„Was für ein schauderhafter Anblick! Wenn ich könnte, würde ich da selber hochklettern und die Luftballons abmachen.“ Die alte Dame, die seit Jahrzehnten in der Mainzer Straße wohnt, kommt beinahe täglich an der Bäckerei in der Neuköllner Flughafen-straße vorbei, die gestern vor einer Woche zum Tatort wurde.
Es ist wahrlich ein bizarres Stillleben, das sich am Börek Haus bietet: Über der mit Packpapier ver- klebten Schaufenster- front eine üppige Luft- ballongirlande, leuch- tende Schilder an den Scheiben, die auf die Neueröffnung hinwei- sen, ein Polizeisiegel unter dem Türknauf und Kerzen und Blumen auf dem Fenstersims. Freude, Stolz, Trauer, Entsetzen und Wut prallen ungebremst aufeinander. „Eine Frau ist kein Objekt, man kann sie nicht besitzen“, steht auf einem handgeschriebenen, schwarz umrandeten Zettel. Der Mann, der in der erst kürzlich eröffneten Bäckerei seine Ex-Freundin und deren Schwester mit Kopfschüssen hinrichtete, sah das offenbar anders. Erstere starb noch am Tatort, letztere erlag Stunden später im Krankenhaus ihren Verletzungen.
In der Flughafenstraße geht das Leben weiter – vor dem Börek Haus etwas lang- samer und leiser. Kaum jemand geht achtlos und unberührt an dem Ort vorbei, an dem sich die beiden Schwestern eine neue berufliche Existenz aufbauen wollten und ihr Leben ließen.
=ensa=
Update (13.2.13): Der Verein Aufbruch Neukölln ruft alle Bürgerinnen und Bürger auf, sich am 18. Februar von 17 – 18 Uhr an einer Kundgebung gegen Gewalt in der Flughafenstr. 35 in Neukölln zu beteiligen.
An diesem Ort hat vor gut einem Monat ein Mann in einem Imbiss zwei Frauen getötet. Eine der erschossenen Frauen soll seine Ex-Partnerin gewesen sein, die andere ihre Schwester. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Vätergruppe sowie der Mütter- und Frauengruppen des Vereins Aufbruch Neukölln haben einen Monat nach dieser Bluttat den dringenden Wunsch geäußert, den Tatort zu besuchen und der getöteten Schwestern zu gedenken. Unabhängig von der Herkunft des Täters und der Opfer sowie des Tatmotivs sei es wichtig, ein Zeichen zu setzen und Gewalt, wo auch immer sie vorkomme, zu ächten, sagten die Frauen und Männer, die sich regelmäßig in Gesprächskreisen treffen.
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