Schon das Schloss Britz an sich weiß zu beein-drucken. Die schmucke Fassade, der malerische Park, das historische Interieur – alles mächtig prächtig. Seit dem vergangenen Wochenende hat das Kleinod zwischen Nord- und Süd-Neukölln noch eine Attraktion mehr: Es präsentiert eine Sonder-ausstellung mit rund 100 Originalgraphiken von Marc Chagall.
Deren Zustandekommen ist in erster Linie Chris und Berni Fetzer zu verdanken, die am Rande der schwäbischen Alb eine Galerie betreiben und bei einer Hundertwasser-Ausstellung Sonja Kramer, die Geschäftsführerin vom Schloss Britz, kennen lern- ten. Bis zur Idee, das graphische Œuvre von Chagall im vor gut 300 Jahren erbauten Herrenhaus präsentieren zu wollen und das Ehepaar Fetzer als Leihgeber zu kon- sultieren, sei noch einige Zeit vergangen. „Das Schwierigste war die Auswahl der Werke“, erinnern sich Sonja Kramer (M.), die von Neuköllns Bezirksbürgermeister gerne als Schlossherrin bezeichnet wird und Kuratorin Aneta Brinker (r.). „Wir haben eben angeboten, was wir haben“, sagt Berni Fetzer (l.) schmunzelnd – und das sind etwa 500 Chagall-Originale. Äußerst gelungen, um die Bandbreite der Schaffenskraft
des Künstlers zu zeigen, finde er die Auswahl, attestiert der Galerist.
Obwohl er schon viele Stunden mit jedem einzelnen der Werke verbracht hat, haben sie für ihn nichts an Fas- zination verloren. Fetzers Augen leuch- ten, wenn er vom Leben und Wirken Chagalls erzählt, auf winzige Details hinweist oder von der Farbenpracht schwärmt. „Das ist wirklich nicht nur eine besondere Ausstellung, sondern das sind besondere Bilder“, ergänzt Sonja Kramer. Marc Chagalls bunte Lithografien seien seinen Gemälden fast ebenbürtig. „Als wir die Bilder hängten und uns sehr intensiv mit ihnen beschäftigten, war das emotional äußerst bewegend.“ Regelrecht trunken vor Farbe seien sie gewesen. Aneta Brinker nickt zustimmend. Man brauche nicht mal Kunstverstand, um den Besuch der Ausstellung als Hochgenuss verbuchen zu können, „aber mit Kenntnissen über Chagall wird man noch mehr zum Nach- denken angeregt.“
Für viele weniger Kulturbeflissene dürfte es bereits überraschend sein, dass der gebürtige Russe über weit mehr kreative Talente als das zur Malerei verfügte. „Er war auch Dichter, Illustrator und Grafiker“, berichtet die Kuratorin. „Und er hat die Kunst der Radierung in Berlin erlernt.“ Als Chagall sich die Technik der Lithographie, des ältesten Flachdruckverfahrens, aneignete, sei er bereits 63 Jahre alt gewesen, weiß Berni Fetzer.
Es sind Werke aus sieben Jahrzehnten und facet- tenreichsten Schaffensperioden, die nun im Schloss Britz zu sehen sind und dem Besucher einen der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts nahe- bringen. Einen Mann, der stolze 97 Jahre alt wurde, eine schier unbändige Produktivität besaß und in seinen Bildern, so Chris Fetzer, insbesondere zwei
Charakterzüge durch- blitzen ließ: Boden-ständigkeit und den Hang zu Höhenflügen.
Für alle, die sich eingehender mit Chagall beschäftigen möchten, hält das Schloss Britz neben einem Katalog reichlich Literatur bereit. Für die faszinierende Ausstellung selber sollte man sich Zeit nehmen. „Am besten ist es, erst einmal durch zu gehen, um sich einen Überblick zu verschaffen und sich dann beim zweiten Durchgang Muße fürs genaue Betrachten der Werke zu nehmen“, schlägt Sonja Kramer vor.
Das Schloss Britz zeigt die Marc Chagall-Sonderausstellung noch bis zum 6. Januar 2013 von dienstags bis sonntags (11 – 18 Uhr). Eintritt: 7 € (erm. 5 €; Kinder bis 12 Jahre frei), Teilnahme an einer Führung durch die Ausstellung: zzgl. 3 €
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