Ich hatte keinerlei Vorstellung wie ein Theaterstück quer durch ein – von einkaufswütigen Menschen gefülltes – Kaufhaus funktionieren sollte. Deshalb war ich auch schon eine halbe Stunde vor Beginn der Aufführung da, und mit mir die Befürchtung, ewig nach Kartenkasse und Startpunkt im Karstadt am Hermannplatz suchen zu müssen. Aber an jedem Eingang steht ein freundliches Schild, das alle Interessierten in die U-Bahn-Station schickt. Dort tauscht man dann sein Geld oder eine Eintrittskarte gegen einen Zuschau- erausweis. Und wenn man wie ich zu früh ist, kann man noch in Ruhe ein bisschen shoppen gehen.
Pünktlich fand ich mich in einer Menge Wartender wieder, die alle zunächst irritiert auf eine recht laut telefonierende Dame blickten. Als dann aber plötz- lich ein Hase vor dieser auf und nieder hüpfte, war alles klar: Die Performance um „Alice im Wunder- land“ hatte begonnen. Von nun an folgten wir anderthalb Stunden lang den uns zuvor vorgestellten Guides. Zunächst an einen Ort, den der gemeine Kunde niemals kennen lernt: das Dekorations- lager im Keller.
Ich habe lange überlegt, wie ich das be- schreiben könnte, was ich mit den Schau- spielern und Tänzern des Künstlerkollektivs MS Schrittmacher erlebt habe. Ich kann es nur so sagen: Ich weiß jetzt, wo Weihnachten ist, wenn die ersten bunten Eier im Regal auftauchen, und dass man sich mit Alice in eine wahrlich wundersame Welt verläuft.
Die Zeit vergeht wie im Flug während wir von Ort zu Ort eilen, um zu sehen, was Alice noch kaufen und wem sie dabei begegnen wird. Sei es sich selbst oder dem ausrangierten Alt-Schauspieler, der verzweifelt versucht sein tolles Buch an den Mann zu bringen. Dem gehetzten Hasen, der Alice zu allerlei Spontankäufen verleitet. Der modeberatenden Raupe oder der leicht herrschsüchtigen Frau König, die mit den Verkäuferinnen und Kunden durch den Karstadt tanzt.
Alles ist äußerst wunderlich und komisch. Besonders wenn uneingeweihte Karstadt-Kunden unwissentlich mitwirken, und sei es nur dadurch, dass sie mit offenen Mündern staunend am Rand stehen. Oder aber in Erklärungsnot geraten – wie der Vater, der seinen zwei kleinen Töchtern verzweifelt zu verklickern versuchte, warum die Verkäuferinnen Hasenohren an Weihnachtsmänner kleben, sich aber plötzlich in quiekende Ferkel verwandeln.
Alles in allem bietet „Alice im Wunderland“ eine perfekte Gelegenheit, den Karstadt am Her- mannplatz mal so richtig kennen zu lernen oder vielleicht auch einen kritischen Blick auf das eigene Kaufverhalten zu werfen und sich dabei noch bombig zu amüsieren.
Die morgige Premiere des Stückes „Alice im Wunderland“ der MS Schritt- macher bei Karstadt am Hermannplatz ist bereits ausverkauft. Am 29. und 31. März, 2. – 5. April und 7. April (jeweils 15 und 18 Uhr) und am 30. März (11 und 15 Uhr) gibt es weitere Aufführungen. Die Tickets kosten 16 € bzw. ermäßigt 11 € und können über Showtime Tickets, (Veranstaltungsort „Treffpunkt: U-Bahn-Zugang Karstadt Hermannplatz“ anklicken), per Mail an tickets[at]dock11-berlin.de oder telefonisch unter 030 – 68 74 000 oder 030 – 351 20 312 reserviert werden.
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