Was haben Google Maps und viele Neuköllner gemeinsam? Sie kennen den Platz der Stadt Hof nicht. Entschieden ortskundiger ist hingegen der berlin.de-Stadtplan: Der Platz der Stadt Hof liegt da, wo die Ganghoferstraße von der Karl-Marx-Straße abzweigt, lässt er auf einen Blick erkennen. Würde man allerdings die Neuköllner fragen, wo der Vorm-Karstadt-Schnäppchenmarkt-Platz ist, bekäme man wohl von jedem die richtige Antwort. Vielleicht noch verbunden mit der Frage „Wie? Ditt solln Platz sein?“
Eine Fülle dessen, was als Aufenthaltsqualität bezeichnet wird, hat der überdimensional breite Bürgersteig an der tosenden Kreuzung im Zentrum Neuköllns wirklich nicht zu bieten: ein Wall-Klo, eine Platane, eine Topfpflanzen-Hecke, das ins Pflaster eingelassene Wappen der Stadt Hof und eine von Tischen und Stühlen umgebene China-Imbiss-Bude. Im Juni kamen noch einige blaue Kästen dazu, die Kunstobjekte und Sitzmöbel in einem und Vorläufer für die Verschönerung des vernachlässigten Platzes sind, die im Zuge der Umgestaltung der Karl-Marx-Straße erfolgen soll.
45 Landschaftsarchitektur-Büros aus ganz Europa bewarben sich mit ihren Ideen am ausgeschriebenen frei- raumplanerischen Reali- sierungswettbewerb, neun davon wurden von einem Fachgremium ausgewählt, konkrete Entwürfe, Modelle und Kostenpläne unter Einhaltung der Budget- grenze von 500.000 Euro einzureichen. Ihre Arbeiten wurden zunächst am vergangenen Mittwoch bei einer Bürgerversammlung diskutiert, bevor Donnerstag eine Jury zusammen kam und schließlich für den Wettbewerbsbeitrag mit der Startnummer 107 als Gewinner votierte, der von el:ch Landschaftsarchitekten in Kooperation mit der tunesischen Künstlerin Nadia Kaabi Linke eingereicht wurde.
Freitag informierten der Neuköllner Baustadtrat Thomas Blesing, Fachjuror Harald Fugmann, Rico Emge von der AG UmbauStadt und Holger Schilling als Delegierter der [Aktion! Karl-Marx-Straße] in einer Pressekonferenz über die Entscheidung. Der Platz der Stadt Hof solle, so Blesing, zu einem der herausgestellten Punkte entlang der Neukölln Magistrale werden und nach seiner Umgestaltung 2012 so aussehen.
Besonders angetan waren die Juroren vom in den Entwurf integrierten Kunstobjekt „demografischen Pflaster“: Mit verschiedenfarbigen Steinen wird ein Mosaik entstehen, das die quantitative Verhältnismäßigkeit der ethnischen Gruppen in Neukölln aufzeigt. Über den Platz verteilte Sitzgruppen in unterschiedlichen Anordnungen laden zum Verweilen und Kommunizieren ein, auch das gefiel.
Dagegen hielt sich die Begeisterung über das vom Wettbewerbsgewinner el:ch eingearbeitete Modul Brunnenanlage in Grenzen. „Die wird es nicht geben“, ent- schied der Baustadtrat. Aus Folgekostengründen und weil man mit einem Brunnen auf dem Platz der Stadt Hof bereits vor Jahrzehnten schlechte Erfahrungen gemacht habe: Sie vermüllte zusehends und wurde daraufhin amtlicherseits wieder aus dem Verkehr gezogen. Auf andere, derzeit zum Platz gehörende Dinge werde man nach den Umgestaltungsmaßnahmen ebenfalls verzichten müssen: Das Wappen der Stadt Hof kommt weg, und die Zufahrt von der Karl-Marx- in die Ganghofer- und Ri- chardstraße wird es dann für Autofahrer auch nicht mehr geben. Dass sie verzichtbar ist, habe eine Verkehrsuntersuchung ergeben.
Unklar ist hingegen noch die Zukunft der China-Imbiss-Bude. Sie könne integriert werden, sagte Thomas Blesing, gleichzeitig stellte er jedoch fest, dass es „keinen Ewigkeitsvertrag mit dem Besitzer“ gebe. Dass sie ihre exponierte Stellung behält, scheint der Gesamtoptik des Platzes zuliebe unwahrscheinlich.
Auch was dem alles er- spart bleibt, sprich: die teils beliebigen und teils kruden Entwürfe der el:ch-Mitbewerber, blieb kein Geheimnis: Gelbe Metall- röhren, die bis in den U-Bahn-Tunnel ragen und die Geräusche und Gerüche auf den Platz der Stadt Hof blasen. Ein rund 18 Meter hoher Turm mit einer Palme auf der Spitze und Hühnergehege, Bienenstöcken und einem Kompostklo im Inneren. Ein 12 Meter hoher, von drehbaren Sitzfindlingen umgebener Spazierstock. Und auch Bäume, die die Sichtachse zur Richardstraße blockieren. So hatte man sich die Zukunft von Neuköllns kleinem Unbekannten dann doch nicht vorgestellt.
_ensa_
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Haha – die abgelehnten Vorschläge finde ich am besten!!! Auf was für Ideen die Leute kommen…… 😉
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Ja, echt originell, was einige Landschaftsarchitekten und Künstler so mit dem Platz der Stadt Hof vorhatten.
Aber ich find’s schon gut, dass bei der Umgestaltung auf die Halbwertzeit des künstlerischen Aspekts und auch auf die zu erwartenden Folgekosten durch Pflege etc. geachtet wurde.
Total abgerockte Plätze haben wir hier ja wirklich reichlich.
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[…] eingelegt haben und das Treiben der letzten Wochen auf dem Platz der Stadt Hof bereits mit dessen Um- gestaltung zu tun hat, lag gründlich daneben. Nun ist klar: Hier ist ein Denkmal entstanden – eines […]
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