Nach Hause in die Sonnenallee

foto: anna sinnlosEine knappe Stunde mit S-Bahn und Bus und dann etwa 10 bis 15 Minuten leicht bergauf laufen, dann landet man in einem kleinen Paradies in Waldnähe und Seenähe. In einem Ort voller wohltuender Ruhe und Vogelgezwitscher.

Viereinhalb Wochen war ich in dieser Idylle. Um 20 Uhr werden die Bürgersteige hochgeklappt, man grüßt noch mal knapp über den Gartenzaun und verbringt den Rest des Tages mit  Sternegucken und Sternschnuppen-zählen auf der Wiese – bei Bedarf auch gern mal die ganze Nacht.

foto: anna sinnlosIn zwei von den vier Wo- chen war ich – abgese- hen von meinem Hund – ganz alleine da und auch die umliegenden Häuser waren urlaubsleer. Ich habe manchmal  tagelang mit niemandem gesprochen. Super!

Doch irgendwann musste ich ja mal nach Neukölln zurück. Ich hatte Sehnsucht nach meinen Miezen, die zwar liebevoll von meinem Nachbarn versorgt wurden, aber wir hängen doch alle sehr aneinander. Naja, und so ein bisschen Alltag muss ja auch mal wieder sein. Mein Nachbar kündigte mir schon an, dass in dem Imbiss unten im Haus gebaut würde. Na toll!

Meine Vorfreude auf Neukölln hielt sich wirklich in Grenzen. Allerdings: Endlich wieder mal alles einkaufen können, weil die Auswahl der Geschäfte sehr viel größer ist als im ländlichen Paradies. Und das auch noch ohne begafft zu werden, weil die Haare etwas blauer, die Arme etwas tätowierter, die Lippe etwas gepiercter, die Klamotten etwas punkiger sind. Damit fällt man in Neukölln ja nun wirklich nicht mehr auf.

Meine Katzen waren hochbegeistert über meine erneute Anwesenheit und ich hätte vier Hände gebraucht, um sie so zu kraulen, wie sie es wollten. Auch jetzt liegen sie foto: anna sinnlosnoch stundenlang auf mir rum und schnurren.

Eine Woche habe ich gebraucht, um den Kulturschock zu verdauen. Mich an die miefige Luft zu gewöhnen. Das Gegröle und Gekreische meiner Nachbarn und ihrer Kinder wieder zu ignorieren. Den Baulärm und dieses Kreischen der Säge zu überhören.

Aber tiefer hat es, glaube ich, meinen Hund getroffen. Der kann nun nicht mehr den ganzen Tag im Gras rumliegen und alle paar Stunden mal bellend zum Gartenzaun laufen, weil tatsächlich gerade jemand vorbei kommt. Nur den Wald, in dem man sich sonnenallee neukölln, foto: anna sinnlosstundenlang verlaufen kann und gruselige Begegnungen mit kleinen, lustig zu jagenden Frischlingen hat, deren Mama dann plötzlich vor einem steht, wird er wohl nicht ganz so vermissen.

Neukölln pulsiert, während die Idylle am Stadtrand gemütlich vor sich hin wabert. Es ist immer wieder ange- nehm und immer wieder schön, beides im Wechsel bewusst erleben zu können: Ich habe immer Sehnsucht nach dem anderen, wenn ich im einen bin.

=Anna Sinnlos=