Szenebezirk Neukölln: Wunschdenken oder Wirklichkeit?

Vertreter der Fraktionen in der Neuköllner Bezirksverordnetenversammlung (BVV) waren gestern von der VHS Neukölln eingeladen, die Probleme im Bezirk und die podiumsdiskussion vhs neukölln, berlin-wahl 2011, lars oeverdieck, marlis fuhrmann,susanna kahlefeld,ulrich zawatka-gerlach,sebastian kluckert,michael bügeKonzepte ihrer Parteien zu erörtern.

Moderiert wurde die Runde von Ulrich Zawatka-Gerlach (3. v. r.), der sich gleich zu Beginn als nicht gerade in- timer Kenner Neuköllns outete. Mehr als zweimal pro Jahr sei er aber doch im Bezirk, leitete der Berliner Parla- mentsredakteur des Tagesspiegels den – nach dem Themenkomplex Bil- dung und Integration – zweiten Dis- kussionspunkt des Abends ein: Nord-Neukölln – Szenebezirk? Probleme und Chan- cen sozialer Verdrängung. Er sei, berichtete Ulrich Zawatka-Gerlach, mit der S-Bahn angereist und zu Fuß vom S-Bahnhof Neukölln zum Veranstaltungsort, dem Nach- barschaftsheim Neukölln, gelaufen: „Den Eindruck, sich hier in einem Szenebezirk zu befinden, bekommt man wirklich nicht.“ Nun frage er sich, ob die Bezeichnung schlichtweg  weltfremd  ist oder ob Neukölln doch eine Gentrifizierung droht.

Er sehe keine Verdrängung, schloss Wolfgang Rühlmann, der in Neukölln als Spit- zenkandidat für DIE GRAUEN antritt, seine minutenlange Eloge auf die vielfältigen kulturellen Angebote im Bezirk. Die seien, so sein persönliches Fazit, besonders für Touristen attraktiv. Mit Fokus auf den Aspekt der möglichen Gentrifizierung versuchte sich Lars Oeverdieck (l.) an der Frage des Moderators: Die Fluktuation im Norden des Bezirks sei schon immer hoch gewesen. Man müsse abwarten, wie sich die beinahe traditionelle Abstimmung mit dem Möbelwagen bei Familien mit Kindern im Einschulungsalter entwickelt, gab der SPD-Kandidat zu be- denken. Seine Einschätzung sei, dass dieses Verhalten nur durch eine bessere Ausstattung der Schulen gebremst werde und daran arbeite man. Dem Problem steigender Mieten könne nur durch Neubauten entgegengewirkt werden – da gäbe es allerdings im Innenstadtbereich ein Platzproblem. „Aber eines muss man doch mal klar sagen“, meinte Oever- dieck: „Nord-Neukölln ist als Ganzes weit davon entfernt, dass bei Neuvermietungen Gutsituierte Schlange stehen.“

Marlis Fuhrmann (2. v. l.), die für die Neuköllner LINKE den Spitzenplatz inne hat, nahm den Aspekt Szenebezirk auf und stellte fest, dass sich der Norden Neuköllns durchaus eine Entwicklung in Richtung Szenebezirk mache. Dafür, meinte sie, müsse man sich nur mal den Reuterkiez ansehen. Bei Wohnungsbesichtigungen sei es plötzlich normal, dass 30 bis 40 Interessenten kommen. Da würde auch oft der eine oder andere Geldschein den Besitzer wechseln, wusste sie zu berichten, bevor sie monierte, dass Vermieter nun in der Situation seien, sich die Mieter aussuchen zu können. Der Aufwärtstrend bei der Entwicklung der Mieten in Nord-Neukölln liege vor allem in der großen Fluktuation begründet, stellte Susanna Kahlefeld, (3. v. l.) eine der Kandidaten der Neuköllner GRÜNEn für das Abgeord- netenhaus, fest. Das Wort Gentrifizierung mied sie: Im Bezirk sei etwas im Gange, bei dem man sich fragen müsse, wie man damit umgeht. Ihre Partei würde sich definitiv für eine Aufwertung ohne Verdrängung stark machen.

Dass die Neuköllner FDP eine andere Marschrichtung hat, machte ihr Direktkandidat für den Wahlkreis 4 deutlich. Neukölln sei in den letzten beiden Jahrzehnten völlig runtergekommen, daran ändere sich nun gerade etwas. „Belastbare Indikatoren für Verdrängungs-Horrorszenarien gibt es aber nicht“, stellte Sebastian Kluckert (2. v. r.) fest. Trotzdem müsse es nicht so sein, dass sich jeder Hartz IV-Empfänger in jeder Straße des Bezirks eine Wohnung leisten können muss. Um eine „vernünftige Durch- mischung abweichend von der vorherigen“ müsse es gehen. Auch er sehe noch keine Gentrifizierung in Nord-Neukölln, erklärte Michael Büge (r.) nach einem Lob für die Aspekte, die die GRÜNE-Kandidatin ins Spiel gebracht hatte. „Aber die Ängste der Menschen vor einem Verdrängungsprozess sind da und die“, so der Bür- germeisterkandidat der Neuköllner CDU, „müssen wir ernst nehmen.“ Der Berliner Senat banalisiere die Problematik der Mietpreisentwicklung konsequent, dabei wäre es angesichts einer Planungszeit von etwa 10 Jahren für Wohnbauten nötig ge- wesen, schon gestern damit anzufangen: „Um eine Entspannung auf dem Woh- nungsmarkt zu erreichen werden wir nicht umhin kommen, Wohnhäuser auf dem Tempelhofer Feld zu bauen.“

=ensa=

3 Antworten

  1. Sorry, aber das ist alles wirklich schlimmes Politikergewäsch. Das kann man sich doch nicht mehr anhören, oder ?
    Einfach mal die Bürger fragen, die davon betroffen sind, dann hört diese ganze Spekulation ganz von allein auf.

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    • Ist nicht leicht, ja. Eben deshalb waren gestern vielleicht auch nur um die 25 Leute da, von denen wiederum ca. sechs zum Politbetrieb gehören bzw. da waren, weil sie da sein mussten 😉

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  2. […] Szenebezirk Neukölln: Wunschdenken oder Wirklichkeit? – Facetten über eine Diskussion mit Vertretern der Fraktionen in der Neuköllner Bezirksverordnetenve… […]

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