„Das ist ja wie im Mittelalter!“ Als Lob ist diese Bemerkung meist nicht gemeint. Birgit Katins sieht das aber ganz anders. Wenn sich alle wie im Mittelalter fühlen, ist das für sie der Applaus für ihre Arbeit.
Der Himmel über dem Gutshof Britz, wo noch bis Dienstag ein Mittelalterspektakel Hof hält, könnte nicht blauer sein, die Temperaturen scheinen sich im Monat geirrt zu haben, und Jonas schwitzt unter seinem Ritterhelm. Das Schwert hat der Siebenjährige lässig in den Gürtel über seiner Tunika geschoben. Jonas‘ kleine Schwester trägt ein langes, wallendes Burgfräulein-Kleid, die Eltern der beiden Jeans und T-Shirts. Ein Kostümfest für
Kinder sei die Veranstaltung mit über 50 Händler- und Handwerkerständen und zahlreichen anderen Attraktio- nen aber nicht, betont Birgit Katins: „Mindestens genauso oft sind es Erwachsene, die in historischen Ge- wändern zu unseren Mittelalter- märkten kommen und sich von dem Ambiente in den Bann ziehen lassen.“
Es ist in der Tat die nahezu perfekte Illusion einer Zeitreise, die Katins seit nunmehr 12 Jahren als Organisations-Chefin für die Eventagentur Coex schafft. Das fängt schon bei der Auswahl der Location an und endet bei Details wie den mit Jute-Holz-Konstruktionen verhüllten Mülleimern. Ein stim-
miges Umfeld müsse sein, und das böten eben meist nur Rittergüter, Schlösser und Bur- gen. Der Gutshof Britz sei so ein optimaler Platz, obwohl er gerne ein bisschen mehr Schatten haben dürfte, findet nicht nur Birgit Katins, sondern auch die etwa 500 Protagonisten, die am Mittelalterspektakel beteiligt sind und zuvor alle ein Bewerbungsverfahren durchliefen: „Ohne das geht es nicht, wegen der Qualität und der handwerklichen Bandbreite, die den Besuchern geboten werden sollen.“ Schließlich würde man nicht einen Filzer oder Schmied oder Bogen-


bauer neben dem anderen stehen haben wollen. Eben dieser Anspruch gilt auch für Anbieter, die sich des leiblichen Wohls der Besucher annehmen. „Nur Ritter haben wir richtig viele, um die 40“, sagt die Organisatorin. Seit Freitag haben die ihre Kämpfe zu Fuß ausgefochten, ab morgen tragen sie Ritterturniere zu Pferd aus und

markieren so weitere Höhepunkte auf dem – u. a. mit dem Gaukler Götz von B und den rockenden Dudelzwergen besetzten – ohnehin schon hochklassigen Enter- tainment- und Bühnenprogramm. Aber auch an den Ständen und vor den Zelten auf der Wiese kommt die Unterhaltung nicht zu kurz, denn dort wird nicht nur gearbeitet,

sondern die Tätigkeit auch gerne erklärt und viel über das Mittelalter und von den Menschen, die in dieser Epoche lebten, erzählt. Jonas trägt seinen Ritterhelm inzwischen in der Hand, Schwester Lina einen Burgfräulein-Kranz auf dem Kopf und
die Mutter der beiden, die sich zum Besuch des Mittelalterspektakels überreden lassen musste, bereut kein bisschen, dass das ihrer
Familie gelungen ist. Lina will gleich unbedingt ei- ne Runde reiten, Jo- nas danach auf jeden Fall die kleine Einfüh- rung in den Schwert- kampf mitmachen. Letztere ist gratis, das Reiten schlägt mit 2 Euro zu Buche. „50 Euro werden wir hier heute bestimmt los“, kalkuliert der Vater. Inklusive der Familien- eintrittskarte für 12 Euro, deren Preis an den beiden Ritter- turnier-Tagen sogar auf 20 Euro angehoben wird. Dass die Kosten für viele Berliner Familien ein Problem sind, weiß auch Birgit Katins. „Aber das ließe sich alles nicht stemmen, wenn wir keinen Eintritt nehmen würden“, sagt sie.
Ein organisatorisches Problem ergibt sich dadurch indes für das auf dem Gutshof-Gelände angesiedelte Museum Neukölln. „Das geht gar nicht, dass Leute, die nur zu uns und nicht zum Mittelalterspektakel wollen, erstmal vorne am Kassenhäuschen ewig lange diskutieren müssen, um das Eintrittsgeld zu umgehen“, kritisiert der Mitarbeiter der bezirklichen Einrichtung, für die normalerweise „Eintritt frei“ gilt.
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