„Wie lange wohnst du jetzt eigentlich schon in Neukölln, Bruderherz?“, fragt sie ihn, als sie an der Kreuzung Karl-Marx-/Thomasstraße aufs Grün der Fußgänger-Ampel warten. „Seit fast fünf Jahren. Und seit etwas über vier hier im Kiez“, antwortet er. Beide reden in einer Lautstärke miteinander, die alle im Umkreis von einigen Metern zu un- freiwilligen Ohrenzeugen macht. Da kenne man sich schon richtig gut in seinem Viertel aus, stellt sie fest. „Perfekt!“, korrigiert er.
Die Geschwister sind auf dem Weg zum Rixdorfer Weihnachtsmarkt. Auf der nördlichen Seite des Karl-Marx-Platzes geht es weiter in Richtung Richardplatz. Je näher sie ihm kommen, desto enger wird’s auf dem Bürgersteig. Sie beginnt zu maulen, dass sie sich das aber alles wesentlich idyllischer und weniger trubelig vorgestellt habe. „Auf dem Platz wird’s entspannter“, behauptet der ortskundige Bruder. Der Eindruck, es mit einem wahren Insider zu tun zu haben, verstärkt sich wenig später: „Das ist der berühmte Blutwurstritter“, teilt er seiner Schwester mit, als sie sich durch den Pulk vor der Blutwurstmanufaktur schlängeln – und zeigt dabei auf einen Mann, der definitiv nicht Marcus Benser ist.
„Mir ist das hier zu voll, das halt ich nicht aus. Lass uns umkehren!“, bittet sie, als der Rand des Weihnachtsmarktes erreicht und von der angekündigten Entspannung nichts zu spüren ist. Menschenmassen schieben sich durch den Budenzauber. „Ist aber auch extrem voll heute“, gibt der Bruder zu. Sie sei ja noch bis Dienstag hier, sagt die Frau und schlägt vor, den Besuch des Weihnachtsmarktes am Montag erneut anzugehen. „So machen wir das“, stimmt der Neukölln-Experte zu. Der Grundstein dafür, dass seine Schwester heute ohne Geschiebe und Drängelei über den Richardplatz kommt, ist gelegt – allerdings wird sie dabei auch auf Glühwein-, Waffeln- und Bratwurst-Duft verzichten müssen. Den gibt’s dort erst am zweiten Adventswochenende des nächsten Jahres wieder.
=ensa=
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