„Unser Leben in Neukölln“ lässt Zeitzeugen erzählen

„Das ganze Gebiet hatte etwas von den Trümmerwüsten, die kurz nach dem Zweiten Weltkrieg überall in Berlin zu finden waren“, erinnert sich Anna-Maria Fenske. wasserturm leykestraße kopfstraße_neuköllnUnheimlich sei es gewesen, von ganzen Häuser- blocks nur noch die Kellerfundamente sehen zu skulptur sonne_rollbergviertel neuköllnkönnen – und bewohnte Häuser drumherum. Le- diglich rund 40 Jahre liegen die Ereignisse zurück, die die Neuköll- nerin beschreibt. Auf dem, was damals Trüm- merwüste war, entstand das Rollbergviertel. Anna- Maria Fenske ist die jüngste von acht Zeitzeuginnen und -zeugen, die in ihren Erinnerungen nebst Foto- alben kramten und kleine, subjektive Kapitel der Alltagsgeschichte des Bezirks für die nun erschienene 36-seitige  Broschüre „Unser Leben in Neukölln …“ verfassten.

Im Mittelpunkt der Erzählungen stehen Erlebnisse und Eindrücke von den 1920er Jahren bis heute. Die Aspekte Wohnen, Freizeit und Einkaufen gaben das thematische Gerüst vor. Sie wurden zunächst im von Ursula Bach geleiteten Geschichtsgesprächskreis der Volkshochschule Neukölln behandelt, an dem auch die Zeitzeugen teilnahmen. Ihre Erinnerungen in Buchform zu veröffentlichen, war eine recht spontane Idee, die, so Bach, auf dem Anliegen fußt, „durch die selbst- erlebten konkreten Erfahrungen ein vhs-broschüre_ unser leben in neuköllnStück Bezirksgeschichte lebendig  zu machen.“

Zurück in die Nachkriegszeit führt das Kapitel Freizeit: „Das Leben fing an, wieder Freude zu machen“, resümiert Karl-Heinz Krause in seiner Erzählung. Erika Fehling erinnert u. a. an das mit finanzieller Hilfe der Amerikaner gebaute Columbiabad: „Dort gab es einen Sprungturm mit Zehn-Meter-Brett, damals (1951) eine Sensation!“

Ein Zeitfenster von rund 90 Jahren öffnet indes das Kapitel Wohnen. Die Bedin-gungen, unter denen man in den 1920er Jahren in den Neuköllner Kiezen lebte, werden ebenso thematisiert wie die Kahlschlagsanierung des Rollbergviertels, Hausbesetzungen im Reuterkiez und Umzüge, die etappenweise zur Verbesserung des eigenen Wohnstandards führten.

Die Vielzahl und Vielfalt der Einzelhandelsgeschäfte, wie sie zwischen 1960 und Mitte der 1980er Jahre in Nord-Neukölln noch anzutreffen waren, spiegeln die Erzählungen im Kapitel Einkaufen wider:  Helga Wirths vergleicht in ihrer das heutige Angebot in der Reuter- und Pflügerstraße mit dem der 1970er Jahre. Jürgen Schäfers Fokus liegt auf der Weser- und Elbestraße um 1960, richtet sich aber auch auf die Karl-Marx-Straße: „Ich habe heute noch den Geruch des gepflegten Holzparketts in der Nase ehemaliges hertie-haus neukölln,karl-marx-straßeund denke gerne an die dort verbrachten Stunden zurück. Am Haupteingang gab es einen Pförtner, bei dem man auch seinen Hund für die Zeit des Einkaufs abgeben konnte„, erinnert er an das vor sieben Jahren geschlossene Hertie-Kaufhaus, das nach Ent- kernung und Komplettumbau 2010 als Shop- pingcenter wiedereröffnet wurde.

Für alle, die erst seit wenigen Wochen, Mo- naten oder Jahren Neuköllner sind, ist die Broschüre eine gute Gelegenheit, mehr über den Bezirk und das Leben zwischen S-Bahn-Ring und Hermannplatz vor ihrer Zeit zu erfahren. Bei Alt-Neuköllnern dürfte die Lektüre zahlreiche verschüttete Erinnerungen wachrufen.

Am 28. Januar um 17 Uhr wird die Broschüre „Unser Leben in Neukölln“ in der  Stadtbibliothek  in den Neukölln Arcaden vorgestellt. Das Heft ist außer- dem kostenlos in der Geschäftsstelle der  VHS Neukölln  erhältlich.

Der nächste von Ursula Bach geleitete Geschichtsgesprächskreis behan- delt das Thema  „Von der Schule zum Beruf“, beginnt am 11. Februar und umfasst 10 Termine.

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