Der Weg nach oben ist tückisch und steil. „Passen Sie auf der Treppe auf!“, rät Rita Spanner, die sich längst an die abgewetzten, knarzenden Stufen gewöhnt hat. Den 15 Frauen, die seit Mitte März am Projekt „Nur Mut für
Müt- ter in Neukölln“ teilneh- men, geht es inzwischen genauso. Und der Weg zu den Projekträumen im 1. Stockwerk in der Karl- Marx-Straße 50 war mit Sicherheit die kleinste Herausforderung, die sie zu meistern hatten.
Stundenlang aus dem Haus zu sein und das regelmäßig, war für alle eine vollends verlernte oder gar gänzlich unbekannte Situation. Den Lebensrhythmus hatten lange Zeit die Kinder und die Aufgaben innerhalb der eigenen vier Wände bestimmt. „Genug zu tun hatte ich immer“, blickt eine der Frauen zurück. Trotzdem war sie – wie alle anderen Projektteilnehmerinnen – das, was landläufig als „arbeitslos“ bezeich- net wird.
Durch das von der ajb GmbH initiierte Beschäftigungsangebot „Nur Mut für Mütter in Neukölln“ wird den JobCen- ter-Kundinnen nun die Möglichkeit gegeben, sich in den Bereichen Hauswirtschaft und Nähen zu qualifizieren und den Wiedereinstieg ins Berufsleben zu trainieren, wobei neben fach- lichen Fähigkeiten auch die sozialen Kompetenzen
geschult werden. „In Sachen Teamwork, Kommunikation und Streitkultur hatten die Frauen schließlich im Laufe der Zeit einige Defizite angesam- melt“, so die Erfah- rung von Projektleiterin Rita Spanner. Schon deshalb beginne jeder Tag mit einer Gesprächsrunde, bei der
Organisatorisches und Zwischenmenschliches erörtert wird: „Oft sind es ja kleine Missver-ständnisse oder nicht angesprochene Proble- me, die zu großen Hürden werden.“ Ebenso oft stelle sich zudem bei den Meetings heraus, wie sehr sich die Frauen untereinander helfen und
voneinander pro- fitieren können.
Täglich von mon- tags bis freitags sind sie in der neu gegründeten Einrichtung, je- weils fünf Stunden lang. „Schon die tägliche Dauer bedeutete für die meisten, dass sie, um am Kurs teilnehmen zu können, erstmal eine Bewilligung für die längere Kitabetreuungszeit brauchten“, berichtet Rita Spanner. Sich durch solche Formalitäten kämpfen zu wollen, Unsicherheiten abzulegen und Selbstbewusstsein aufzubauen, gehöre zu den ersten Schritten in die richtige Richtung.
„Ich bin wirklich tief beeindruckt, mit wie viel Stolz, Einsatz und Konzentration die Mütter inzwischen bei der Sache sind und wie sie es schaffen, ihren Alltag neu zu
regeln“, freut sich die Projektleiterin. Der Fotograf Luca Abbiento, der Portraitfotos von den Frauen machte, die nun im langen Flur der Projektetage hängen, erlebte es ähnlich. Am Anfang seien sie sehr zögerlich und unsicher gewesen. „Aber nachdem wir uns etwas kennen gelernt haben und sie Vertrauen zu mir aufbauen konnten, war es für alle selbstverständlich, bei der Fotoaktion mitzumachen.“ Nicht zuletzt durch das gegenseitige Ermuntern untereinander.
Schon zur Halbzeit der Projektlaufzeit ist aus den 15 Müttern ein Team ge- worden, in dem die Schwächen jeder einzelnen ausgeglichen und die Stär- ken gefördert werden. In dem mitein- ander gearbeitet wird und der respekt- volle Umgang oberste Priorität hat. „Sonst würde das Projekt auch kaum klappen“, vermutet Rita Spanner angesichts des heterogenen Gruppengefüges. Die jüngste Teilnehmerin ist 28, die älteste 56; nicht minder unterschiedlich sind die Herkunftsländer, Biographien und Zukunfts- pläne der Frauen. Ihr entscheidender gemeinsamer Nenner ist, dass sie Kinder haben und wieder ins Berufsleben einsteigen wollen.
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