr unterschiedlichen Dingen sprechen. Einer könnte die auf Trümmern des Zweiten Weltkriegs entstandene Grünan- lage zwischen Mittelweg und Kopfstraße meinen, der andere das 1950/51 erbaute Kinder- und Jugendzentrum, in dem vor einem guten halben Jahrhundert Frank Zander seine Musiker-Karriere als Sänger und Gitarrist der Band Gloomys startete. Insofern steckte in der Presseinladung zum ersten Spatenstich für den Umbau der Lessinghöhe gleich eine doppelte Doppel- blesing+liecke_bauschild-enthüllung_lessinghöhe neuköllndeutigkeit: Denn mit Spaten wäre vorgestern dem von Frost durchzogenen Boden nicht beizukom- men gewesen. Also machten sich Neuköllns Jugendstadtrat Falko Liecke (r.) und Baustadtrat Thomas Blesing (l.) daran, das Bauschild vor der bauschild_lessinghöhe neuköllnältesten Kinder- und Ju- gendfreizeiteinrichtung des Bezirks zu enthüllen, um den symbolischen Start- schuss für den Umbau und die Grundsanierung des Haupthauses des zweiteili- gen Gebäude-Ensembles zu geben. „Im November 2014“, schätzt Jürgen Schmeichler, der das Zentrum seit sechs Jahren leitet, „sollte alles abgeschlossen sein.“

1,2 Millionen Euro stellt das Quartiersmanagement Rollberg aus dem Soziale Stadt- Fonds für die Arbeiten zur Verfügung, die nach den Plänen der Architektin Gabriele fink+schmeichler_lessinghöhe neuköllnFink (r., mit Jürgen Schmeichler) erfolgen und auf einer engen Einbindung der Kinder und Jugendlichen sowie der Angestellten bei der Neukonzeptionierung basieren. raumplanung_lessinghöhe neuköllnWelche Räu- me werden für welche Ange- bote benötigt? Wo sollten sie strategisch günstig liegen? Derartige Fragen wurden zuvor in einem moderierten Prozess erörtert und durchgespielt. „Die Weisheit der Vielen zu nutzen, war für uns der wichtigste Ansatz“, beschreibt Kristina Nauditt vom Argo-Team die „nicht immer ganz einfache“ Par- tizipation der Nutzer. Bilder und Filmdokumente aus den 1950er-Jahren, die das seinerzeit von der amerikanischen Regierung finanzierte Gebäude zeigen, waren es schließlich, die Gabriele vergangenheit+zukunft_lessinghöhe neuköllnFink auf die Idee eines architektonischen Spagats brachten:  Das neu gestaltete Kinder- und Jugendfreizeitzentrum Lessing- höhe wird eine Kombination aus modernster energetischer Sanie- rung und einer Rekonstruktion des Zustands von 1951 sein, der von großen Fenstern und Türen und lichtdurchfluteten Räumen geprägt war. „Aus Sicherheitsgründen wurden viele der Glasflächen einfach zugemauert“, vermutet die Architektin, die die Düsternis ebenso aus dem Gebäude verbannen wird wie Sanitäranlagen aus der Nach- entwurf_sanierung lessinghöhe neuköllnkriegszeit, alte Stromleitungen und Hei- zungsrohre, die sich unverputzt durch alle Räume des Erd- und Kellergeschosses ziehen. Zusätzliche Eingänge und WCs sollen außerdem die Nutzung des Hauses für externe Veranstaltungen erleichtern.

Dass die Zeit bis zur Wiedereröffnung mit Schwierigkeiten einhergehen wird, liegt für Jürgen Schmeichler in der Natur der Sache: „Bei einem  Umbau bei laufenden Be- trieb geht das nun mal nicht anders.“ Die vorübergehende Schließung des Hauses wäre jedenfalls für ihn keine Option gewesen. Da nehmen er, seine Mitarbeiter und auch die Kinder und Jugendlichen lieber Einschränkungen in Kauf: „Während zuerst der Keller umgebaut wird, muss sich eben alles im Erdgeschoss abgspielen. Danach zieht der Betrieb in den Keller um und der Umbau geht im Erdgeschoss liecke_lessinghöhe neuköllnweiter.“

Doch die Umgestaltung werde sich nicht nur auf bauliche Maßnahmen beschrän- ken. „Auch das inhaltliche Profil des Kin- der- und Jugendzentrums Lessinghöhe soll“, so Jugendstadtrat Falko Liecke, „an die Bedürfnisse der Anwohner angepasst werden.“ Lose Konzepte für eine Ergän- zung durch Angebote für Familien mit Kleinkinder gebe es bereits, kündigt er an, bevor er sein Mitbringsel in die Schatzkiste stellt. Alles was der anvertraut wird, werde in Kunstharz gegossen und bei der Eröffnungsfeier der alten-neuen Lessinghöhe blesing_lessinghöhe neuköllnpräsentiert. Mit dem Dinosaurier wolle er an ein Klettergerüst erinnern, das lange auf dem Spielplatz der Freizeitzentrums stand, erklärt Liecke.

Sein Kollege Thomas Blesing ist mit klei- nerem Gepäck gekommen. Eine 1 $-Note, findet er, sei genau das richtige Souvenir für die Schatzkiste. Schon deshalb, weil sie ein Andenken an die Amerikaner ist, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Neukölln für den Wiederaufbau gesorgt haben.

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Zufall oder Absicht?

Wer auch immer sein blaues Auto vor diesem Graffiti an der Mauer des St. Thomas-Kirchhofs  in der  Neuköllner  Thomasstraße parkte, bewies auf  jeden Fall  ein gutes

graffiti thomasstraße_neukölln

Gespür für farbliche Kompositionen. Denn das Blau des Autos passt doch wirklich perfekt  zu  dem  der  Augen.

Entrückt

remass-rückenmassage-sessel_neukölln arcadenEr ist weniger als einsilbig. Keine Begrüßung, kein „Nehmen Sie doch Platz!“, keine Frage, ob es irgendwo zwischen Schultergürtel und Hüfte akut zwickt oder ob man nur auf eine Auszeit und ein wenig Entspannung aus ist. Nicht mal über die Bezahlung seiner Dienste per Vorkasse redet er; das übernimmt ein schlankes Etwas, das remass-freimünzestoisch an seiner Seite steht, viersilbig: Münze einwerfen!

Nachdem das erledigt ist, legt er los. Ohne sensitives Vorgeplänkel, sondern so ruppig, dass man sich fragt, welche Kräfte er wohl zum Einstieg freilegt, wenn ihm nur vier statt – wie jetzt – 10 Minuten Zeit zur Verfügung stehen. Wie zwei kräftige Fäuste fühlt sich an, was sich vertikal über die Muskulatur links und rechts der Wirbelsäule schiebt. Würde er fragen, ob es so angenehm ist, bekäme er ein Ja zur Antwort. Denn Massagen bedeuten neben Berührungen schließlich auch, dass Muskeln an ihre Anwesenheit erinnern. Aber der ReMass-Massagesessel fragt nicht nach, neukölln arcadener weiß, dass er seinen Job gut macht und das Prinzip der Shiatsu-Technik perfekt beherrscht, weil er so programmiert ist.

Der Duft gebrannter Mandeln wabert von den Oster-Jahrmarktständen im Erdgeschoss der Neukölln Arcaden bis in die Ruhezone in der 2. Etage, wo sechs als Sessel getarnte Masseure bereitstehen. Viele, die sich hier nie- derlassen, nutzen sie als bloße Sitzmöbel und verzichten auf das Plus an Ent- spannung, das die jeweils vier, menschlichen Händen nachempfundenen Mas-neukölln arcaden_dacharchitektursageköpfe in den Rückenlehnen zu be- scheren vermögen. Nach dem ruppigen Auftakt zeigen sie, dass sie auch anders können: zart streichen, behaglich rollen und sanft kneten.

Bloß die Augen offen halten, um nicht ein- zudösen. Der Trubel und die Geräusch-kulisse der Shoppingpassage scheinen weggedimmt. Eine wohlige Wärme breitet sich auf dem Rücken aus. Bei einem Masseur mit zwei Beinen und zwei Händen wäre nun ein Lob angebracht, bei einem remass-rückenmassageSessel sollte besser davon abgesehen werden. Auch wenn er es verdient hätte.

Die letzte Minute läuft. Für einen Euro, zwei Euro oder 2,50 Euro könnte es in eine vier-, 10- oder 14-minütige entspannende Verlängerung gehen. Doch für die ist leider keine Zeit. Im Display erscheint der Hinweis „Massa- gesessel fährt in Grundstellung“. Bei einem Masseur würde man sich nun bedanken und gleich den nächsten Termin vereinbaren. Hier ist das unnötig.

Zum heutigen Tag der Rückengesundheit verschenkt die Firma ReMass Freimünzen für eine zehnminütige Massage. Diese werden nur noch heute von der Vita-Apotheke im 1. OG der Neukölln Arcaden ausgegeben und sind zeitlich unbegrenzt gültig.

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Gefahr gebannt

Füchse, die vor Autos oder Radfahrern über die Straße huschen oder wie angewurzelt mitten auf der Fahrbahn stehenbleiben. Ratten und Marder, die – so selbstverständ- lich wie Hunde, Katzen oder Fußgänger – von einer Straßenseite auf die andere wechseln. All das ist in  Neukölln nichts Ungewöhnliches. In anderen  Bezirken muss

trophäen_fantasiakulisse neukölln

man auf die Begegnung mit wesentlich größeren Exemplaren der Tierwelt gefasst sein. Ein Wildschwein gibt es in der Flughafenstraße zwar auch, aber das kann keine Schäden mehr anrichten, sondern ertrödelt oder ausgeliehen werden.

„Neukölln hat unheimliche Schätze“

2_neues wohnen neukölln_neuköllner rathausLokalpatriotismus ist es nicht, der Prof. Dr. Paul Sigel zum Schwärmen bringt und Sätze wie „Neukölln hat unheimliche Schätze“ sagen lässt. Nein, der Wis- senschaftler mit den Forschungsschwerpunkten Ar- chitektur- und Städtebaugeschichte sieht den Bezirk vor allem aus der fachlichen Perspektive. Mit 16 Stu- denten des Masterstudiengangs Historische Urba- nistik des Centers for Metropolitan Studies der TU Berlin hat er ihn nun mit dem Fokus auf bemer- kenswerte Siedlungs- und Gebäudekonzepte hin untersucht. Ergebnis des Projektseminars ist die Ausstellung „Neues Wohnen Neukölln – Wohnquar- vernissage_neues wohnen neukölln_neuköllner rathaustiere von 1900 bis heute“, die in Kooperation mit dem Mobilen Museum Neukölln entstand und gestern im Rathaus eröffnet wurde.

Zeitlicher Aufhänger ist der 100. Todestag von Reinhold Kiehl, an dessen Wirken eine Sondertafel erinnert. In „affenartiger Geschwindigkeit“ habe der erste Neuköllner bzw. Rixdorfer Stadtbaurat seine Bauwerke geschaffen, stellte Bezirksbürgermeister buschkowsky+giffey_neues wohnen neukölln_neuköllner rathausHeinz Buschkowsky fest. Da möge man überhaupt nicht daran denken, „wie lange wir heute brauchen, um ein Pförtnerhaus zu bauen“. Wenn „Papa Kiehl“ nicht so früh gestorben wäre, ist er überzeugt, würde man nun in der ganzen Welt über den sprechen, der in Neukölln sichtbarste Spuren hinterlassen hat. Einerseits in Form öffentlicher Gebäude, andererseits aber auch, wie der blesing_neues wohnen neukölln_neuköllner rathausamtierende Baustadtrat Tho- mas Blesing hinwies, durch die Planung und Anlage von Ensembles wie dem Richard- und dem Reuterplatz.

Von den 11 Wohnquartieren, die die Ausstellung porträtiert, hat Kiehl allerdings nur noch drei im Werden beobachten können: Die Schillerpromenade, die als „bessere Wohn- gegend“ geplant war, dann aber überwiegend von Arbei-terfamilien bezogen wurde, die Ideal-Passage, wo 203 Wohnungen entstanden, die höchsten technischen und hygienischen An1_neues wohnen neukölln_neuköllner rathaussprü- chen genügten, und die zwischen 1912 und 1937 erbaute Kolonie Ideal in Britz, eine nach dem Vorbild einer Gar- tenstadt entworfene Reihenhaussiedlung.

„Es geht uns darum, auf innovative Wohn- konzepte in Neukölln hinzuweisen, die Antworten auf Aufgaben und Bedürfnisse des Wohnungsbaus paul sigel_neues wohnen neukölln_neuköllner rathausder Zeit gegeben haben, in der sie errichtet wurden“, erklärte Prof. Sigel. Aber allein dabei wollten es die Studenten bei ihrem Projektseminar ab- seits des „universitären Lernens im Elfenbeinturm“ nicht belassen: „Das Augenmerk lag immer auf der histo- rischen und der gegenwärtigen Perspektive und der Frage, ob die Konzepte der Quartiere noch heute neues wohnen neukölln_vernissage_neuköllner rathausfunk- tionieren.“ Außer- ordentlich beeindru- ckend sei die Viel- falt der Wohnfor- men, die man im Bezirk insbesondere ob der topographischen Möglichkeiten zwischen In- nenstadt und Peripherie vorfinde. Auf sehr prominente Quartiere wie die Hufeisensied- lung oder die Gropiusstadt, so Sigel, habe man bei der Auswahl ganz bewusst verzichtet.

Stadtrandsiedlung Neuland I-IV. Nie gesehen! Grüne Häuser in Britz. Wo sollen die denn sein? Pilotprojekt Ortolanweg und Siedlung am Schlierbacher Weg. Noch nie ausstellungseröffnung_neues wohnen neukölln_neuköllner rathausvon gehört! Nur wenige Besucher der Vernissage stehen mit wissender Miene vor allen 11 Text-Bild-Tafeln. Für die meis- ten wird hier das eine oder andere Rätsel rund um das breite Spektrum des Woh- nens im Bezirk gelöst.

Die Ausstellung „Neues Wohnen Neu- kölln – Wohnquartiere von 1900 bis heute“ ist noch bis zum 26. April in der 2. Etage des Neuköllner Rathauses zu sehen. Öffnungszeiten: Mo. – Fr. 8 – 18 Uhr.

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Vorboten

Sie mag es, wenn alles ordentlich und gepflegt aussieht. Zustände, wie sie derzeit in ihrem Garten herrschen, sind ihr ein Gräuel. Eigentlich. „Sonst nehme ich die leer ge-

es grünt_neukölln

pickten Netze immer gleich ab“, sagt sie. Aber nun – in diesem Winter, dessen Ende wie die BER-Eröffnung immer weiter nach hinten geschoben wird – lässt sie die Überbleibsel der Meisenknödel und Futterstangen hängen. So sehe es dann wenigs- tens schon mal ein bisschen grün und nach Frühling aus.