Bei schönem Wetter sind sie eine Mischung aus Open Air-Wohnzim- mer, Trainingscamp und Probe- bühne: die Neuköllner Parks. Viele Besucher bringen Stühle, Tische, Grills, massenweise Verpflegung und ihre Familien oder Freunde mit, andere ihr Jonglier-Equipment oder mehr oder weniger transport- freundliche Musikinstrumente.
Wenn Adrian Umlauft in den Volkspark Hasenheide kommt, um seinem Hobby – das auch gerne zum Beruf werden dürfte – zu frönen, fällt das Gepäck schon etwas schwerer aus. Auf das Gewicht eines Kleinkinds im schönsten Trotzalter bringt es die Ausrüstung, die er zum Slacklinen braucht, locker. „Aber es lohnt sich, sie hier her zu schleppen, weil die Bedingungen einfach perfekt sind“, schwärmt er. Die Senke, die sich in Nordsüdrichtung durch die Hasenheide zieht, sei ein wahres Geschenk für Slackliner. „Wenn die nicht wäre“, erklärt er, „müsste ich bei meinem Gewicht und der Slackline-Länge von etwa 100 Metern ziemlich weit in einen Baum klettern, um die Line zu befestigen und die Dehnung des Bands ausgleichen zu können“. Sieben Meter hoch müsste der Fixpunkt schon angebracht werden, schätzt er. Dass das Aufsteigen dadurch komplizierter und verletzungsträchtiger würde, steht auf einem anderen Blatt.
Spaziergänger bleiben stehen, Radfahrer halten an und die Leute, die auf der Wiese sitzen oder liegen, sehen Adrian Umlauft gebannt zu, wie er das Seil erklimmt. „Will der da etwa rüber?“, fragen sich alle staunend. Ja, er will und verschwindet mental in einer Welt, die nur noch aus dem schmalen Band unter seinen Füßen besteht.
Etwa 10 Minuten dauert es, bis Adrian Umlauft sein Ziel erreicht hat. Eine sportliche Höchstleistung für die Konzentrationsfähigkeit und jeden Muskel seines Körpers. „Besonders“, sagt er, „geht es aber in die Schultern und Arme.“ Nach einer kurzen Pause im Schatten macht er sich auf den Rückweg. Zwei Bänder an der Line zeigen
ihm an, dass eine leichte Brise aus nordwestlicher Richtung weht. Die Zahl derer, die dem Slackliner zusehen wollen, wächst stetig. Dass das Band auf halber Strecke nur noch etwa einen halben Meter von festem Boden ent- fernt ist, beruhigt einerseits. Doch die Spannung, ob Ad-
rian Umlauft die Strecke erneut ohne unfreiwilligen Abgang schaffen wird, bleibt bis zum Schluss. „Die größte Gefahr sind freilaufende Hunde, die mich anspringen, oder Leute, die in die Line greifen“, sagt er, als er wieder festen Boden unter den Füßen und die In-Ear-Kopfhörer aus den Ohren gezogen hat: „Musik brauch ich, um störende Geräusche auszuschalten und mich besser konzentrieren zu können.“ Das sei schon zu Beginn seiner Slackliner-Laufbahn vor etwa 1 1/2 Jahren so gewesen, anderes habe sich hingegen komplett verändert: Die Länge der Strecken und das Gefühl für den schmalen Grat. „Früher hab ich mich am Anfang und Ende des Seils sicherer gefühlt, weil es dort stabiler ist. Aber je mehr Erfahrung ich hab, desto lieber mag ich die Mitte und das Schwingen.“ Irgendwann will Adrian Umlauft auch eine 200 Meter-Distanz in der Hasenheide in Angriff nehmen. Geeignete Bäume, findet er, gebe es durchaus.
=ensa=
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