Jürgen Mentzel weiß es noch ganz genau: Der 24. April 1972 war ein Montag. Am Freitag vorher habe er sich bei der Günther Wulff Apparatebau GmbH vorgestellt, um sich für die per Zeitungsinserat ausgeschriebene Stelle in der Gerätemontage zu bewerben, und „nach dem Wochenende hab ich dann gleich
angefangen“. Die bisher einzige und nur vierwöchige Phase der Arbeitslosigkeit in Mentzels 1966 begon- nener beruflicher Laufbahn war damit beendet. „Bei gerade mal drei Arbeit- gebern war ich in der Zeit beschäftigt“, resümiert der heute 61-Jährige. Eine sol- che Beständigkeit sei ja im Berufsleben längst ungewöhnlich. Vor allem für jemanden wie ihn, der ohne Lehre von der Schule in die Erwerbstätigkeit wechselte.
Nicht minder ungewöhnlich sind die Erlebnisse, die Jürgen Mentzel von nun an mit dem 24. April 2012 verbindet. „So richtig aufgeregt bin ich eigentlich nicht, aber ein bisschen kribbelt’s natürlich schon“, beschrieb der gebürtige Berliner noch am Vortag des großen Ereignisses seine Stimmungslage. Schließlich werde er zum ersten Mal für 40 Jahre Betriebszugehörigkeit geehrt, und dass Neuköllns Bezirksbürger- meister zum Gratulieren kommt, das sei ja auch etwas Besonderes. Bisher habe er ihn meist nur in Talkshows gesehen. Auf das Shakehands mit Heinz Buschkowsky musste Mentzel allerdings bis zum Schluss der Feierlichkeiten warten. Vorher kamen Kollegen und Vorgesetzte zu ihm auf die Bühne im Pausenraum des Unternehmens, das seit 1982 nicht mehr Günther Wulff Apparatebau GmbH sondern Bally Wulff Games & Entertainment GmbH heißt und zu Deutschlands Marktführern im Bereich der Unterhaltungs- technologie zählt.
„Vor 40 Jahren war Willy Brandt Bundeskanzler, Gustav Heine- mann Bundespräsident und Bayern München stand in der Fußball-Bundesliga ganz oben“, erinnert Geschäftsführer Sascha Blodau (l.) den begeisterten Kicker und Fußball-Fan Jürgen Mentzel, der sich ehrenamtlich für die Berliner Fußball-Kirchen- liga engagiert. Der seinerzeit angesagteste Geldspielautomat habe „Monarch“ geheißen und sei das erste Gerät gewesen, an dem Mentzel mitgebaut habe.
„Spielautomaten waren damals für mich völliges Neuland“, sagt der Jubilar. Natür- lich habe er als Jugendlicher mal davor gestanden und sein Glück versucht, aber „mehr als Groschenbeträge hab ich nie eingesetzt“. Ihn habe schon immer die Technik im Inneren der Geräte mehr interessiert: „Weil ich wirklich tech- nisch begabt und ein Tüftler bin, hatte ich auch von Anfang an keine Berührungsängste.“ Bereits nach einem Jahr Fließbandarbeit kannte Jürgen Mentzel alle Arbeitsschritte vom ersten bis zur Endkontrolle und konnte an jeder x-beliebigen Stelle innerhalb der Gerätemontage einge- setzt werden. Vermutlich trug auch diese Vielseitigkeit entscheidend dazu bei, dass ihm der Spaß am Job erhalten blieb: „Außerdem liegt das aber auch daran, dass sich die Spielautomaten im Laufe der Zeit sehr verändert haben und die Entwicklungen immer wieder eine Heraus-forderung darstellen.“ Früher hätten sie rein mechanisch funktioniert und aus vielen Einzelteilen bestanden, die in Handarbeit montiert werden mussten, heute strotzen die Geräte vor elektronischen Komponenten. „Über 150.000 Geräte sind es
inzwischen, an denen Herr Mentzel mitgearbeitet hat“, schätzt Sascha Blodau.
„Sie sind also seit stolzen vier Jahrzehnten einer von denen, die täglich dafür sorgen, dass einer der Grundtriebe des Menschen nicht ver- loren geht“, bestätigte Heinz Busch- kowsky dem dienstältesten der ak- tuell 240 Bally Wulff-Mitarbeiter. Außer Sex und dem Streben nach Macht und Geld würde zu denen zweifellos auch der Spieltrieb gehören. Geradezu hysterisch sei, so Neuköllns Bezirksbürgermeister, die auf politischer Ebene gras- sierende Debatte um Spielhallen und Casinos: Es könne doch nicht angehen, dass Automaten für menschliche Verirrungen verantwortlich gemacht werden und eine ganze Branche darunter leiden solle. Buschkowsky machte jedoch auch keinen Hehl daraus, dass ihm derartige Verirrungen ansatzweise nicht gänzlich unbekannt sind. „Früher war ich vorm Flipper kaum weg zu kriegen, und heute ist es für mich besser, Abstand von Roulette-Tischen zu halten“, gestand er Jürgen Mentzel, bevor er ihm für dessen 40-jährige Bally Wulff-Treue eine Anerkennungsurkunde des Neuköllner Bezirksamts überreichte.
Solche Termine seien für ihn doch sehr rar geworden, erklärte der Neuköllner Rathaus-Chef. Einerseits würden Jubiläen heutzutage oft anders gehandhabt und beispielsweise in Weihnachtsfeiern integriert werden. Andererseits sei eine jahrzehntelange Beschäftigung bei nur einem Arbeitgeber aber eben längst ein Auslaufmodell. Bis beim Spielautomaten-Hersteller am Maybachufer wieder ein 40-jähriges Jubiläum gefeiert werden kann, sind es nicht mal mehr fünf Jahre. Dann ist Jürgen Mentzel dem Ruhestand schon ein entscheidendes Stück näher.
=ensa=
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