358 Schülerinnen und Schüler mit Wurzeln in mehr als 20 Ländern, 90 % von ihnen von der Zuzahlung für Lernmittel befreit, weil die Familien von staatlichen Transfer- leistungen leben – das ist die Realität an der Neuköllner Hermann-Boddin-Schule.
Neuerdings gehört die Grundschu- le im Flughafenkiez zu den sieben Berliner Schulen, die vom Verein brotZeit betreut werden. Der hat es sich zur Aufgabe gemacht, den traurigen Zustand aufzufangen, dass viele Kinder „unbefrühstückt“, wie Schatzmeister Harald Mosler es nennt, in die Schule geschickt und von knurrenden Mägen daran gehindert werden, die erforderliche Konzentration für die Teilnahme am Unterricht aufzubringen. „Bis zu 30 Prozent leiden während der Schulstunden unter akutem Hunger“, weiß er. Eine Frage des Geldes sei das jedoch nur selten, vielmehr seien verwahrloste Familienstrukturen meist der ausschlaggebende Punkt: Während die Kinder sich selber überlassen morgens in den Tag starten und zur Schule aufbrechen, schliefen viele Eltern aus.
„Das ist in Berlin nicht anders als in München“, sagt Uschi Glas, die zum brotZeit-Vorstand gehört. 20 Münchener Schulen sind derzeit Nutznießer des Engagements des Vereins, können ihren Schülern täglich ein gesundes Frühstück bieten. In Berlin sollen es ebenso viele werden, doch das ist nur ein Etappenziel. „Wir wollen solche Leuchtturmprojekte auch in anderen großen Städten einrichten“, erklärt die Schauspielerin.
Dieter Hermann, seit gut fünf Jahren mit ihr verheiratet und als Vorstandsvorsitzender für brotZeit aktiv, nickt zustimmend und untermauert die Machbarkeit des Vorhabens mit Zahlen: „Im März 2009 haben wir die ersten Frühstücke ausgegeben, die für die Schüler natürlich kostenlos sind. Der aktuelle Stand liegt bei 160.000 Frühstücken.“ Der Verein ziehe dabei nur im Hintergrund die Fäden und sei bei Problemen für das Krisenmanagement zuständig. Die entscheidenden Säulen des Projekts seien Senioren, die die Zutaten für die Frühstücksbüffets beim Sponsor Lidl abholen, die Verteilung an die Schulen übernehmen, die Betreuung der Frühstücksrunden gewährleisten und den Schülern außer Brot auch Zeit zukommen lassen.
Fünf Rentnerinnen und Rentner sind es, so die stellvertretende Schulleiterin Birgit Knopf, die die Boddin-Schule bisher für diese Aufgaben gewinnen konnte. Doch damit ende deren Einsatzbereitschaft noch lange nicht: „Zusätzlich betreuen sie AGs in unserer Schule.“ Seit gestern haben sich die Bedingungen für die brotZeit-Senioren und auch die Kinder, die die morgendliche Pausen-Verpflegung mit Begeisterung annehmen, erheb- lich verbessert: In der Boddin-Schule ist durch eine „Soziale Stadt“-Finanz- spritze von 23.000 Euro aus einem abgerockten Souterrain-Raum ein freundliches Frühstückszimmer ge- worden, an dessen Eröffnung auch Uschi Glas und ihre brotZeit-Mit- streiter teilnahmen.
Einen Schritt in die richtige Richtung nannte Neuköllns Bildungsstadträtin Franziska Giffey die Initiative. Natürlich, berichtet sie, käme häufig der Einwand „Müssten es denn nicht die Eltern sein, die sich um das Frühstück ihrer Kinder kümmern?“ verbunden mit Bedenken, ob man deren mangelndes Engagement durch ein solches Angebot nicht noch unterstütze. Doch das will Giffey nicht gelten lassen: „Fakt ist, dass viele Eltern sich eben nicht darum kümmern und dieses Projekt ausschließlich den Kindern zugute kommt.“
Dabei entwickelt es häufig auch eine Strahlkraft in die Familien hinein. „In München hat es oft den Effekt“, erzählt Harald Mosler, „dass Kinder, die in der Schule den brotZeit-Service genießen, auch zuhause am Wochenende ein Frühstück fordern und so ihre Eltern erziehen.“
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