Seit 54 Jahren wohnt er nun schon in Neukölln, seit 49 Jahren im selben Kiez und seit fast drei Jahrzehnten im selben Haus. Zur Karl-Marx-Straße ist es genauso weit wie zur Sonnenallee. „Inzwischen bin ich der längste Mieter“, sagt Thomas M. schmunzelnd, der physiognomisch eher zu den Kleinen gehört. Viele Menschen hat er während der Zeit mit Sack und Pack ein- und ausziehen sehen. Ein typisches Berliner Mietshaus, in dem man sich im Hausflur grüßt, aber längst nicht jedem Nachbarn einen Namen zuordnen kann. „Es sind angenehme, aber oberflächliche Kontakte“, meint der Ingenieur: „Das, was ich mit denen erlebt hab, die jetzt unter uns eingezogen sind, hat- te ich tatsächlich noch nie erlebt.“
Es war vor genau einer Woche, als es plötzlich nachmittags klingelte. Nicht unten an der Haustür, sondern an der Wohnungstür. Thomas M. und seine Frau saßen gerade in ihrer Küche und besprachen bei Kaffee und Keksen die Planung des Wochenendes: Er öffnete und sah sich einem jungen Paar gegenüber, das ihm bis dato unbekannt war. Die beiden nannten ihre Namen und erklärten mit schwäbelndem Zungenschlag, dass sie jetzt unter ihm wohnen würden und sich einfach nur kurz in der Nachbarschaft vorstellen wollten. Thomas M. sagte, dass er ihnen ein gutes Einleben wünsche und auf ein harmonisches Miteinander hoffe. Die Bemerkung, dass derartige Vorstel- lungsrunden in Berlin absolut unüblich seien, verkniff er sich. „Wenn alle Schwaben und anderen Neu-Berliner solche netten menschlichen Gesten mit in die Stadt bringen, kann ich nur sagen: Sehr gerne mehr davon!“, findet der Neuköllner.
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