Die süße Seite der Gentrifizierung

Klirrende Kälte, Schnee, blauer Himmel und Sonne – das Wetter hatte es gestern wahrlich gut gemeint: Mit den Aktiven vom Pro Schil- lerkiez, die einzig mit einer N+Förderung von 300 Euro den ersten Adventsmarkt auf dem Herrfurthplatz ge- stemmt hatten, ebenso wie mit denen, die heiße Getränke, Snacks oder sonstiges Wärmendes an- boten und die übli- che  Warenpalette der Schillermarkt-Händler ergänzten. „Sehr schön hier, nette Atmosphäre und zum Glück nicht so überlaufen wie auf dem Rixdorfer Weihnachtsmarkt“, waren sich auch die Besucher einig. Manche hatten den Markt zufällig auf dem Weg zum oder vom Tempelhofer Feld entdeckt, andere wollten ganz gezielt bei der Premiere dabei sein. „Schade, dass es das nicht an allen Adventssamstagen gab“, fanden viele. Mit „das“ meinten sie neben dem, was unter freiem Himmel stattfand, auch das Advents- markt-Programm in der Genezareth-Kirche: Der  augen- scheinlich auch für Jüngere of- fene 60+-Chor sang Rock- und Popsongs, Günter Stolacz Operette und Oper, die Gruppe „Tanz rund um den Globus“ machte die Fläche vor dem Altar zum Tanzparkett und Pfarrerin Elisabeth Kruse lud zum Abschluss des Programms zum Weihnachtslieder-Mitsingen ein.

Auch draußen war Mitmachen angesagt: Ein Weihnachtsmann stapfte über den Markt und belohnte Kinder, die ihm Weihnachtsgedichte aufsagten oder Lieder vorsangen, mit kleinen Geschenken. Um etwas Größeres, das nicht mit Gedichten oder Liedern bezahlt werden konnte, ging es dagegen bei einer Versteigerung am Stand der Organisatoren. Stadtteilführer Reinhold Steinle schlüpfte in die Rolle des Auktionators. „Das Haus“, erklärte er, „ist letzte Woche beim Late Light Shopping von Schülern der Akademie Schmöckwitz und Kindern gebaut worden.“ Der Erlös solle der Karlsgarten-Schule für die Um- gestaltung ihres Schulhofs zugute kommen. Die Skepsis, ob sich jemand finden würde, der bereit wäre, einen Betrag weit über dem Mindestgebot zu zahlen, war dem Moderator anfangs deutlich anzu- merken. Doch seine launige An- preisung des recyclebaren Ein- zimmerhauses zog nach und nach  mehr Schaulustige mit Ambitionen, zum Eigenheim-Besitzer zu werden, an. Die 60 Euro-Marke war schnell überschritten; am Ende fand das Haus für 70 Euro einen neuen Eigentümer. Von spon- tanen Unmutsbekundungen à la „Wir wollen solche Luxusbauten nicht hier im Kiez haben“ ließ der sich nicht einschüchtern.  „Das wird die neue Dependance unserer Firma im Schillerkiez“, verriet Christian Hoffmann stolz. Auch aus weiteren Plänen machte er kein Geheimnis: „Eine Gentrifizierung mit Leb- kuchenhäusern, das ist unser Ziel.“ Der Anfang ist gemacht.

=ensa=

8 Antworten

  1. Ein schöner Artikel, der zum Glück überhaupt nichts von der eisigen Kälte, die an dem Tag herrschte, vermittelt.

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  2. Ich bedanke mich bei allen, die zum Gelingen vom 1. Adventsmarkt am Herrfurthplatz einen Beitrag leisteten. Der Markt ist durch den Einsatz vieler Neuköllner/Innen sehr schön geworden.

    Besonders bedanken möchte ich mich bei allen, die an dem Programm in der Genezareth-Kirche ehrenamtlich oder gegen eine Aufwandsentschädigung beteiligtern, weil Ihnen Neukölln am Herzen liegt. Das ist mit Sicherheit nicht selbstverständlich und etwas ganz besonderes!

    Mein Dank gilt auch allen, Händlern des normalen Wochenmarktes, die auf meinen Vorschlag, die Marktzeit um eine Stunde zu verlängern eingingen, und ihre Marktstände bei dieser Kälte von morgens bis zum späten Nachmittag betreuten. Für die meisten Menschen bedeutete das 9 – 10 Stunden Aufenthalt, zusätzlich An- und Abfahrt in einem „Freiluft-Gefrierschrank“. Das war nicht leicht. Insbesondere für die Menschen nicht, die nicht regelmäßig auf dem Markt stehen und einen der zusätzlichen Advents-Marktstände betrieben.

    Mein Dank gilt der Bürgerstiftung Neukölln Plus und der Marktverwaltung Rainer Perske. Der Adventsmarkt konnte nur durchgeführt werden, weil der Verein Pro Schillerkiez e.V. von der Bürgerstiftung 300 € Fördergeld erhielt und von der Marktverwaltung Rainer Perske die Marktstände für den Verkauf von Kunst- und Kunsthandwerk, sowie für schöne und selbst hergestellte Waren gesponsert wurden.

    Ich bedanke mich bei meinen Vereinsmitgliedern, die den Adventsmarkt ebenfalls begrüßten, mit Vorbereitungsaufgaben beschäftigt waren, Weihnachtsgedichte-und Weihnachtsgeschichten vortrugen und zusätzlich unseren eigenen Marktstand betreuten.

    D A N K E
    ich wünsche allen einen schönen 4. Adventssonntag

    Beate Hauke
    auch im Namen des Verein: Pro Schillerkiez e.V.

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  3. Nun kann ich ja noch ein weiteres Geheimnis verraten… Ich war als Vertreter einer Investorengruppe bei dieser Versteigerung tätig, die sich schon seit längerem im Neuköllner Kiez engagiert und nach und nach stabil Fußfassen wird. Zu gegebener Zeit werden sich vielleicht andere outen 😉

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    • Ist doch klar, dass hinter einer so raffinierten Idee wie ’ner Gentrifizierung mit Lebkuchenhäusern nicht ein Einzelner stehen kann 😉

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    • Ich bin schon einmal neugierig und warte „hippelig“, oder „zappelig“, oder aufgeregt? – Auf die kommenden Signale.

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      • Bei Dir Beate werden wir Zuckerglas in die Scheiben setzen, dass bringt mindestens 5% Plus auf Grund von kalorischer Sanierung 😉

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  4. Das mit den „Luxusbauten“ … sehr witzig 😀
    Ein wunderschönes Haus ist das – eine ganze Siedlung davon wäre toll!

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  5. Zwei Häusern existieren schon,
    2011 kann ja „weitergebaut“ werden – Die nächste Weihnachtszeit kommt bestimmt . Auf zu frischen Taten. Es lebe die süße Gentrifizierung!

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