Auf eigene Faust auf Route 8

Niemals, sagen sie, wären sie auf die Idee gekommen, sich per Shuttle-Bus durch die 1. Lange Nacht der Wohnungsbesichtigungen kutschieren zu lassen: „Wie idio- 1. lange nacht der wohnungsbesichtigungen in berlin, neuköllntisch wäre das denn, mit der U-Bahn von der Gro- piusstadt zum Alex zu fahren, um von da aus wieder zurück nach Neukölln zu gurken?“ Die Aussicht, sich dann womöglich mit einer kompletten Busladung Menschen durch Treppenhäuser und Wohnungen schieben zu müssen, habe außerdem dazu bei- getragen, das Unternehmen Wohnungssuche völlig individuell anzugehen. Der Mittfünfziger zieht eine Papierrolle aus seiner Jackentasche, seine Frau eine Taschenlampe aus ihrer. In der Toreinfahrt zum Objekt in der Hermannstraße 224 ist es alles andere als hell. Das Ehepaar hat sich die Beschreibungen und Besichtigungszeiten der fünf Neuköllner Woh- nungen, die sie interessieren, im Internet ange- schaut und ausgedruckt: „In der Treptower Straße 14 waren wir gerade.“ Dummerweise hätten sie übersehen, dass der modernisierte Altbau keinen Balkon hat. Der Neubau an der Ecke Flughafenstraße hat eine Loggia – und sogar einen Aufzug. Das sei wegen der alten Dackeldame günstig, die ebenfalls 1. lange nacht der wohnungsbesichtigungen in berlin, neuköllnzur Familie gehöre.

Zwei Mitarbeiter der Immobilienfirma, die das Haus verwaltet, empfangen das Paar aus der Gropiusstadt und führen es durch die 2-Zimmer-Wohnung. Die Einbauküche gehöre zum Inventar, die Loggia gehe in Richtung Westen. „Und das hier“, kündigt der Makler an und öffnet die Tür zu einem etwa 1 Qua- dratmeter großen Abstellraum, „wäre perfekt für einen kleinen begehbaren Kleiderschrank.“ Ihr aktueller Schrank sei 3 Meter lang, deckenhoch und würde gerade mal so reichen, erfährt er. Spätestens nach der Begehung der Loggia ist für das Ehepaar klar, dass die Wohnung von der Liste der Objekte 1. lange nacht der wohnungsbesichtigungen in berlin, neuköllngestrichen wird, die in- teressant sein könnten: Wie solle man denn einen Balkon nutzen, der zwei Etagen über der Hermann- straße liegt? Auch unter dem angepriesenen „modern gefliesten Wannenbad“ und einem „gärtnerisch gestal- teten Innenhof“ hatten sich die beiden etwas anderes vorgestellt. „Das hier wirkt schon alles sehr nach Ladenhüter“, finden sie und beschließen, sich als nächstes die Wohnung am Britzer Damm 100 anzu- gucken.  Die habe drei Zimmer, eine Loggia zum Innen- hof und würde auch noch innerhalb des Warmmiete-Limits von 800 Euro liegen. Für zwei Studenten, die eine WG gründen wollen, gehört die Neubauwohnung in der Hermannstraße ebenfalls schon nach flüchtiger Begutachtung in die Kategorie „Geht gar nicht!“: Die Küche mit dem runden Erker sei ja nett geschnitten, dass alle Zimmer in Richtung Kreuzung lägen jedoch völlig unakzeptabel. Der Makler empfiehlt ihnen eine nur wenige Minuten entfernte 2-Raum-Altbauwohnung, die ebenfalls WG-geeignet sei. In einer halben Stunde beginne dort die Besichtigung.

1. lange nacht der wohnungsbesichtigungen in berlin, neuköllnDer Aufgang des Hauses in der Hermannstraße 73 wirkt gepflegt, ein Bewegungsmelder sorgt beim Betreten des Hinterhofs für dessen Ausleuchtung. „Fahrradständer sind hier, das ist schon mal prak- tisch“, stellt Daniel fest. Praktisch finden er und sein Kumpel Ben es auch, dass direkt nebenan ein Discounter und eine U-Bahnstation sind und es im Haus einen Döner-Imbiss gibt.

Die Wohnung in der 2. Etage hat abgezogene Dielen und ein modernes Bad und sammelt damit schnell 1. lange nacht der wohnungsbesichtigungen in berlin, neuköllnweitere Pluspunk- te. In der Küche verliert sie wieder einen, denn Platz zum Sitzen ist in dem schmalen L-förmigen Schlauch nicht. „WG-tauglich sieht anders aus“, finden die beiden Studenten nachdem sie sich die Zimmer angeguckt haben: das entschieden kleinere ist ruhig, weil es zum Hof geht, das größere hat 1. lange nacht der wohnungsbesichtigungen in berlin, neuköllneinen Balkon – über der Hermannstraße. Das mit der Baustelle sei bald erledigt, ver- spricht der Makler. „Dann haben wir in der Wohnung aber immer noch ein Platzproblem“, entgegnet Daniel. Ben stimmt ihm zu und untermauert damit, dass die beiden Studenten sicher nicht die neuen Mieter dieser Wohnung werden. Der Makler schlägt ihnen vor, sich noch das Objekt in der Warthestraße 73 anzusehen. Dort gäbe es zwar auch zwei Zimmer unterschiedlicher Größe, aber die Küche sei groß genug, um in ihr einen Esstisch zu stellen. Dass die Wohnung ebenfalls unter 600 Euro Warmmiete liegen würde, kommt als überzeugendes Argument hinzu.

Daniel und Ben holen sich noch Döner für 1,50 € als Proviant für den Weg in die Warthestraße. Der weiße Shuttle-Bus der Route 8 durch Neukölln fährt an ihnen vorbei, als sie kauend auf der Hermannstraße stehen. Das Bedauern darüber bleibt aus. Den hätten sie ganz bestimmt nicht nehmen wollen, geben die beiden zu, weil sie die Lange Nacht der Wohnungsbesichtigung angesichts des ohnehin schon angespannten Immobilienmarkts in Berlin grundsätzlich „voll daneben“ fänden: „Würden wir nicht dringend was suchen, würden wir das bestimmt nicht mitmachen.“ Auf Entertainer, die ihnen Neukölln und die Neuköllner erklären wollen, könnten sie dabei jedoch gut verzichten.

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