„Sozialstrukturentwicklung in Nord-Neukölln“ heißt die 63-seitige Studie, die TOPOS Stadtforschung im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erstellte und Montagabend vor rund 100 Interessierten in der Mensa des Campus Rütli präsentierte.
Deren wohl wichtigste Erkenntnis scheint, dass für die Situation im Norden des Bezirks der Begriff Gentrifizie- rung neu definiert werden muss. „Deutliche soziostruk- turelle Aufwertungstendenzen“, so die Studie, „sind nur im Gebiet Reuterplatz zu erkennen“. Dort gebe es den höchsten Anteil an Gentrifiern, jeder vierte Haushalt im Quartier falle in die Kategorie der Besserverdienenden. Für alle anderen Kieze gelte hingegen, dass in ihnen ein Zuzug vieler Pioniere, d. h. jungen Leuten mit hoher Bildung und eher niedrigem Einkommen, zu registrieren sei, sich aber keinesfalls ein Gentrifizierungsprozess abzeichne. Eine Verdrängung finde aber sehr wohl statt, schränkt Studienleiter Sigmar Gude ein und weist damit auf die Neuköllner Eigenart des Gentrifizierungs-Begriffs hin: „Arme Mieter verdrängen noch ärmere Mieter.“
Schlussfolgerung kann also nur sein, dass auch für Geringverdiener finanzierbare Wohnungen gebraucht werden, um den Prozess zu stoppen. „Wohnungsbau auf dem Tempelhofer Feld“, schlug Ephraim Gothe, Staatssekretär für Bauen und Wohnen, als praktikable Maßnahme vor. Dort entstehende Neubauten, präzisierte er, seien aber selbstverständlich nicht für Einkommensschwache sondern für gehobenere Gehaltsklassen, um die Konkurrenzsituation auf dem Wohnungsmarkt zu entschärfen.
Mit der Zukunft des ehemaligen Tempelhofer Flughafens beschäftigte sich am Montagabend auch ein Anderer: Dr. Lothar Köster, der Initiator der Bürgerinitiative „100 % Tempelhofer Feld“. Der Gesetzentwurf zum Volksbegehren/Volksentscheid zur vollständigen und dauerhaften Erhalt des jetzigen Zustands sei nun fertig, teilte er in einer Pressemeldung mit, wäh- rend Gothe auf dem Campus Rütli noch die TOPOS-Studie als Legitima- tion zur Bebauung der einzigartigen Fläche bemühte.
Im Wesentlichen, so die Bürgerini- tiative, schreibe dieses Gesetz den Verbleib des Tempelhofer Flugfeldes im Eigentum des Landes Berlin vor und verbiete die Veränderung durch Bebauung oder Umgestaltung. Das Tempelhofer Feld solle in seiner Gestalt langfristig erhalten und dauerhaft kostenlos zugänglich bleiben.
Der Gesetzentwurf werde „in den nächsten Tagen offiziell eingereicht“, kündigt Köster im Namen der Bürgerinitiative „100 % Tempelhofer Feld“ an. „Sobald die zuständige Senatsstelle für Stadtentwicklung und Umweldschutz ihre vom Gesetz vorge- schriebenen Kostenschätzungen erstellt haben, beginnen wir mit der Sammlung der Unterschriften.“ In der ersten Phase würden 20.000 gültige Unterschriften benötigt werden, um die Unterstützung der Bevölkerung Berlins für dieses Volksbegehren nachzuweisen. „Angesichts des breiten Zuspruchs und der klaren Alternativen wird diese erste Sammelphase keine erheblichen Probleme bereiten“, sind Lothar Köster und seine Mitstreiter überzeugt.
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