Wenn das Schule macht …

Bisher ist es nur ein Kiosk auf der Neuköllner Seite vom Kottbusser Damm, der seine Kunden dazu  auffordert, sich – aus durchaus  verständlichen Gründen – vor dem Ein-

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kaufen ihrer Griesgrämigkeit zu entledigen. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn sich noch mehr Läden daran ein Beispiel nähmen: Drinnen hui, Partystimmung und Glückseligkeit – draußen pfui und zum Schneiden dicke Luft?

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Einfach mal ignorant sein

Bei der Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit werden die Uhren cafe selig neukölln, winterzeitzurückgestellt, weil dann auch die gastronomischen Open Air-Sitzgelegenhei- ten wieder verschwinden, also zurück in die Keller und Lagerräume gestellt werden. Wirklich clever wäre das angesichts der Berlinwetter-Prognose für die kommende Woche al- lerdings nicht. „Durchweg mild“ heißt es da,  und mil- de Winter hat es in Berlin schon seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gegeben. Gibt es einen triftigeren Grund, in der nächsten Nacht auf die Zeitumstellung zu pfeifen und die Uhren erstmal weiterhin im Sommerzeit-Modus ticken zu lassen? Oder  besser noch: gleich bis zum Frühjahr.

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Hinter Gittern

zauberkönig neuköllnMomentan hätte Mona Schmidt, die Chefin vom Zauberkönig, der direkt ne- ben dem Verließ der Te- letubbies, Sesamstraße- und Dschungelbuch-Hel- den und Mainzelmännchen sein Nest hat, auch so gar keine Zeit, sich um die prominenten Weggesperr- ten zu kümmern. Denn in dem traditionsreichen Ber- liner Fachgeschäft für Magie, Scherzartikel und Kostümierungs-Equipment, das dem Einzelhandelssterben auf der Neuköllner Hermannstraße wacker trotzt, ist gerade Hochsaison – Halloween macht’s möglich.

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Ungeahnte Möglichkeiten

club mate-scherben, neuköllnNeukölln verändert sich, das ist unüber- sehbar – in einigen Kiezen mehr und in an- deren weniger. Auch für Radfahrer bieten sich auf vielen Straßen, Radwegen und Bürgersteigen nun Möglichkeiten, die einst selbst tollkühne Optimisten für eher un- wahrscheinlich gehalten haben:

Sie haben – zumindest theoretisch – die Auswahl, ob sie ihre Reifen lieber von ordinären Bier- oder ungleich hipperen Club-Mate-Flaschen-Scherben entlüften las- sen wollen. Hinsichtlich der Effekts nehmen die sich allerdings nichts, sprich: Der eine ist so uncool wie der andere.

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42 neue Stolpersteine für Neukölln

Natascha beugt sich tief über die drei Messingtafeln, die seit heute vor der Haustür ihrer Freundin liegen. „Die war ja  erst so alt stolpersteine neukölln, gunter demnig, familie neumann,  karl-marx-straßewie mein kleiner stolpersteine neukölln, gunter demnig, familie neumann, karl-marx-straßeBruder! Und die ist in Auschwitz umge- bracht worden?“, fragt die 13-Jährige entsetzt. „In welcher Wohnung haben die denn ge- wohnt?“, will Renan, ihre Freundin, wissen. „Hoffentlich nicht in un- serer.“ Dass die Fami- lie Neumann in den 40er-Jahren im selben Haus lebte, ist für die Schülerin Nähe zum schwärzesten Kapitel der deutschen Geschichte genug. Mehr will sie sich gar nicht vorstellen.

Edith Neumann war fünf Jahre und vier Monate alt, als sie am 28. Juni 1943 mit ihren Eltern nach Auschwitz deportiert wurde. Auch das Mädchen, das Spielzeug im Wert von etwa 5 Reichsmark besaß, musste den Behörden eine Vermögenserklärung abgeben. Nach der Deportation, so die gunter demnig, stolpersteine neuköllnRecherchen, wurden ihre Puppen, der Puppenwagen und die -betten beschlagnahmt und versteigert.

Drei der 42 Stolpersteine, die Gunter Demnig heute entlang der Karl-Marx-Straße verlegt hat, sind den Neumanns gewidmet. Damit liegen in Neukölln nun 118 dieser Gedenksteine für Verfolgte und Ermordete des Nazi-Regimes.

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Unterwegs im Auftrag der Sinnlosigkeit

bestandsaufnahme vandalismus,neukölln,kammer der technik„Das ist doch besser als den ganzen Tag aufm Sofa zu sitzen“, findet er, „und ein bisschen Geld bringt’s auch noch.“ Die Liste auf seinem Klemmbrett wird immer länger. Jedes Haus, an dem er Schmie- rereien entdeckt, erfasst er und notiert fein säu- berlich die Hausnummer hinter dem Straßenna- men:  „Vielleicht kommt ja gleich noch jemand raus, der mir sagen kann, wem das Haus gehört.“ Würde das passieren,  wäre auch für diese Information Platz in der Liste. Er wartet einen Moment, bevor er seine Inspektionstour fortsetzt.

Am nächsten Haus, das vor Graffiti nur so strotzt, hat er mehr Glück. Eine Mieterin verrät ihm den Namen des Hauseigentümers, will jedoch erstmal wissen, was er da mache und für wen er das mache. Es sei, erklärt er, eine MAE-Maßnahme des Neuköllner Standorts der Kammer der Technik (KdT). Die Auskunft reicht ihr. Sie gehört nicht zu denen, die anmerken, dass die meisten Hausbesitzer sicher auch ohne die schriftliche Information eines Beschäftigungsträgers wissen, wie ihre Hauswände aussehen.  Ihr muss er nicht sagen, dass es eine Grundierung gibt, von der sich Schmierereien leicht entfernen lassen, und sie fragt auch nicht, wer die bezahlen soll, ob das etwa die KdT tut? Zugeben zu müssen, dass er das nicht wisse, dass es aber unwahrscheinlich sei, bleibt ihm diesmal erspart.

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Das Gedächtnis Neuköllns ist eröffnet

„Je weiter man zurückblicken kann, desto weiter wird man vorausschauen“ – mit diesem Zitat von Winston Churchill eröffnete Neuköllns Stadträtin Franziska Giffey eröffnung des geschichtsspeichers, museum neuköllngestern das Gedächtnis des Mu- seums Neukölln: den Geschichts- speicher.

Auf 240 Quadratmetern ist nun unter dem Dach des alten Britzer Gutshofs deponiert, was zur Historie und zur Alltagskultur des Bezirks beitrug. „Hauptsponsor dieses wichtigen re- gionalgeschichtlichen Archivs“, beton- te Giffey, „ist die Bevölkerung.“ Sie spendete massenhaft Fotos und alte Dokumente, Gegenstände von monetärem und eröffnung des geschichtsspeichers, museum neukölln,dr. udo gößwaldideellem Wert sowie die Zutaten für eine ansehnliche Sammlung historischer Post- karten. Im Grunde, so Museumsdirektor Dr. Udo Gößwald, sei so ein Archiv ein großes Geheimnis. „Auch wir“, gestand er, „ent- decken fast täglich Dinge, die wir nie zuvor gesehen haben.“ Kennt man die räum- lichen Verhältnisse, mit denen das Depot am alten Standort in der Ganghofer Straße auskommen musste, überrascht das nicht. Erst durch den Umzug vor fünf Monaten ergab sich die Möglichkeit, dem Bereich zu einer größeren Bedeutung zu verhelfen. Eine Spende der Stiftung Deutsche Klassenlotterie in Höhe von 150.000 € floss in die eröffnung des geschichtsspeichers, museum neuköllnAnschaffung neuer Archivschränke und -regale und damit in ein optimiertes Ordnungssystem. Und das eröffnung des geschichtsspeichers, museum neuköllnist alles andere als unwichtig für die Idee, ein mehrdi- mensionales Bil- dungsangebot zur Beschäftigung mit der Regionalge- schichte für jeder- mann zu schaffen. Im nächsten Jahr sollen zu den hap- tischen Schätzen auch noch akusti- sche kommen, wie Franziska Giffey ankündigte. „Neuköllner Geräusche“ heißt die Serie, die den Sound alter Straßenbahnen, die einst durch Neukölln fuhren, auf Audio-Trägern konserviert. Ab Mitte nächsten Jahres werden dann zudem digitalisierte Medien zur Ansicht zur Verfügung stehen.

An drei Tagen pro Woche (Di. – Do. 12 – 18 Uhr) können Interessierte den Ge- schichtsspeicher ab Anfang November unentgeltlich  nutzen. Allerdings nur nach schriftlicher Voranmeldung und genauer Angabe dessen, welches Stück Neukölln-Geschichte man erforschen möchte, schränkt Gößwald ein: „Entscheidend ist also, wie konkret die Frage gestellt ist.“ Das Suchen nach den passenden Materialien übernehmen dann die Mitarbeiter des Museums.

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Riskant!

wartender hund, neukölln,herbst in neukölln,laubEinen Hund in dieser Farbe, der zudem noch die Ruhe weg hat, sollte man momentan nicht zu lange vor Geschäften angeleint herbst in neukölln, laubhaufenwarten lassen. Denn wenn sich die- se in Neukölln allgegenwärti- gen Wander- dünen in Be- wegung setzen, um ihm am Laternenpfahl Ge- sellschaft zu leisten, wird von dem laubfarbenen Vierbeiner nichts mehr zu sehen sein. Nur die Leine vielleicht noch.

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Weiße Schatten

Als Künstler ist Ercan Arslan eigentlich vorrangig daran interessiert, Bleibendes zu schaffen. Gestern machte er an der Westseite des Körnerparks eine Ausnahme: „Poesie der Vergänglichkeit“ hieß  die  Performance, für die Arslan  Passanten  und

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die Sonne als Assistenten einspannte und Sturmböen oder Regen so gar nicht hätte ercan arslan,poesie der vergänglichkeit,neukölln,körnerparkercan arslan,poesie der vergänglichkeit,neukölln,körnerparkgebrauchen kön- nen. Da sich letz- tere in Neukölln nicht blicken lie- ßen, erstere aber umso geduldiger verweilten, entstan- den unter Mitwir- kung imposanter Mehlvorräte anfäl- lige Momentauf- nahmen.

Schon jetzt dürfte der Wind den wei- ßen Schatten, die Ercan Arslan über dunkle streute, erheblich zugesetzt haben. Nach dem nächsten kräftigen Regenschauer wird dann nichts mehr von ihnen übrig sein.

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Neukölln rüstet sich für den Winter

schaufensterpuppe auf neuköllner balkonDas ganze Dilemma dieser klima- tischen Zwischenzeit namens Herbst zeigt sich  derzeit an einem Neu- köllner Haus im Radius von wenigen Metern:

Während in der zweiten Etage in puncto Outfit noch Sommer angesagt ist, laufen weiter unten die Vorbe- reitungen für den nächsten Winter bestricktes regenrohr,neukölln,winterprophylaxeschon auf Hochtouren. Und da erwartet man offenbar so Schlimmes, dass schon mal damit begonnen wurde, die Regenrinnen-Abflussrohre mit wärmenden, bun- ten, handgestrickten Stulpen zu beziehen.Vorbildlich?!

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Etwas verspätet, aber immerhin: Es ist vollbracht

sonnenbrücke neukölln,einweihung der treppenanlage am estrel hotelWolken in allen möglichen Grautönen und für wenige Augenblicke ließ sich dann sogar noch die Sonne sehen: Es hätte vorgestern Mittag an der Sonnen- brücke also schlimmer kommen können.

Schirme für alle standen bereit, als Hella Dun- ger-Löper (l.), Berlins Staatssekretärin für Bauen und Wohnen, und der Neuköllner Baustadtrat Thomas Blesing die neugestaltete Treppenanlage  am Neuköllner Schiffahrtskanal einweihten und der Öffentlich- einweihung treppenanlage sonnenbrücke, neukölln, sonnentreppe estrel hoteleinweihung treppenanlage sonnenbrücke, neukölln, brunnenanlage sonnenbrücke estrel hotelkeit übergaben. Ebenfalls dabei: Thomas Brückner (r.), einer der Direktoren des benachbarten Estrel Hotels, das eine tragende Säule bei der Public-Private-Part- nership spielt, auf der das Projekt „Treppe Sonnenbrücke Nord“ basiert.

Eigentlich sollte der neue Zugang zum Wasser schon im September eröffnet werden. „Doch dann“, so Thomas Blesing, „wurden auf dem Gelände Wasserleitungen ge- funden, von deren Existenz niemand wusste und alles verzögerte sich.“ 900.000 Euro aus dem Stadtumbau West-Budget wurden verbaut, um aus der zuvor verwilderten, einweihung treppenanlage sonnenbrücke, neukölln, sonnentreppe estrel hotel,estrel biergartenabgeschotteten Uferkante eine attraktive, öffentlich zugängliche Tribüne mit Brunnenanlage und klei- ner Bühne am Kanal zu machen.

Damit „alles wie aus ei- nem Guss“ wirkt, gibt Tho- mas Brückner bekannt, habe das Estrel zusätzlich 200.000 Euro in die Um- gestaltung des hoteleige- nen Biergartens investiert, der sich an die Treppenanlage anschließt. Auch die Kosten für die Pflege des öffentlichen Bereichs werden von Neuköllns größtem Beherbergungsbetrieb übernommen. So ganz unkommentiert wollte Brückner das Lob von Hella Dunger-Löper, dass man hier von einem gelungenen Modellprojekt für das Zusammenspiel von öffentlichem und privatem Handeln sprechen könne, aber doch nicht stehen lassen. „Leider“, sagte er, „schließen sich die anderen ge- werblichen Nachbarn entlang des Kanals nicht an.“ Die Vision einer Promenade von der Sonnenbrücke bis zum Kiehlufer sei damit vom Tisch. Zumindest vorerst.

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Nach drüben gemacht

Vorgestern lief die sechste Folge der ARD-Serie „Weissensee“. Mit der in der DDR der 80er-Jahre spielenden Familiengeschichte markierte Regisseur Friedemann Fromm ein Novum in der gesamtdeutschen Fernsehgeschichte. Bei den Zuschau- ern kam das – trotz des orthografisch vergeigten Titels – so gut an,  dass eine zweite Staffel der ursprünglich als Sechsteiler geplanten Serie bereits beschlossene Sache ard-serie weissensee, magendoktor neuköllnsein soll. Ob in der wohl auch wieder die mitten im Richardkiez beheimatete Gastro-Institution „Zum Magendoktor“ von West auf Ost gekrempelt wird?

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Expeditionen durchs Rollbergviertel

Die Berliner sind kiezfixiert, sagt man. Viele, so hört man immer wieder, verlassen das Viertel um die eigenen vier Wände nur, wenn es unbedingt nötig ist. Andererseits sind die Kenntnisse darüber, was sich entlang der vertrauten Pfade abspielt, aber oft nur sehr oberflächlich. Sogar im vergleichsweise überschaubaren Rollbergkiez ist kiezrundgänge rollbergkiez,neukölln,elke binjosdas nicht anders. Um diesen Zustand zu ändern, gibt es dort nun Kiezrundgänge zu vier verschie- denen Themenbereichen. Letzten Freitag startete die Veranstaltungsreihe mit einer Erkundung der sozialen Einrichtungen für die etwa 5.600 Menschen aus 30 Nationen, die im Quartier leben.

elke binjos, kiezrundgang rollbergkiez, neuköllnElke Binjos gehört seit 20 Jahren da- zu. Doch im Gegen- satz zu vielen Nach- barn weiß sie nicht nur was wo ist, sondern sie weiß auch, welche Insti- tution bei welchem Anliegen weiterhilft. Und sie kennt viele Geschichten und reichlich Geschicht- liches rund um den Kiez. Gute Voraussetzungen also, um anderen das Viertel samt seiner Akteure näher zu bringen. „Ob es dafür überhaupt einen Bedarf gibt“, sagt sie, „probieren wir jetzt einfach mal aus.“ Finanziert wird der Versuch durch Soziale Stadt-Mittel des Quartiersmanagements, was zwangsläufig dazu führt, dass die sonne rollbergkiez,neuköllnüberzeugte Rollbergerin außer als Sympathisantin der Projekte auch als Öffentlichkeitsarbeiterin für das QM unterwegs ist. Doch ohne dessen Förde- rung oder die der Wohnungsbaugesellschaft STADT UND LAND scheint im Kiez um Alfred Trenkels Skulptur „Protuberanzen“ ohnehin wenig zu laufen.

In der Falkstraße ist die Projektdichte am höchsten. Elke Binjos bittet zunächst zur Besichtigung des Medienstandorts Rollbergsiedlung: Hier entstehen die Kiezzeitung Rollberginfo und die Filme der Kids Kietz News. „Inzwischen gehören über 50 Kinder und Jugendliche zum erweiterten Teilnehmerkreis, etwa 10 bis 15 davon kommen regelmäßig zu den Treffen“, erzählt Projektleiterin Friederike Hundert- mark. Zusammen mit ihrem Partner Hansgeorg Gantert weist die Regisseurin die Kids in die Videofilmerei ein. Der pädagogische Nebeneffekt ist, dass die jungen Rollberger für ihren Kiez sensibiliert werden, während Clips zwischen Fiktion und Berichterstattung entstehen. Außerdem gehört nun auch das Projekt Jugendwohnen im Kiez zu den Nutzern des Medienstandorts, das mit Serviceangeboten für Familien aufwartet.

Nur ein paar Schritte weiter ist der MaDonna Mädchentreff beheimatet. „Hier treffen sich hauptsächlich türkische und arabische Mädchen“, erklärt Elke Binjos im Vorbei- gehen. Dass es überwiegend Mädchen mit türkischem oder arabischem Migra- tionshintergrund sind, würde der Realität höchstwahrscheinlich näher kommen. Doch solche Feinheiten gehen im täglichen Mit- oder Nebeneinander gerne unter. Die familienkompetenzzentrum rollbergkiez, neuköllnnächste Station, das Familien- kompetenzzentrum, erleichtert das Differenzieren schon durch seine akkurate Ausschilderung. Hauptmieter des Gebäudes ist die AWO Südost, die in der Falkstraße auch ihr Projekt AWO ExChange, einen intergenera- tiven Freiwilligendienst, unterge- bracht hat. Alle anderen Räume sind an Projekte untervermietet, deren Ausrichtung im engeren oder weiteren Sinne aus Familienarbeit und -be- ratungsangeboten besteht. Heroes steht an einer Tür, Aufbruch Neukölln an einer anderen, nebenan sind die Termine der Rechts- und Schuldnerberatung ange- schlagen. Sogar eine Sporthalle gibt es, die von den Rollbergern gemietet werden kann. An diesem Vormittag ist sie ungenutzt.

Morgen um 10 Uhr startet Elke Binjos zu einem weiteren Kiezrundgang durchs Rollbergviertel: Schwerpunkt werden Stationen der Stille sein. Am 29. Oktober geht es dann um Kunst im Rollberg und am 5. November um Angebote für Kinder. Die Teilnahme an den Führungen ist kostenlos.

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Just married

 

standesamt neukölln blaschkoallee, historisches trauzimmer, foto: f. baumgart

Foto: F. Baumgart

20.10.2010: 14 Paare haben beschlossen, dieses Datum in ihre Trauringe gravieren lassen zu wollen und heiraten heute im Neuköllner Standesamt an der Blaschko- allee. Das seien erheblich mehr als an normalen Mittwochen.

Auf wenig Interesse stieß dagegen das Angebot, diesen besonderen Tag mit einer besonderen Art der Trauung zu toppen: Eine Vermehlung in der Britzer Mühle wollte niemand.

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Neukölln, deine Kreativen

selchower straße, neukölln,unterm pflaster liegt der strand

Ein Handtuch, ein Buch, ein Federballschläger, eine Palme, viel Sand drumrum und das Rauschen des Meeres Verkehrs auf der Hermannstraße. Wenn das nicht die perfekte Urlaubsidylle ist …

Man muss ja nicht immer nur reden …

In der Reisschale an der Karl-Marx-Straße werden normalerweise asiatische Le- bensmittel, Bio-Backwaren und Küchenutensilien mit Asia-Touch verkauft. Gestern war das nicht so. Da war die Reisschale Heimstatt eines Dinner-Events namens Halbtisch. Das Projekt wurde von den Künstlerinnen Gretta Louw und Jane Hughes initiiert und gab vier Essern die Möglichkeit, beim Tafeln am Halbtisch eine kongeniale Verbindung zwischen Ess- und Schreibtisch zu testen.

Wie kommuniziert man miteinander, wenn eine Schaufensterscheibe zwischen den  Tischhälften steht? Wenn  ein Esser diesseits  und einer jenseits  von ihr sitzt und al-

halbtisch,gretta louw,jane hughes,reisschale neuköllnhalbtisch,gretta louw,jane hughes,reisschale neukölln

halbtisch,gretta louw,jane hughes,reisschale neuköllnles Verbale verhindert wird? Was es heißt, sich auf die Aussagekraft von Mimik und Geshalbtisch,gretta louw,jane hughes,reisschale neuköllntik zu besinnen und Schrift oder Bil- der sprechen zu lassen, bewies  das Experiment Halbtisch. Dass sich eines der beiden Dinner- Paare bereits halbtisch,gretta louw,jane hughes,reisschale neuköllnvorher sehr gut, das andere sich aber gar nicht kannte, brachte einen zusätzlichen Reiz in die Sache – nicht halbtisch,gretta louw,jane hughes,reisschale neuköllnnur für die Es- ser, sondern auch für die Passanten. So schlug sich auf der einen Seite wesentlich mehr Mitteilungsbedarf an der Schaufensterscheibe nieder als auf der anderen. Wer würde nicht gerne wenigstens einige rudimentäre Dinge vom Gegenüber am Tisch wissen? Dass ein Anwohner der Karl-Marx-Straße bei dem 2-Gänge-Menü auf eine Aachenerin getroffen war, blieb so auch für die Umstehenden kein  Geheimnis.  Die  Reaktion  des  Neuköllners  folgte  prompt:  mit   „Oho“,   einem

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halbtisch,gretta louw,jane hughes,reisschale neuköllnWort, das ohne Verrenkungen des Gehirns geschrieben werden konnte und beim Lesen nicht erst entziffert werden musste. „Komplizierter als das Schreiben ist sowieso das dauernde Wechseln zwischen Stift und halbtisch,gretta louw,jane hughes,reisschale neuköllnBesteck“, fand er. Zur kommunikativen Ab- lenkung kam der Sitzortnachteil. Während die Plätze an der Heizung im Laden für Hitzeschübe sorgten, kühlten die Menschen und Mahlzeiten auf der Bürgersteigseite bei einstelligen Außentemperaturen schnell ab – ohne dass der halbtisch,gretta louw,jane hughes,reisschale neuköllnSpaß darunter litt.

„Wir hätten Halbtisch auch gerne schon im September gemacht, als es etwas wärmer war“, gab Gretta Louw zu. Doch das aus dem Aktionärsfonds der [Aktion! Karl-Marx-Straße] finan- zierte Projekt habe leider wegen der Förderrichtlinien nicht früher statt- finden können.

Immerhin mussten die, die gestern draußen bei Wein, Colcannon, Lachssalat mit Pinienkernen, Tarte Tatin und Sandwich Cookies an den Halbtischen Platz nahmen, nicht im Regen sitzen.

Fotos und Videos des Dinner-Events Halbtisch werden ab morgen bis Samstag im Reisschale-Schaufenster gezeigt.

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Arsch Huh Reloaded?

Seinen Wochenmarkt-Besuch lässt sich Herr Bartel nicht nehmen. An jedem dritten Samstag holt Victor ihn ab, bei jedem Wetter. „Ohne Victor müsste ich darauf verzichten“, sagt der 84-Jährige, der seit drei Jahren in einem Neuköllner Pflegeheim lebt und einen Rollstuhl braucht, um vorwärts zu kommen. Victor ist ein Stück Vergangenheit, das den Sprung in die Gegenwart von Herrn Bartel geschafft hat.

Früher wohnten sie als Nachbarn nebeneinander, zunächst ohne näheren Kontakt miteinander zu haben. Victor, der Senegalese, war für den kürbisseWitwer anfangs nur „der Schwatte“, Herr Bartel für den ein verbitterter Alter mit freund- lichen blauen Augen. Im Som- mer 2006 während der Fußball- WM begann ihre zaghafte Annäherung. Später kam das gemeinsame Kreuzworträtseln dazu: „Ich hab dadurch viel Deutsch gelernt“, sagt der 42-Jährige. „Und ich“, fügt Herr Bartel zu, „konnte von seinem enormen Wissen profitieren.“ Ein Unding sei es, dass er das immer noch nicht an Schüler weitergeben dürfe, obwohl er ein ab- geschlossenes Lehrer-Studium in seiner Heimat absolviert hat und seine Deutsch-Kenntnisse inzwischen nahezu perfekt sind.

Als es stärker zu regnen beginnt, schiebt Victor Herrn Bartel unter das Dach eines Gemüsestands. „Zum Kotzen ist das“, echauffiert sich der alte Mann, „wie dieses Land mit euch Ausländern umgeht. Dass ihr euch das gefallen lasst …“ Denen, die gar keine Ausländer seien, gehe es doch auch nicht besser, bemerkt Victor: „Aber als Steuerzahler sind wir gut.“ Und um Tore für Deutschland zu schießen, schaltet sich der Gemüsehändler, dessen Vorfahren wie die von Mesut Özil aus der türkischen Provinz Zonguldak kamen, in das Gespräch ein. „Weshalb geht ihr nicht auf die Straße und demonstriert?“, fragt Herr Bartel die beiden Männer. Sie sehen sich an und scheinen die Idee alles andere als unsympathisch zu finden.

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Vorsorge statt Nachsorge

körnerpark neuköllnWer vier Regenschirme und ein paar warme Klamotten übrig hat, würde sich bei diesem Nackten-Quartett im Körnerpark, das vor ein paar Tagen noch im gleißenden Sonnenlicht stand, bestimmt sehr beliebt machen, wenn er alles dort abliefern würde.

Wäre doch schade, wenn sich die „Vier Jahreszeiten“ verkühlen und von Nies- anfällen dermaßen geschüt- telt würden, dass die Brocken nur so fliegen. Das Geld, das dann für Reha-Maßnahmen fällig wäre, könnte man doch wirklich sinnvoller anlegen.

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Abgestürzt

alex,gedenkstelle vor haus,neuköllnAlex war gerade mal 31 und hatte noch viel vor. Er war gerade mit seiner Freundin in die neue Wohnung gezogen, so gut wie nie schlecht gelaunt und kürzlich vom Mitarbeiter zum Teilhaber des Circus Lemke geworden.

Letzten Samstag hatte Alex dort noch bis tief in die Nacht gefeiert. Stunden bevor es wieder hell wurde war der gebürtige Österreicher tot – aus dem Fenster der Wohnung im 4. Stock auf den Bürgersteig gestürzt. „Das war definitiv ein Unfall“, sagt einer, der Alex gut kannte. Alkohol, vermutet er, wird dabei der alex,gedenkstelle vor café,schillerkiez,neuköllnentscheidende Faktor gewesen sein. Nachbarn, Freunde und Bekannte ha- ben Blumen, Grablichter und Zier- kürbisse abgelegt, wo Alex auf den Bürgersteig aufschlug. „Die sind von mir“, sagt ein Junge aus dem Haus und zeigt auf ein paar Lebkuchen- herzen, die im Laub liegen.

Auch vor dem Circus Lemke ist eine Gedenkstelle mit Blumen, Kerzen, Bildern und letzten Grüßen für Alex entstanden, reißt fast jeden, der hier vorbeikommt, für einen Moment aus der Hektik des Alltags. Nächste Woche soll das Café wieder geöffnet werden. Das Leben, das so schnell vorbei sein kann, geht weiter, nur anders.

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Das Ende des Kopfsteinpflasters

Was sich insbesondere Radfahrer wünschen, die häufig im Richardkiez unterwegs sind, wird im Schillerkiez gerade Wirklichkeit: Aus der einst kopfsteingepflasterten Buckelpiste Mahlower Straße wurde bereits eine komfortabel befahrbare, asphaltier-

mahlower straße asphaltiert,schillerkiez,neuköllnstraßenbauarbeiten selchower straße,schillerkiez,neukölln

te Straße, und der Selchower Straße, die momentan einer gigantischen Buddelkiste gleicht, steht nun Selbiges bevor. Im Richardkiez gilt indes auch weiterhin, dass das historische Ambiente im alten Rixdorfer Ortskern wichtiger als die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer ist.

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