Heute ist Volkstrauertag und die Chancen stehen gut, dass man in Berlin ohne Schal und Hand- schuhe der Kriegstoten und Opfer von Ge- waltherrschaft gedenken kann, denn es soll bis zu 18 ° warm werden. Ergo: Optimale Bedingungen, um beispielsweise den Friedhof V der Jerusa- lems- und Neuen Kirche zu erkunden, der 1872 an der Hermannstraße in Neukölln angelegt wurde – 20 Jahre nachdem Friedhof IV an der Kreuzberger Bergmannstraße eingeweiht worden war.
Fast bis ans Tempelhofer Feld zieht sich die hunderte Meter lange Allee zwischen den Grabfeldern. Einzig ein neo-gotisches, back- steinernes Kirchengebäude, das seit 2003 von der Bulgarischen Orthodoxen Kirche Berlin genutzt wird,
hindert am Durchblick bis zum Horizont. Was der Fried- hof an Länge reichlich hat, fehlt ihm jedoch in der Breite: In nördlicher Richtung begrenzt ihn eine hohe Mauer vom Grünen Weg, in
süd- licher stößt er an die Hinterhäuser und -gärten der War- thestraße. Nur durch luftige Maschendrahtzäune sind Leben und Tod voneinander getrennt. Aber Anzeichen dafür, dass letzterer sich immer weiter zurückzieht und weitaus weniger Platz benötigt als das früher der Fall war, sind hier allgegenwärtig: Die Zeiten, als sich eine Grabstelle an die nächste reihte, sind vorbei. In äußerst drastischer Form zeigt sich das am Ende des Grund-
stücks, wo die Zeugnisse des Friedhofssterbens hüfthohe, makaber-pittoreske Wälle bilden. Nur wenige Schritte von einer Gedenktafel an das Ba- rackenlager kirchlicher Zwangs- arbeiter, das ab August 1942 existierte und im April 1945 von der Roten Armee befreit wurde.
=ensa=
Filed under: berlin, neukölln | Tagged: bulgarische orthodoxe kirche berlin, gedenktafel zwangsarbeiterlager, jerusalems-friedhof IV kreuzberg, jerusalems-friedhof V neukölln, kirchliche zwangsarbeiter, kreuzberg, neukölln, tempelhofer feld | Kommentare deaktiviert für Nur ein Maschendrahtzaun zwischen Leben und Tod