Die ideale Alternative

Wenn sich an den Ufern des Neuköllner Schiffahrts- und Landwehrkanals Spazier- gänger,  Hunde und  Jogger gegenseitig  auf  die  Füße   treten und sich  dazwischen

Radfahrer im Slalom üben … Wenn also der Verdacht aufkommt, dass alle Down-by-the-Riverside-Plätze in Neukölln schon vergeben sind, empfehlen wir denen, die Grünes und Wasser mit Ruhe statt Trubel mögen: den Teltowkanal.

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Geschichtsstunden für alle Sinne

mittelalterspektakel gutshof britz neukölln„Das ist ja wie im Mittelalter!“ Als Lob ist diese Bemerkung meist nicht gemeint. Birgit Katins sieht das aber ganz anders. Wenn sich alle wie im Mittelalter fühlen, ist das für sie der Applaus für ihre Arbeit.

Der Himmel über dem Gutshof Britz, wo noch bis Dienstag ein Mittelalterspektakel Hof hält, könnte nicht blauer sein, die Temperaturen scheinen sich im Monat geirrt zu haben, und Jonas schwitzt unter seinem Ritterhelm. Das Schwert hat der Siebenjährige lässig in den Gürtel über seiner Tunika geschoben. Jonas‘ kleine Schwester trägt ein langes, wallendes Burgfräulein-Kleid, die Eltern der beiden Jeans und T-Shirts. Ein Kostümfest für mittelalterspektakel gutshof britz neuköllnKinder sei die Veranstaltung mit über 50 Händler- und Handwerkerständen und zahlreichen anderen Attraktio- nen aber nicht, betont Birgit Katins: „Mindestens genauso oft sind es Erwachsene, die in historischen Ge- wändern zu unseren Mittelalter- märkten kommen und sich von dem Ambiente in den Bann ziehen lassen.“

mittelalterspektakel gutshof britz neuköllnEs ist in der Tat die nahezu perfekte Illusion einer Zeitreise, die Katins seit nunmehr 12 Jahren als Organisations-Chefin für die Eventagentur Coex schafft. Das fängt schon bei der Auswahl der Location an und endet bei Details wie den mit Jute-Holz-Konstruktionen verhüllten Mülleimern. Ein stim- mittelalterspektakel gutshof britz neuköllnmiges Umfeld müsse sein, und das böten eben meist nur Rittergüter, Schlösser und Bur- gen. Der Gutshof Britz sei so ein optimaler Platz, obwohl er gerne ein bisschen mehr Schatten haben dürfte, findet nicht nur Birgit Katins, sondern auch die etwa 500 Protagonisten, die am Mittelalterspektakel beteiligt sind und zuvor alle ein Bewerbungsverfahren durchliefen: „Ohne das geht es nicht, wegen der Qualität und der handwerklichen Bandbreite, die den Besuchern geboten werden sollen.“  Schließlich würde man nicht einen Filzer oder Schmied oder  Bogen-

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bauer neben dem anderen stehen haben wollen. Eben dieser Anspruch gilt auch für Anbieter, die  sich des leiblichen Wohls der Besucher annehmen. „Nur Ritter haben wir richtig viele, um die 40“, sagt die Organisatorin.  Seit Freitag haben die ihre Kämpfe zu Fuß ausgefochten, ab morgen tragen sie Ritterturniere zu Pferd  aus und

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markieren so weitere Höhepunkte auf dem – u. a. mit dem Gaukler Götz von B und den rockenden Dudelzwergen besetzten – ohnehin schon hochklassigen Enter- tainment- und Bühnenprogramm. Aber auch an den Ständen und vor den Zelten auf der  Wiese kommt die  Unterhaltung nicht zu kurz, denn dort wird  nicht nur gearbeitet,

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sondern die Tätigkeit auch gerne erklärt und viel über das Mittelalter und von den Menschen, die in dieser Epoche lebten, erzählt. Jonas trägt seinen Ritterhelm inzwischen in der Hand, Schwester Lina einen Burgfräulein-Kranz auf dem Kopf und mittelalterspektakel gutshof britz neuköllndie Mutter der beiden, die sich zum Besuch des Mittelalterspektakels überreden lassen musste, bereut kein bisschen, dass das ihrer mittelalterspektakel gutshof britz neuköllnFamilie gelungen ist. Lina will gleich unbedingt ei- ne Runde reiten, Jo- nas danach auf jeden Fall die kleine Einfüh- rung in den Schwert- kampf mitmachen. Letztere ist gratis, das Reiten schlägt mit 2 Euro zu Buche. „50 Euro werden wir hier heute bestimmt los“, kalkuliert der Vater. Inklusive der Familien- eintrittskarte für 12 Euro, deren Preis an den beiden Ritter- turnier-Tagen sogar auf 20 Euro angehoben wird. Dass die Kosten für viele Berliner Familien ein Problem sind, weiß auch Birgit Katins. „Aber das ließe sich alles nicht stemmen, wenn wir keinen Eintritt nehmen würden“, sagt sie.

Ein organisatorisches Problem ergibt sich dadurch indes für das auf dem Gutshof-Gelände angesiedelte Museum Neukölln. „Das geht gar nicht, dass Leute, die nur zu uns und nicht zum Mittelalterspektakel wollen, erstmal vorne am Kassenhäuschen ewig lange diskutieren müssen, um das Eintrittsgeld zu umgehen“, kritisiert der Mitarbeiter der bezirklichen Einrichtung, für die normalerweise „Eintritt frei“ gilt.

=ensa=

Lebhafte Diskussion um die „Kampfzone Straße“

karlheinz gaertner, fadi saad, buchpräsentation "kampfzone straße" (herder-verlag), campus rütli neuköllnDafür, dass ein Buch vorgestellt wurde, ist  vor- gestern Nachmittag recht wenig gelesen wor- den. Das war mein erstes Fazit, als ich aus der Buchpremiere „Kampfzone Straße – Jugend- liche Gewalttäter jetzt stoppen“ kam. Aber nicht, dass die Präsentation des ersten Werks des Autoren-Duos Fadi Saad und Karlheinz Gaertner deshalb langweilig gewesen wäre.

Fadi Saad, hauptberuflich als Quartiersmana- ger tätig, rannte bis zum Beginn der Ver- anstaltung gestresst hin und her, um Freunde und Familie auf ihre Plätze zu geleiten und dem ein oder anderen Reporter schon mal auf Fragen zu antworten. Karlheinz Gaertner,  Hauptkommissar und Dienstgruppenleiter des Polizeiabschnitts 55 in Neukölln, sah dem Treiben vom Rand aus zu. Die Mensa vom Campus Rütli war mit rund 200 buchpräsentation "kampfzone straße" (herder-verlag), campus rütli neuköllnZuschauern sehr gut gefüllt und dem- entsprechend warm. Jugendlich wa- ren nur wenige, das Bild war haupt- sächlich von älteren Herrschaften geprägt, die größtenteils verdächtig nach Lehrern aussahen.

Das musikalische Opening eines Ney-Spielers ließ kurz das Drumherum vergessen, die Begrüßung von Herder-Verlagsleiter Stephan Meyer holte alle ins Thema zurück und leitete zur Ansprache unseres Neuköllner Bürgermeisters Heinz Buschkowsky über.

fadi saad, gerd nowakowski (tagesspiegel), karlheinz gaertner, heinz buschkowsky, buchpräsentation "kampfzone straße" (herder-verlag), campus rütli neukölln

(v. l.: Fadi Saad, Gerd Nowakowski (Tagesspiegel), Karlheinz Gaertner, Heinz Buschkowsky)

Der ließ sich mal wieder eingehend über den glorrei- chen Werdegang der Rütli-Schule aus, prangerte an, dass das Hauptproblem der Jugendgewalt darin liege, dass niemand zugeben wolle, dass es ein Problem gibt. Denn dann müsse man sich ja unweigerlich der Folgefrage stellen, wie das Problem zu lösen sei. Auch sein schon oft bemühtes Rechenexempel hatte Buschkowsky wieder parat: Mit 220.000 Euro pro Jahr könne man fünf Knackies durchfüttern oder aber 650 Schüler durchs Abi bringen. Die Gesellschaft müsse sich entscheiden. So recht Buschkowsky mit solchen Thesen immer noch haben mag, langsam klingen sie wie eine Platte mit Sprung, die ebenso wenig Veränderung bewirkt. Am Ende verschwand der Bezirksbürgermeister umgehend und hinterließ das Gefühl seiner Unwissenheit über das Buch und die Autoren. Nunja.

Gerd Nowakowski vom Tagesspiegel, der die Veranstaltung moderierte, tat der Stimmung im Saal um einiges besser und sorgte immer wieder für Gelächter – auch mit einer kleinen Aufzählung des nicht unerheblichen Strafregisters, das Fadi Saad als fadi saad, buchpräsentation "kampfzone straße" (herder-verlag), campus rütli neuköllnMitglied einer Jugendgang angesammelt hatte. Saad wiederum lockerte das Publikum auf, indem er sich nicht eisern an Absprachen hielt, sondern ein wenig vor sich hin improvisierte. So kam es denn wohl auch, dass mehr erzählt als gelesen wurde. Dass mehr diskutiert als zitiert wurde und die Veranstaltung so sehr lebendig blieb.

Immer wieder ging es dabei um die Erziehungs- frage und den Punkt, wer wieviel Verantwortung dafür trägt. Auch unter den Autoren gibt es hier Kontroversen: Während Fadi Saad die Lehrer im Boot sieht, ist Karlheinz Gaertner der Meinung, dass karlheinz gaertner, buchpräsentation "kampfzone straße" (herder-verlag), campus rütli neukölln– insbesondere vor dem Hintergrund der perso- nellen und finanziellen Schieflage in den Schulen – die Zuständigkeit eindeutig bei den Eltern liegt.

Am Ende sprachen alle angeregt miteinander und es blieb die Hoffnung, dass Menschen wie Fadi Saad und Karlheinz Gaertner wirklich etwas verändern können. Viel Lob bekamen die beiden für das, was sie in ihren Brotjobs machen, allemal: Einige Sozialarbeiter und Gewaltpräventions- experten von der Polizei berichteten kurz von ihrem Arbeitsalltag mit Jugendlichen und  untermauerten so das vorher Gesagte. Patentrezepte mit Erfolgsgarantie zum Stoppen der Jugendgewalt wollte niemand geben, aber Empfehlungen wie zum Beispiel die, das Waffengesetz zu ändern und ein generelles Messerverbot zu erheben. Wie das praktisch umgesetzt werden könnte, erfuhr ich leider nicht.

=Anna Sinnlos=

Erst die Arbeit, ab heute das Vergnügen … bei den Neuköllner Maientagen

„Jetzt nur noch putzen, dann kann’s losgehen“, sagt der Betreiber des Kinder- karussells gegenüber vom Festplatz an der Elch-Hütte. In gerade mal sieben knusperhaus, 47. neuköllner maientage, volksfest berlin-neukölln, organisation: thilo-harry wollenschlaegerStunden war der Aufbau seines Fahr- geschäfts geschafft. Das Schlimmste, also die Putzerei, komme immer zum Schluss. Beim Knusperhaus, direkt am Haupteingang zu den 47. Neu- köllner Maientagen in der Hasen- heide läuft es genau umgekehrt: Da wird erst alles auf Hochglanz gebracht und dann das süße Sortiment ge- stapelt, aufgehängt und  -gestellt. Et- wa zwei Tage bräuchten sie schon, bis alles wieder an seinem Platz ist, überschlägt eine der vier Mitarbeiterinnen. Heute Mittag, wenn Berlins größtes Parkfest beginnt, werden sie aber definitiv fertig sein.

atlantis waterrafting, 47. neuköllner maientage, volksfest berlin-neukölln, organisation: thilo-harry wollenschlaegerAm anderen Ende der Hasenheide ist der Zeitdruck erheblich größer. Was heute „Atlan- tis Rafting“, Deutschlands größte Wildwas- serbahn, sein und – ebenso wie alle ande- ren Fahrgeschäfte – am Vormittag die TÜV- Prüfung bestehen soll, war gestern noch ein überdimensionales Puzzlespiel kettenflieger around the world, 47. neuköllner maientage, volksfest berlin-neukölln, organisation: thilo-harry wollenschlaegeraus Einzel- teilen, die per Tieflader an- gekarrt und von Kränen  an ihre Plätze gehievt wurden. Einige Meter weiter sah es zwar etwas, aber auch nicht viel besser aus: Bis zum 20. Mai wird sich hier der Kettenflieger „Around the World“ drehen und die kettenflieger around the world, 47. neuköllner maientage, volksfest berlin-neukölln, organisation: thilo-harry wollenschlaegerPassagiere dabei in 16 doppelsitzigen Gondeln in eine Hö- he von 60 Metern bringen. Der höchste mobile Kettenflieger der Welt sei eines der Highlights der diesjährigen Neuköllner Maientage, sagt Thilo-Harry Wollenschlaeger, der das Volksfest zum zweiten Mal im Auftrag des Bezirksamts organisiert.

euro coaster, 47. neuköllner maientage, volksfest berlin-neukölln, organisation: thilo-harry wollenschlaegerAn einem weiteren Besuchermagnet, dem Euro Coaster, wird bereits seit Tagen ge- werkelt.  Die mit nach unten hängenden euro coaster, 47. neuköllner maientage, berlin-neuköllnGondeln bestück- te Achterbahn ist erstmals in Berlin zu Gast und feiert ihre Hauptstadt- Premiere in Neukölln. „Andere Schaustel- ler“, so Wollenschlaeger, „sind dagegen bereits zum 47. Mal dabei.“ Als Spross einer renommierten Schaustellerfamilie weiß er ganz genau, dass es vor allem die Mischung aus Tradition und Hightech ist, die den Reiz für Rummelbesucher ausmacht.

Folglich zieht sich das Miteinander von Altbewährtem und Neuem wie ein roter Faden durch das Gesamtkonzept des Volksfests in der Hasenheide. Täglich gibt es Kasperletheater und Clownerien für die Kleinen sowie ein Non-Stop-Bühnenprogramm für die ganze Familie: „Neu ist, dass wir dienstags und donnerstags die Castingshow ‚Neukölln sucht das Multi-Kulti-Süper-Talent‘ haben.“ Außer Applaus können die Teilnehmer bei der durch die Kooperation mit dem deutsch-türkischen Berliner Stadtmagazin Merhaba ein iPad, ein iPhone sowie einen Restaurantgutschein gewin- nen. Ebenfalls neu sei, dass das Höhenfeuer- werk der Neuköllner Maientage nun freitags statt sonnabends stattfindet. Unverändert ist dagegen, dass am Muttertag Schoko-Maikäfer verteilt werden, knabberlok, 47. neuköllner maientage, volksfest berlin-neukölln, organisation: thilo-harry wollenschlaegermittwochs Karussellfahrten zum halben Preis zu haben sind, kein Eintritt für den Besuch des Volks- fests erhoben wird und Neuköllns Bezirksbürger- meister Heinz Buschkowsky die Neuköllner Maientage mit dem traditionellen Fassbieranstich eröffnet. Heute um 17 Uhr ist es soweit! Bis dahin wird auch die Knabberlok in neuem Glanz erstrahlen.

Für eine Verlosung haben uns Thilo-Harry Wollenschlaeger und die Schausteller der Neuköllner Maientage zwei Freikartenblöcke mit jeweils 27 Gratis-Coupons sowie ein „Zahl 1, bekomm 2“-Gutscheinheft zur Ver- fügung gestellt.

Gewinnchancen hat, wer die Frage „Was wird bei der Castingshow der Neuköllner Maientage gesucht?“ richtig beantworten kann und die Lösung bis zum 29.4. um 12 Uhr per E-Mail an schickt. (Die Gewinner werden direkt benachrichtigt.)   Viel Glück!

=ensa=

Alle für einen: Integrationsbemühungen um den Emser Platz

Ein Baum, eine vernachlässigte Baumscheibe, einige meist gut frequentierte Fahrradbügel und zwei  mit Mosaiksteinen beklebte Sitzgelegenheiten, die fast nie besetzt werden: das ist der Emser Platz gegenüber von Neuköllns Feu- erwache. Für alle, die tagsüber im Körnerkiez einen Ort zum Verweilen suchen, ist er ob seiner nur rudi- mentären Aufenthaltsqualität eher letzte als erste Wahl. Abends sieht die Sache wegen der Gäste, die die Kul- tur-Kiez-Kneipe Laika anzieht, schon anders aus.

Nun aber soll endlich in den Bio- rhythmus des Platzes an der Kreuzung Emser-/Kirchhofstraße eingegriffen und dem stadtplanerischen Stiefkind mehr tageslichttaugliche Attraktivität eingehaucht werden. Erste Maßnahme ist ein Aktionstag  (morgen von 14.30 – 17 Uhr), bei dem An- wohner und Gewerbetreibende aus dem Viertel ihre Ideen für eine kontinuierliche Pflege des Platzes einbringen und ihr Engagement bestenfalls gleich durch Pflan- zenpatenschaften zum Ausdruck bringen können. Schon am Samstag (ab 10 Uhr) geht es mit der Premiere einer Veranstaltungsreihe weiter, die auf die Belebung des Platzes zielt und seine Qualitäten als Treffpunkt herausstellen will: Bis zum Herbst soll sich der Emser Platz an jedem letzten Sonnabend im Monat in einen Kiez-Tauschmarkt verwandeln. Einen nichtkommerziellen, wie das Team vom Haus der deutsch-arabi- schen Jugend e. V. betont, das bereits durch die Organisation des Zucker- fests im Körnerkiez Veranstaltungs- erfahrungen sammeln konnte. In erster Linie gehe es darum,  einen  „Raum für Begegnungen und Kommunikation“ zu schaffen. Wer Dinge loswerden will, die er nicht mehr braucht, könne die auf dem Tauschmarkt anbieten. „Interessierte müssen sich  aber vorher bewerben und ihr Vorhaben vorstellen“, machen die Organisatoren aufmerksam. Denkbar sei auch, dass Vereine aus dem Kiez ihre Projekte präsentieren: „Das ist allerdings nicht das Hauptziel des Marktes.“ Vielmehr soll er einen Impuls geben, dass die Anwohner den Emser Platz endlich als ihren Platz begreifen, ihn nutzen und so in den Alltag integrieren – statt ihn weiterhin zu ignorieren.

=ensa=

Große Anerkennung für ein Auslaufmodell

Jürgen Mentzel weiß es noch ganz genau: Der 24. April 1972 war ein Montag. Am Freitag vorher habe er  sich bei der Günther Wulff Apparatebau GmbH vorgestellt, um sich für die per Zeitungsinserat ausgeschriebene Stelle in der Gerätemontage zu bewerben, und „nach dem Wochenende hab ich dann gleich angefangen“. Die bisher einzige und nur vierwöchige Phase der Arbeitslosigkeit in Mentzels 1966 begon- nener beruflicher Laufbahn war damit beendet. „Bei gerade mal drei Arbeit- gebern war ich in der Zeit beschäftigt“, resümiert der heute 61-Jährige. Eine sol- che Beständigkeit sei ja im Berufsleben längst ungewöhnlich. Vor allem für jemanden wie ihn, der ohne Lehre von der Schule in die Erwerbstätigkeit wechselte.

Nicht minder ungewöhnlich sind die Erlebnisse, die Jürgen Mentzel von nun an mit dem 24. April 2012 verbindet. „So richtig aufgeregt bin ich eigentlich nicht, aber ein bisschen kribbelt’s natürlich schon“, beschrieb der gebürtige Berliner noch am Vortag des großen Ereignisses seine Stimmungslage. Schließlich werde er zum ersten Mal für  40 Jahre Betriebszugehörigkeit  geehrt, und dass Neuköllns Bezirksbürger- meister zum Gratulieren kommt, das sei ja auch etwas Besonderes. Bisher habe er ihn meist nur in Talkshows gesehen. Auf das Shakehands mit Heinz Buschkowsky musste Mentzel allerdings bis zum Schluss der Feierlichkeiten warten. Vorher kamen Kollegen und Vorgesetzte zu ihm auf die Bühne im Pausenraum des Unternehmens, das seit 1982 nicht mehr Günther Wulff Apparatebau GmbH sondern Bally Wulff Games & Entertainment GmbH heißt und 40jähriges betriebsjubiläum von jürgen mentzel (r.) bei bally wulff, sascha blodauzu Deutschlands Marktführern im Bereich der Unterhaltungs- technologie zählt.

„Vor 40 Jahren war Willy Brandt Bundeskanzler, Gustav Heine- mann Bundespräsident und Bayern München stand in der Fußball-Bundesliga ganz oben“, erinnert Geschäftsführer Sascha Blodau (l.) den begeisterten Kicker und Fußball-Fan Jürgen Mentzel, der sich ehrenamtlich für die Berliner Fußball-Kirchen- liga engagiert.  Der seinerzeit angesagteste Geldspielautomat habe „Monarch“ geheißen und sei das erste Gerät gewesen, an dem Mentzel mitgebaut habe.

„Spielautomaten waren damals für mich völliges Neuland“, sagt der Jubilar. Natür- lich habe er als Jugendlicher mal davor gestanden und sein Glück versucht, aber „mehr als Groschenbeträge hab ich nie eingesetzt“. Ihn habe schon immer die 40jähriges betriebsjubiläum von jürgen mentzel (3. v. r.) bei bally wulffTechnik im Inneren der Geräte mehr interessiert: „Weil ich wirklich tech- nisch begabt und ein Tüftler bin, hatte ich auch von Anfang an keine Berührungsängste.“ Bereits nach einem Jahr Fließbandarbeit kannte Jürgen Mentzel alle Arbeitsschritte vom ersten bis zur Endkontrolle und konnte an jeder x-beliebigen Stelle innerhalb der Gerätemontage einge- setzt werden. Vermutlich trug auch diese Vielseitigkeit entscheidend dazu bei, dass ihm der Spaß am Job erhalten blieb: „Außerdem liegt das aber auch daran, dass sich die Spielautomaten im Laufe der Zeit sehr verändert haben und die Entwicklungen immer wieder eine Heraus-forderung darstellen.“ Früher hätten sie rein mechanisch funktioniert und aus vielen Einzelteilen bestanden, die in Handarbeit montiert werden mussten, heute strotzen die Geräte vor elektronischen Komponenten. „Über 150.000 Geräte sind es 40jähriges betriebsjubiläum von jürgen mentzel (r.) bei bally wulff, heinz buschkowskyinzwischen, an denen Herr Mentzel mitgearbeitet hat“, schätzt Sascha Blodau.

„Sie sind also seit stolzen vier Jahrzehnten einer von denen, die täglich dafür sorgen, dass einer der Grundtriebe des Menschen nicht ver- loren geht“, bestätigte Heinz Busch- kowsky dem dienstältesten der ak- tuell 240 Bally Wulff-Mitarbeiter. Außer Sex und dem Streben nach Macht und Geld würde zu denen zweifellos auch der Spieltrieb gehören. Geradezu hysterisch sei, so Neuköllns Bezirksbürgermeister, die auf politischer Ebene gras- sierende Debatte um Spielhallen und Casinos: Es könne doch nicht angehen, dass Automaten für menschliche Verirrungen verantwortlich gemacht werden und eine ganze Branche darunter leiden solle. Buschkowsky machte jedoch auch keinen Hehl daraus, dass ihm derartige Verirrungen ansatzweise nicht gänzlich unbekannt sind. „Früher war ich vorm Flipper kaum weg zu kriegen, und heute ist es für mich besser, Abstand von Roulette-Tischen zu halten“, gestand er Jürgen Mentzel, bevor er ihm für dessen 40-jährige Bally Wulff-Treue eine Anerkennungsurkunde des Neuköllner Bezirksamts überreichte.

Solche Termine seien für ihn doch sehr rar geworden, erklärte der Neuköllner Rathaus-Chef.  Einerseits würden Jubiläen heutzutage oft anders gehandhabt und beispielsweise in Weihnachtsfeiern integriert werden. Andererseits sei eine jahrzehntelange Beschäftigung bei nur einem Arbeitgeber aber eben längst ein Auslaufmodell. Bis beim Spielautomaten-Hersteller am Maybachufer wieder ein 40-jähriges Jubiläum gefeiert werden kann, sind es nicht mal mehr fünf Jahre. Dann ist Jürgen Mentzel dem Ruhestand schon ein entscheidendes Stück näher.

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Eingewickelt und umklammert

Was woanders noch für Bewunderung sorgt und Nachahmer aktiviert, konnte sich in Neukölln nie wirklich durchsetzen: Guerilla Knitting, also das  – auch Yarn Bombing genannte – Bestricken von Bäumen, Laternenpfählen und Regenrohren, kam im Bezirk nie über einige wenige Exponate hinaus. Ob das neue Streetart-Genre Guerilla Wrapping erfolgreicher wird  und das  Straßenbild in Neukölln  auffallender verändert,

wird sich zeigen. Ein Anfang ist jedenfalls gemacht, und das Talent, stricken oder häkeln zu können, bei dieser künstlerischen Spielart lässlich. Unverzichtbar ist dagegen eine gewisse feinmotorische Begabung, was auch für die gilt, die Gas- laternen durch geklammerte Backenbärte zu Gesamtkunstwerken machen wollen.

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Großputz in Neubritz

frühjahrsputz-aktion pro neubritz e.v., carl-weder-park, neuköllnNach gut 1 1/2 Stunden hatten sie genug: Manchem ziepte es im Rü- cken, anderen in die Knien und wiederum andere hatten schlichtweg Hunger.  Dabei war das, was sie vorgestern unter blauem Himmel und strahlender Sonne getan hatten, ziemlich unappetitlich. Rund 20 Leute ließen sich vom proNeubritz e. V. motivieren, in grellorangen Kehren- bürger-Westen einen Frühjahrsputz im Carl-Weder-Park  zu machen. „Mit so vielen hatten wir absolut Weiterlesen

Nachzügler

Das Strandbad Wannsee ist bereits geöffnet. Fünf andere Berliner Freibäder ziehen in der nächsten Woche nach, für die bis zu 25° C erwarten werden, acht weitere bis Mitte Mai.  Nicht unter denen ist das Sommerbad am Columbiadamm: Wer in Neu- kölln unter  freiem Himmel schwimmen will und  keinen eigenen Pool hat, muss sich

noch bis zum 26. Mai gedulden. Damit startet die Open Air-Badesaison im Bezirk immerhin zwei Wochen eher als im letzten Jahr, das für die Berliner Bäder-Betriebe (BBB) mit einer bescheidenen Bilanz endete. Ob des erst entschieden zu frühen und dann viel zu erfrischenden Sommers 2011 passierten gegenüber 2010 rund 400.000 Freibad-Besucher weniger die Kassenkreuze. Es liegt also nicht nur im Interesse der Berliner, dass das Zusammenspiel zwischen dem Wetter und den Öffnungs- zeiten der Sommerbäder in dieser Saison besser klappt.

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Bald ganz dicht: Neuköllns ehemalige Tropfsteinhöhle

Man kann es wohl als glückliche Fügung bezeichnen, dass sich die Pläne, aus dem ehemaligen Neuen St. Thomas Friedhof einen Camping- platz zu machen, zerschlagen haben. Denn wäre der Pachtvertrag zwischen der Tentstation und dem Evangeli- schen Friedhofsverband Berlin Stadt- mitte (EVFBS) Realität geworden, der noch vor einem halben Jahr be- schlossene Sache zu sein schien, wäre hinter der Friedhofsmauer an der Hermannstraße längst ein Parkplatz für die Camper entstanden. Da der aber nun nicht gebraucht wird, kann sich seit geraumer Zeit das Tiefbau-Unternehmen dort breit ma- chen, das von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) mit der Sanierung des Tunnels der U8 rund um die Station Leinestraße beauftragt wurde.

Dass die im September letzten Jahres begon- nenen Reparaturen dringend nötig sind, sieht auch Thomas Blesing ein. „Der Tunnel“, sagt er, „war ja wie eine Tropfsteinhöhle.“ Nur das Timing gefällt Neuköllns Baustadtrat so gar nicht. Zeitgleiche Staustellen auf der Karl-Marx- und der Hermannstraße würden natürlich große Probleme aufwerfen. Und die belasten nicht nur den stockenden bis zähfließenden Autoverkehr und die Bewohner der angrenzenden Kieze. Insbesondere rund um den U-Bahnhof Leinestraße gibt es zudem enorme Engpässe bei den Fahrrad-Parkplätzen. Das werde wohl auch noch eine Weile so bleiben, vermutet Blesing: „Erst war nur von sieben Monaten Bauzeit die Rede, inzwischen zeichnet sich ab, dass erst im Oktober alles wieder fertig ist.“ Etwas optimistischer sind die Prognosen von BVG-Pressespre- cher Klaus Wazlak: „Die Außendich- tung des U-Bahntunnels U-Bahnhof Leinestraße (U8) wird voraussichtlich Ende April fertig gestellt. Der Straßen- bau ist beauftragt und wird voraussichtlich bis Ende Juli 2012 beendet sein.“

Wer der bessere Schätzer ist, wird sich zeigen. Fakt ist, dass mit der Sanierung des unter der Hermannstraße verlaufenden U-Bahntunnels nicht bis zum Abschluss der Umgestaltung der Karl-Marx-Straße gewartet werden konnte: Denn bis dahin werden, so der aktuelle Stand, noch etwa 15 Jahre vergehen.

=ensa=

Visionär!

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„Typobau“: eine Vernissage, die auch Anfang vom Ende ist

typobau-ausstellung rayan abdullah, galerie im körnerpark neuköllnAuf den ersten nur flüchtigen Blick wirkt die Galerie im Körnerpark schon so gut wie bereit für die nächste Vernissage. Riesige helle Stoff- bahnen, mit Wörtern, Buchstaben und Frag- menten von Schriftzeichen bedruckt, hängen im Raum und brechen dessen typobau-ausstellung rayan abdullah, galerie im körnerpark neuköllnLänge. Sie ver- bergen aber auch, was man erst auf den zweiten Blick sieht: dass eben doch noch alles ziemlich unfertig ist. Überall stehen leere Bilderrahmen und liegen großformatige Drucke herum. An den Wänden kleben Skizzen mit Notizen, die  morgen Abend verschwunden sein werden, wenn die Ausstellung typobau-ausstellung rayan abdullah, galerie im körnerpark neukölln„Typobau“ eröffnet wird  und die ersten Besu- cher in die Galerie strömen.

Es sind außergewöhnliche Werke, die sie er- warten, was schon daran liegt, dass Rayan typobau-ausstellung rayan abdullah, galerie im körnerpark neuköllnAbdullah ein außerge- wöhnlicher Künstler ist. Der gebürtige Iraker mit der Professorenstelle an der Leipziger Hochschu- le für Grafik und Buch- kunst bemalt weder Lein- wände mit Öl- oder Pas- tellfarben, noch stellt er Collagen oder Skulpturen her. Die Materialien, mit denen Abdullah arbeitet, sind lateinische Buchstaben und arabische Schrift- zeichen, seine Ausdrucksformen Typografie, Kalligrafie und das Spiel mit der Wahr- typobau-ausstellung rayan abdullah, galerie im körnerpark neuköllnnehmung und dem Wesentlichen.

Diese Qualitäten machten den 54-Jähri- gen, dessen berufliche Laufbahn mit einer Feinmechaniker-Lehre begann, bekannt und zu einer der Corporate Design-Kory- phäen in Deutschland. Allgegenwärtig sind seine Kunstwerke hierzulande – allem voran das prominenteste: der Bundes- adler, das Logo der Bundesregierung. Aber es sind nicht nur renommierte oder große Institutionen und Firmen, denen Rayan Abdullah zu Wiedererkennungswert verhilft. Auch die Bürgerstiftung Neukölln kam – dank Abdullahs Verbindung zum Arabischen typobau-ausstellung rayan abdullah, galerie im körnerpark neuköllnKulturinstitut (AKI) e. V. und dessen Kontakt zur Bürgerstiftung – in den Genuss, mit einem professionell gestalteten, prägnanten Erschei-nungsbild an den Start gehen zu können. Die Berührungspunkte zwischen dem Schriftkünst- ler und Neukölln mussten also im Hinblick auf die „Typobau“-Ausstellung nicht erst geknüpft typobau-ausstellung rayan abdullah, galerie im körnerpark neuköllnwerden, son- dern bildeten bereits vorher ein tragendes Netz.

Doch die morgige Vernissage bedeutet nicht nur den Auftakt zur Präsentation von Rayan Abdullahs Werken in Neukölln, sie ist zugleich Anfang vom Ende  einer beispiellosen Neuköllner Karriere: 1981 war es, als Dorothea Kolland die Leitung des Kulturamts Neukölln übernahm. Zwei Jahre spä- ter, im Februar 1983, wurde die erste Ausstellung unter ihrer Ägide eröffnet. „Die hieß ‚Widerstand in Neukölln‘ und war in der damals noch unreno- vierten Galerie im Saalbau“, erinnert sich Kolland. Die Ergebnisse des seinerzeit von ihr initiierten Langzeit-Forschungsprojekts über Neuköllner, die dem Nazi-Regime mit Zivilcourage begegneten, waren der Grundstein für den Multimedia-Gedenkort im Rathaus. Mit der „Typobau“-Ausstellung verabschiedet sich Dorothea Kolland von der Kulturbühne des Bezirks. Ende Mai geht die promovierte Musikwissenschaftlerin in Rente.

=ensa=

Neuköllner Nebeneinander

Wer meint, dass die Neuköllner eine ausgeprägte Neigung haben, nur Unordnung und Chaos in ihren Straßen zu verbreiten, wird mancherorts eines Besseren belehrt:

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Visionen ausgebremst – zugunsten der Berliner

Hier könne man das Paradies erleben, verspricht das Schild an der Einfahrt zum Al Andalus im Neuköllner Ortsteil Britz. Dass sich ranhalten muss, wer paradiesische Erfahrungen machen will, verrät es nicht. Die Mitglieder der Wellness-Oase wissen indes schon seit über einem Monat davon: „Leider müssen wir Ihnen mitteilen“, erfuhren sie in einem von Geschäftsführer Dr. Harald Frisch unterzeichneten Schreiben, „dass wir zum 30. April den Betrieb der Saunawelt Al saunawelt al andalus, ehemaliges blub, neukölln-britzAndalus einstellen müssen.“

Doch es ist nicht nur deren Ende auf dem Gelände des ehemaligen Blub- Spaßbads, das damit besiegelt ist. Auch die Pläne der WIP Willmeroth Projektentwicklungsgesellschaft, die das 45.000 Quadratmeter-Areal am Teltowkanal vom Liegenschaftsfonds Berlin erwarb und dort Deutsch- lands erstes City-Resorthotel  bau- en wollte, sind begraben – wiewohl die WIP-Homepage das Tourismus-Projekt nach wie vor als „aktuell“  aufführt und über die Betreibersuche für ihr „einmaliges und zukunftsweisendes Resorthotel“ informiert.

saunawelt al andalus, ehemaliges blub, neukölln-britzDer Vision von Urlauberzim- mern, -Appartments und einem Ferienclub auf der einst größten Wasserfreizeitanlage Berlins schob aber das Umdenken des im letzten Jahr neu gewählten Senats hinsichtlich der Woh- nungspolitik einen Riegel vor: Alle vorhandenen Gebäude würden abgerissen werden und das Grundstück künftig aus- schließlich für den Bau von Wohnungen zur Verfügung ste- hen, entnahmen die Al Andalus-Mitglieder Frischs Schreiben. Ebenso, dass man sich bemühe mit der Saunawelt zum Ende des Jahres an einen anderen innerstädtischen Standort umziehen zu können.

=ensa=

Ein weites Feld für Interessenkonflikte

Ob er dauerhaft wetterfest ist, das müsse noch getestet werden, sagt die Grün Berlin-berlin, eröffnung info-pavillon tempelhofer freiheit,Mitarbeiterin hinter der Empfangstheke des neu- en Info-Pavillons auf dem Tempelhofer Feld. Man gehe aber davon aus. Ans Gegenteil wollte am ges- trigen Tag der Eröffnung erstmal niemand denken. Da standen das Innen- leben des angemieteten Holz-Glas-Containers und  die Umgebung im Vordergrund.

berlin, eröffnung info-pavillon tempelhofer freiheit, staatssekretär christian gaeblerEtwa 1,5 Millionen Besucher nutzen das Gelände mit dem offiziellen Namen Tempelhofer Freiheit laut Staats- sekretär Christian Gaebler jährlich. „Mehr Männer als Frauen übrigens“, ergänzte er. Und 8,4 Prozent derer, die die Weite des ehemaligen Flughafens Tempelhof genie- ßen, seien Berlin-Touristen. Bemerkenswert außerdem, hob Gaebler hervor: „Unsere Befürchtungen vor stän- digen Vandalismus-Schäden haben sich nicht bewahr- heitet.“ Die Weitläufigkeit des Areals mit den nur wenigen uneinsehbaren Ecken sei offenbar nicht attraktiv für kriminelle Machenschaften. Doch genau diese Weitläu- berlin, eröffnung info-pavillon tempelhofer freiheit, gf grün berlin gmbh christoph schmidtfigkeit wird nun beschnitten. 2013 beginne die Umge- staltung des Areals, das Schauplatz der Internationalen Gartenausstellung (IGA) 2017  wird. „Im Info-Pavillon“, so Gaebler, „können sich die Besucher bis zum Oktober täglich ansehen, was genau passieren wird, und auch eigene info-pavillon tempelhofer freiheit, entwurf iga2017Ideen einbringen.“

Konkreter wurde Christian Schmidt. „Bei der ersten Baumaßnahme 2013 wird es sich um die Anpflanzung von etwa 2.000 Bäumen an den Rändern des Parks handeln“, kündigte der Geschäfts- führer der Grün Berlin GmbH an. Noch vorher werde man jedoch mit einem neu aufgestellten Team die Bürgergespräche wieder aufnehmen berlin, eröffnung info-pavillon tempelhofer freiheit, landschaftsarchitekturbüro gross.max, eelco hooftmanund sich bemühen, bezirkliche Initiativen, die sich mit der Zukunft der Tempelhofer Freiheit beschäftigen, als Partner zu gewinnen. „2012 wird für uns ein Meilensteinjahr“, ist Schmidt sicher, der seine Begrüßung – wie auch Vorredner Gaebler – ohne Proteste einiger Pavillon-Eröffnungsgäste info-pavillon tempelhofer freiheit, entwurf gross.maxdurchbringen konnte.

In diesen Genuss kam Eelco Hooftman nicht, der mit sei- nem Team des schottischen Landschaftsarchitekturbüros Gross.Max den Wettbewerb für die Gestaltung der Tempelhofer Freiheit gewann. Schon der Plan, dort etwas gestalten zu wollen, macht den Holländer zur Reizfigur. Dass er darüber hinaus etliche Schlüsselwörter benutzte, die nicht nur die Aktiven der Bürgerinitiative 100 % Tempelhof in Aufruhr versetzten, tat ein Übriges. „Der Park ist Prozess statt Objekt“, „Gestaltung bedeutet einen Mehrwert für die Besucher“, „Historie des Ortes wird respektiert“, „das Gestaltungskonzept beruht auf berlin, eröffnung info-pavillon tempelhofer freiheit, protest, bürgerinitiative 100 % tempelhofFreiheit“, „die Tempelhofer Freiheit wird zum Volks- park des 21. Jahrhun- derts“: Das sei, habe oder biete das Feld schon jetzt alles und brauche daher niemand, waren sich die spontanen und organisier- ten Protestler einig.

Letztere bereiten derzeit alles für ein Volksbegehren vor, das nicht nur das 61,5 Mil- lionen-Projekt IGA 2017 verhindern, sondern grundsätzlich den dauerhaften Erhalt von Berlins größter Wiese sichern soll.

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Auf die Richardstraße kommt was zu!

Orangefarbene BSR-Mülleimer mit Kippen- einwurf-Loch gehören wahrlich nicht zu den Dingen, die durch übermäßige Präsenz in Neuköllns Richardstraße glänzen. Was tut also der clevere Raucher, der ge- rade keinen Ta- schenascher da- bei hat, die Ri- chardstraße aber nicht durch seinen Zigarettenstummel verschandeln will? Er entsorgt ihn in einem der zahlreichen Schlaglöcher, die sich alles andere als unauffällig in das holperige Kopf- steinpflaster geschmuggelt haben. Damit ist es nun bald vorbei. Frei nach dem Motto „Was lange gärt, wird endlich gut“ soll in diesem Jahr, wie bei der letzten Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tiefbau bekannt wurde, tatsächlich mit dem Face- lifting der Richardstraße begonnen werden.

Bereits vor vier Jahren hatte das vom Bezirksamt Neukölln beauftragte Stadt- planungsbüro Spath + Nagel mit seinem Gestaltungskonzept „Deutsches und Böh- misches Dorf“ den Grundstein dafür gelegt. Freuen wird der lange Vorlauf ins- besondere die Hausbesitzer mit Anwesen auf der östlichen Seite der Richardstraße: Denn die hätten bei einem Baubeginn in der letzten Legislaturperiode ob des 2006 vom rot-roten Berliner Senat eingeführten Straßenausbaubeitragsgesetzes kräftig zuzahlen müssen. 2011 wurde das Gesetz von der rot-schwarzen Koalition wieder gekippt. Somit gilt nun auch für Grundstückseigentümer Ost, was bereits vorher für die auf der westlichen Straßenseite, die zum zuzahlungsfreien Sanierichardstraße neukölln, geplante bauarbeiten richardstraßerungsgebiet Karl-Marx-Straße gehört, galt: Sie werden nicht zur Kasse gebeten.

Genau zwei Monate sind es noch bis zum ersten Spatenstich in der Richardstraße: Er erfolgt, so die Planungen, vor dem Betsaal der Evangelisch-reformierten Bethlehems- gemeinde, und das exakt am 275. Jahrestag des Einzugs der ersten Glaubensflüchtlinge ins damals neu errichtete Böhmisch-Rixdorf, dem 15. Juni.

Die Historie spielt auch bei den mit 1,8 Mil- lionen Euro bezifferten Baumaßnahmen eine Rolle: Die von vielen Anwohnern und Radfahrern erhoffte Asphaltierung wird es folglich nur teilweise geben. Der Abschnitt zwischen Kirchgasse und Bethlehemsgemeinde erhält dagegen zur Hervorhebung seiner geschichtlichen Bedeutung  das Großkopfpflaster, das auch am Richardplatz verlegt wurde. Für die verkehrsmäßige Entlastung der Richardstraße soll eine neue Einbahnstraßenregelung sorgen, die auf Höhe des Herrnhuter Wegs greift und durch diesen den zur Dauer-Großbaustelle Karl-Marx-Straße abfließenden Verkehr leitet. Der nördliche Bereich der Richardstraße bis zur Berthelsdorfer Straße  steht nach den Umbauarbeiten, die spätestens 2014 abgeschlossen sein sollen, nur noch für den Anwohner-PKW-Verkehr zur Verfügung.

=ensa=

Zwei Finger, zwei Frauen, zwei Krawatten und ein Kellner: Premiere im Heimathafen Neukölln

„Kiek ma, dit is doch Kommissar Schmücke, hier der Dings, der Jaecki Schwarz“, säuselt eine mir unbekannte Dame ihrem Begleiter zu. Stimmt, Jaecki Schwarz, Florian Lukas und Nina Kunzendorf sind nur drei der Prominenten aus Film und Fernsehen, die vorgestern Abend im Heimathafen Neukölln bei der Premiere von „Zwei zwei krawatten - eine echte berliner revue, heimathafen neukölln, foto: verena eidelKrawatten“ anzutreffen waren. Ich war also schon vor Beginn der Berliner Revue, die Georg Kaiser erst- mals 1929 mit Hans Albers und Marlene Dietrich inszenierte, schwer beeindruckt.

Der große Saal war bis auf den letz- ten Platz mit einem erwartungsvollen, lach- und applaudierfreudigen Publi- kum gefüllt. Von Anfang an fühlte ich mich einbezogen in die Geschichte des Kellners Jean: Der landet eher zufällig – durch einen Krawattentausch, der eigentlich ein Fliegentausch ist – in der Welt der Skurrilen und Reichen und zitiert dabei mal locker einen beeindruckenden Text von Nietzsche, immer begleitet von einer wirklich guten Performance der Showband „The Incredible zwei krawatten - eine echte berliner revue, heimathafen neukölln, foto: verena eidelHerrengedeck“.

Jean (Vlad Chiriac), der sich von der reichen, wenn auch etwas älteren Mabel  (Bärbel Bolle) angezogen fühlt, verlässt seine Trude und Berlin, um mit dem Schiff nach Amerika zu zwei krawatten - eine echte berliner revue, heimathafen neukölln, foto: verena eidelgelangen. Trude (Fun- ny Rose) jedoch macht sich an Jeans Verfol- gung und so entstehen einige sehr komische Szenen in diesem sehr bunten Wirrwarr: Der erste Kontakt in Amerika ist ein Schillers „Glocke“ zitierender Amerikaner, der auch immer zwei krawatten - eine echte berliner revue, heimathafen neukölln, foto: verena eidelwieder durch Sangeskunst zu beein- drucken weiß.

Wer wie ich allein schon aus Alters- gründen noch nie eine echte Revue besuchen konnte, kann sich hier einen sehr guten Eindruck davon machen. Er wird entführt in eine andere, ältere Welt, die manchmal ein bisschen zu laut und zu bunt ist, aber deshalb nicht weniger faszinierend.

Ich habe knapp drei Stunden, inklusive einer kleinen Pause, mit der plötzlich nicht mehr ganz so armen Trude mitgefiebert und die Schauspieler zwei krawatten - eine echte berliner revue, heimathafen neukölln, foto: verena eidelbewundert, die sich teilweise wahn- sinnig oft umziehen mussten.  Ich habe viel Haut gesehen, gute Musik und manchmal nicht ganz so gute Gesänge gehört, habe wahnsinnig lustige Szenen gesehen und weni- gen etwas zu langen Monologen gelauscht. Um mich herum sehr zufriedene Menschen, die sich mit mir zusammen die Hände wund klatsch- ten, und vor mir eine sich scheckig lachende Nina Kunzendorf, die echt laut auf zwei Fingern pfeifen kann.

Weitere Aufführungen von  „Zwei Krawatten – eine echte Berliner Revue“  im Heimathafen Neukölln: heute, morgen, am 22. und 27. April sowie am 1., 9. – 11. Mai (jeweils 20 Uhr) und am 20. Mai um 18 Uhr. Karten im VVK: 21,70 € (erm. 15,10 €). Ticket-Hotline: Tel. 030 – 61 10 13 13, VVK im Heimathafen Neukölln: Tel. 030 – 56 82 13 33

=Anna Sinnlos=

Rätselhaftes Geblubber

Ob es auf alle Bubble Teas 2 Euro Ermäßigung gibt, jeder Blasentee nur 2 Euro kostet oder ob auf allen ein 2-Euro-Stück schwimmt – heute könnte man es ausprobieren und so das Rätsel um das schriftsprachliche Geblubber lösen. Wer  40.000 Euro investieren will, kann übrigens auch gleich den ganzen Laden kaufen.

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Dem Grau ein Ende: Neukölln muss noch bunter werden!

Wer auf zwei gesunden Beinen unterwegs ist, nimmt sie gar nicht wahr: die beiden Stufen vor dem Eingang zum Friseur und die hohen Türschwellen innerhalb des Lieblings-Cafés oder -Restaurants. Sie werden schlichtweg übergangen statt als potenzielle Hürden Beachtung zu finden. Und über die äußerst beengten Verhältnisse im WC des Kinos um die Ecke ärgert man sich vielleicht kurz, tut sie dann aber mit der naturgemäßen bzw. architektonisch bedingten Endlichkeit von Räumen ab.

screenshot wheelmap berlin-neukölln

Nord-Neukölln (Screenshot von wheelmap.org)

Entschieden schwieriger ist die Sache für Men- schen, die mit einer Mo- bilitätseinschränkung le- ben müssen. Für die sich der Begriff No-go- Area nicht am Krimina-litätsatlas orientiert, son- dern daran, inwieweit ein Ort rollstuhlgerecht ist. Dieser Aspekt war Impulsgeber für den Ver- ein Sozialhelden, das  Projekt wheelmap.org  anzuschieben. Es könne doch nicht sein, dass Gastronomie-Webseiten zwar über die Speisen-Angebote informieren, nicht aber darüber, ob es für Rollstuhlfahrer wie ihn überhaupt möglich ist, durch die Tür zu raul krauthausen, foto: wheelmap.orgkommen, ärgerte sich Sozial-helden-Gründer Raul Krauthausen damals. Im September 2010 ging die Online-Karte wheelmap.org an den Start, die öffentliche Orte aufführt und Transparenz über deren bauliche Hindernisse verschafft. Ein Service, der nicht nur für die rund 1,6 Millionen Rolli-Fahrer in Deutschland von ho- hem Nutzwert ist, sondern auch den Alltag von Müttern oder Vätern mit Kinderwagen und Menschen mit Gehbehinderungen und Rollatoren planbarer macht.

Zugleich will das mehrfach ausgezeichnete Projekt Behörden, Gastronomen und Hotelliers, Einzelhändler und Kulturort-Betreiber sensibilisieren, ihre Einrichtungen auf die Rollstuhlgerechtigkeit hin abzuklopfen. Beim im Dezember letzten Jahres am U-/S-Bahnhof Neukölln er- öffneten 2A Hostel floss das Augenmerk auf die Zielgrup- pe der Menschen mit Behin- derungen bereits in das Konzept und die Planung ein: Alle öffentlichen Berei- che des Hauses sind bar- rierefrei. In der – selbstver- ständlich per Aufzug erreich- baren – 1. Etage wurden zudem zwei geräumige Zimmer mit Dusche und WC explizit für Gehandicapte und ihre Begleitpersonen ausgestattet. Grund genug, die Markierung des Hostels auf der wheelmap-Karte zu aktualisieren: Aus dem Grau wurde heute ein Grün.

Jeder kann – ohne vorherige Registrierung – dazu beitragen, dass Neukölln auf der wheelmap.org-Karte wesentlich bunter und die Orientierung für Menschen mit Mobilitätseinschränkung im Bezirk erleichtert wird: Einfach bekannte, noch grau markierte Örtlichkeiten anklicken und nach dem Ampel-System bewerten oder neue Lokalitäten in die Karte eintragen.

=ensa=

So was von behämmert!

baum mit nägeln, hasenheide neukölln, vandalismus, foto: jennifer jennselVielleicht gucken Künstler einfach genauer hin. Auf Willi Büsing und seine Frau Jennifer Jennsel trifft das jedenfalls zu. Was sie dann sehen, baum mit nägeln, hasenheide neukölln, vandalismus, foto: jennifer jennselkurbelt das gesamte Karussell der Emo- tionen an: von Be- geisterung bis Ärger ist alles drin. Manch- mal, wie dieser Ta- ge, gibt es aber auch Rätsel auf. „Wozu soll das gut sein?“, fragte Willi Büsing nicht nur sich nach einem Spaziergang durch Neuköllns Hasenheide, bei dem er etliche mit Nägeln und Schrauben gespickte Baumstämme entdeckt hatte. Sind es Spuren von Vandalismus? Oder werden die Metallstifte womöglich gezielt amtlicherseits in die Stämme geschlagen, um eine baumpflegerisch positive Reaktion hervorzurufen?

baum mit schraube, hasenheide neukölln, vandalismus, foto: jennifer jennselDas daraufhin von der FACETTEN-Redaktion zur Klärung der Frage eingeschaltete Naturschutz- und Grünflächenamt (NGA) Neukölln reagierte prompt: Mitnichten baum mit schraube, hasenheide neukölln, vandalismus, foto: jennifer jennselseien die Nägel und Schrau- ben baumpflege- risch von Nutzen, teilte Rainer Sodei- kat vom Zuständigkeitsbereich Grünflächenunterhal- tung Nord per E-Mail mit. „Leider“, führte er aus, „gibt es immer wieder Mitbürger, die aus Langeweile zur Tat schreiten.“ Die Bäume würden natürlich nicht sofort absterben, jedoch sei „jede Wunde, die man ihnen zufügt, ein Einfallstor für Bakterien, Viren und Pilze. Diese Infektionen bringen den Baum mittel- fristig um. Da unsere Bäume eh schon geschwächt sind, belastet sie derartiges Handeln noch mehr.“ Es ist keine rosige Perspektive, die Sodeikat für Neuköllns malträtierte Bäume zeichnet: „Wir sind leider völlig machtlos gegenüber jedweden Vandalismus.“

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